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Popkultur

30 Jahre „Pretty Woman“: Der Film, der Roxette endgültig zu Weltstars machte

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Roxette
Foto: Michel Linssen/Redferns/Getty Images

Benannt ist der Film nach dem Welthit von 1964. Doch es war eine Band aus Schweden, die durch den Kassenschlager mehr als weltberühmt wurde. Einem drei Jahre alten Weihnachtslied sei Dank.

von Björn Springorum

1990 ist die ganze Welt verliebt. In Richard Gere und Julia Roberts, dieses neue Kino-Traumpaar, das uns in Pretty Woman gezeigt hat, dass Liebe alle Grenzen und Schichten überwinden kann. Der reiche, mondäne Finanzhai trifft auf die selbstbewusste Sexarbeiterin, Welten prallen aufeinander. Sie lernen sich kennen, verlieben sich, geraten in Schwierigkeiten und kriegen sich am Ende natürlich doch. Soweit, so Hollywood-Standard. Dennoch ist Pretty Woman anders.

Hört hier den Soundtrack von Pretty Woman:

Auch 30 Jahre nach dem Kinostart vermittelt der Film nur auf den ersten Blick das chauvinistische Bild vom edlen Ritter, der das arme Mädchen rettet. Auf den zweiten haben wir mit Julia Roberts aber eben eine verdammt starke Rolle, die so ganz anders ist als ähnliche Rollenbilder dieser Zeit. Exemplarisch wird das im letzten Dialog des Films: „Und was passiert, nachdem er in den Turm gestiegen ist und sie gerettet hat“, fragt er, woraufhin sie antwortet: „Sie rettet ihn auch.“

Per Gessle gegen Hollywood

Das ist genug, um Frauen wie Männer in den Kinosälen des Jahres 1990 zum Schmachten und Träumen zu bringen. Der Film ist ein riesiger Hit und wird am Ende der vierterfolgreichste Streifen des Jahres sein. In Deutschland sogar der erfolgreichste. Das liegt auch, und da dringen wir jetzt endlich mal zum Kern dieses Artikels vor, am fabelhaften Soundtrack. Der verkauft sich allein in den USA über drei Millionen Mal. Mit der unvergesslichen Ballade It Must Have Been Love enthält er auch einen Beitrag von Roxette, der das damals gerade so richtig durchstartende Duo endgültig in die Stratosphäre schießt.

Und wie so oft im Irrgarten der Musikindustrie, sieht es anfangs gar nicht danach aus. Die Filmfirma Touchstone tritt an das Label EMI heran und hat im Sinn, die durchstartende Band für einen Soundtrack-Beitrag zu engagieren. Eine echt große Nummer eigentlich, doch Per Gessle behält die Nerven. Er sagt ganz cool, dass er keine Zeit hat, einen Song zu komponieren. Touren, das nächste Album Joyride, das muss man verstehen. Also schlägt er einfach It Must Have Been Love vor, eine alte Nummer von 1987, die damals aber nur in Schweden veröffentlicht wurde – als It Must Have Been Love (Christmas For The Broken Hearted). Das passt den Produzenten nicht, doch Gessle bleibt hart. Nö, meint er, einen anderen Song gibt es nicht. Bemerkenswerterweise setzt sich der forsche Schwede durch. Die eine weihnachtliche Textzeile fliegt raus, zack, fertig ist das Ding.

Doch noch ein Welthit

Gessle soll Recht behalten: Obwohl die Nummer erst als dritte Single des Soundtracks veröffentlicht wird, geht sie direkt durch die Decke. Zwei Wochen steht sie ganz oben an der Spitze der US-Charts, mehr als 20 weitere Länder vermelden dasselbe Ergebnis. In Deutschland hält sich die Ballade unglaubliche neun Monate in den Top 75. 2014 erhält Gessle einen Award für fünf Millionen Radio-Plays. Fast 25 Jahre nach dem Start des Films dürfte er sich also mal wieder diebisch darüber gefreut haben, dass er damals hart blieb und nicht einfach einen neuen Song geschrieben hat.

Ebenso wie der Film, hat auch der übrige Soundtrack 30 Jahre später nichts von seiner Ausnahmestellung eingebüßt. Für eine Zeit, in der man erst nach und nach die Bedeutung einzelner Songs für die Wirkung eines Films entdeckt, geht Pretty Woman mit Pioniergeist voran und vereint Interpret*innen wie David Bowie, Robert Palmer, Natalie Cole, die Red Hot Chili Peppers oder natürlich Roy Orbison neben Roxettes brillanter Herzschmerz-Nummer.

Feministisch oder sexistisch?

Dennoch sind sich nicht alle einig, ob Pretty Woman wirklich universell gepriesen werden sollte. Es gibt Kritiker*innen, die behaupten, der Film werte Frauen ab und glorifiziere Materialismus. Andere Stimmen behaupten, wie so oft, das genaue Gegenteil. Durchaus berechtigte Kritik kommt von Menschen, die die Darstellung der Sexarbeiterin grundsätzlich schwierig finden, weil sie letztlich vom Geld eines Mannes gerettet wird. Dann wiederum ist gerade die Rolle von Julia Roberts voller Stärke, Selbstbewusstsein und Zielstrebigkeit. Wo die einen also von einem „feministischen Klassiker“ sprechen, ist Pretty Woman für die anderen eine „zutiefst sexistische Konsumfantasie“. Das darf, soll und möchte bitte jede*r für sich selbst entscheiden. Nur an der Klasse von It Must Have Been Love gibt es nichts zu rütteln.

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