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Popkultur

Review: Auf „One Deep River“ zieht ein melancholischer Mark Knopfler Bilanz

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Mark Knopfler
Foto: Murdo MacLeod

Ein Album, so ruhig und fließend wie der Fluss, der es inspiriert hat: Auf One Deep River blickt Mark Knopfler zurück auf ein ganzes Leben – und klingt dabei melancholisch, bittersüß und auf seine ganz eigene Americana-Weise nostalgisch.

von Björn Springorum

Auf guten 100 Kilometern zieht der Fluss Tyne gemächlich seine Bahn. Kein großer Fluss wie der endlose Mississippi, an dessen Ufern Generationen von Musiker*innen groß geworden sind. Und doch ein wichtiger, insbesondere für die britische Musikgeschichte: Hier, in Newcastle, der Heimat des braunen Bieres, wächst Mark Knopfler auf. Diesem Fluss vertraut er seine frühesten Geheimnisse an, wirft für Glück Pennys hinein, sitzt mit der ersten großen Liebe händchenhaltend im Kies.

Lieder wie ein Fluss

Der junge Knopfler wird Musiker, trampt kreuz und quer durch das Land, kommt eines Abends durch Zufall zu seinem ikonischen Fingerpicking-Style, gründet 1977 die Dire Straits. Und der Rest ist Geschichte. Mit dem Unterschied, dass diese Geschichte immer noch weitererzählt wird. Die Dire Straits mögen vergangen sein und auch auf One Deep River bis auf den einen oder anderen Moment keine große Rolle spielen. Doch Knopfler, der singt immer noch. Und das mehr denn je mit dem Blick nach innen gerichtet.

Benannt hat er das Album nach dem Fluss, der ihn schon sein ganzes Leben begleitet, auf dem Cover ist die Tyne Bridge zu sehen. Erbaut 1928, über 20 Jahre älter als er. Und für ihn Dreh- und Angelpunkt eines selbst für seine Verhältnisse melancholischen, versunkenen Albums. Er blitzt noch auf, der Knopfler, den wir von den Dire Straits kennen, am meisten wahrscheinlich im augenzwinkernden, selbstbewussten Swagger von Ahead Of The Game; überwiegend verlegt er den Fokus auf seinem zehnten Studioalbum aber auf fließende, lakonische, introspektive Lieder, mit denen er Bilanz zieht.


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Schulterschluss zwischen Großbritannien und Americana

Eine Nabelschau ist One Deep River deswegen noch lange nicht, wie gewohnt ist Knopfler mit einem Bein im amerikanischen Westen und mit einem in Großbritannien zuhause. Americana ist und bleibt seine große Leidenschaft, zu seiner schön wie eh und je singenden, seufzenden, träumenden Gitarre gesellen sich Greg Leisz an Pedal- und Lap-Steel-Gitarre und John McCusker an der Violine. Es gibt aber eben auch Mike McGoldrick, der die Uilleann Pipes spielt, ein irischeres Instrument gibt es wohl selbst am Ende des Regenbogens nicht. Den Rest besorgt der Maestro selbst mit seinem Dire-Straits-Kompagnon Guy Fletcher, entstanden ist das alles in Knopflers Studio in London. Obwohl es eher nach einer Veranda in den Südstaaten klingt. Aber es soll ja auch mal warm sein in London.

Kein Alterswerk – eigentlich

Dieser Flirt zwischen Großbritannien und den ehemaligen Kolonien ist nicht neu, aber in dieser Stimmigkeit auch auf One Deep River betörend schön. Das Leben ist aber eben auch an Mark Knopfler nicht spurlos vorübergegangen. Wo er früher über den Entdeckergeist sang, davon, nach Philadelphia zu segeln und ein neues Leben in der Ferne zu beginnen, geht es in This One’s Not Going To End Well auch von einer Reise ins Ungewisse – aber an Bord eines Sklavenschiffes. Das allein reicht schon, um das Album und den Anspruch seines Schöpfers zu verstehen. Alterswerk ist ein Begriff, den man im Stadium eines Künstlers wie ihm gern in den Mund nimmt. Er ist 74. Das Spannende ist aber: Im Grunde klangen alle seine Soloalben seit Golden Heart wie in sich ruhende, elegante Alterswerke. Und das ist auch bald 30 Jahre her.

Sechs Jahre nach Down The Road Wherever begegnet uns also ein Mark Knopfler, der unverändert melancholisch und nachdenklich, aber auch ein wenig ernster ist. Seine Stimme brummelt wie eh und je zwischen Selbstgespräch und Crooner, jung klang die ja eigentlich noch nie, erzählt von Banditen, von Fernweh, von endloser Weise und vom letzten Zug, den man irgendwann nehmen muss. Im Grunde also alles wie immer, und das ist dezidiert positiv gemeint. Insgesamt hat man dennoch den Eindruck, dass der Blick in den Rückspiegel, den er ja nicht das erste Mal riskiert, diesmal ein wenig wehmütiger klingt. Vielleicht ja auch, weil selbst er nicht weiß, ob es nicht das letzte Mal gewesen ist. Der letzte Zug ist nicht mehr ganz so fern.

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Zeitsprung: Am 12.8.1949 kommt Mark Knopfler (Dire Straits) zur Welt.

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