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Popkultur

Review: „Barn“ von Neil Young And Crazy Horse

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Foto: Larry Busacca/Getty Images

Die Old Black röhrt wieder: Mit Barn legen Neil Young And Crazy Horse locker ihr bestes Album der letzten 20 Jahre vor. Aufgenommen wurde es in einer alten Scheune mitten in den Rocky Mountains. Warum auch nicht.

 von Björn Springorum

Hier könnt ihr Barn anhören:

Neil Young ist kürzlich 76 Jahre alt geworden. In zwei Jahren feiert er sein 60. Bühnenjubiläum. Und noch immer ist er am glücklichsten, wenn er irgendwo auf seiner Farm in Colorado spazieren geht und über neue Songs nachdenkt oder mit seiner Old Black auf der Bühne steht. Dennoch hat er zuletzt einige Konzerte und Festivals in den Staaten abgesagt. Zu riskant, sagt er.

Musik macht er natürlich dennoch. Konstant. Und wenn er keine Musik macht, vergräbt er sich in seinen labyrinthinen Archiven, die König Midas erblassen ließen. Erst 2020 bescherte er uns sein vergessenes Album Homegrown, nächstes Jahr soll weiteres unveröffentlichtes Material folgen. Und dazwischen? Hat er Crazy Horse zusammengetrommelt und mit Barn ein weiteres wundervolles, merklich düsteres und schrammeligeres Americana-Lehrstück aufgenommen. In einer Scheune. Ohne Toilette. Ohne Technik. Mit Herz.

302 Jahre Erfahrung

Neil Young und Crazy Horse sind zusammen 302 Jahre alt, die meisten davon haben sie mit ihren Instrumenten verbracht. Davon lebt auch Barn, das unglaublichste 41. Studioalbum des großen Grantlers. Hier werden keine neuen Horizonte angesteuert, hier will kein neuer Trend vermessen werden. Musik, es geht ihnen einzig und allein um die Musik. Um das Zusammenspiel, um die unerklärliche Magie, die entsteht, wenn vier Vollblutmusiker in einem Raum zusammen spielen. Oder in einer Scheune.

Der Albumtitel ist nämlich herrlich unsubtil: Aufgenommen wurde das knarrende, scharrende, dröhnende Barn in jener alten Scheune, die irgendwo auf Neil Youngs Anwesen vor sich hinrottete. Er beschloss, sie instandzusetzen, einfach so, ohne Agenda. Dass er eines Tages dieses Album in ihr aufnehmen würde, kam ihm damals nicht in den Sinn. Es kam ihm nicht mal in den Sinn, dass Barn entstehen würde, als er Crazy Horse in diese Hütte einlud, um ein bisschen mit ihnen zu spielen. Aber wie das so ist, wenn Veteranen wie sie mit viel Zeit und wenig Ablenkung zusammenkommen, entsteht schneller ein Song als sich Neil Young über David Crosby aufregen kann.

Rausch in die Rockies

Die Band spielt sich in einen urwüchsigen, andächtigen, fast schon spirituellen Rausch – mit der majestätischen Kulisse der Rocky Mountains im Rücken, umgeben von knarzendem altem Holz, der Fauna Colorados und nur begleitet von Youngs Frau Daryl Hannah, die die Albumaufnahmen mit ihrem iPad für die gleichnamige Dokumentation festhielt. Sie zeigt eine Band, die nichts und niemandem etwas zu beweisen hat. Die Songs tun dasselbe: Stücke wie spontane Improvisationen in einer Blues-Bar irgendwo in die Rockies, Akustische und Elektrische, bisschen Piano, Mundharmonika, ein herrlich organisches Schlagzeug und Youngs Texte über die Natur, das Altern und den Klimawandel. Highlight: Das intensive, finstere Human Race, das mit seinem gespenstischen mehrstimmigen Chor Children of the fire and flood für Gänsehaut sorgt.

Es ist also nicht unbedingt etwas Neues, was uns Neil Young und Crazy Horse da offerieren. Doch gerade darin liegt die heilsame Kraft von Barn: Mit Genuss hört man diesen Musikern zu, die ihr ganzes Leben nichts anderes gemacht zu haben. Ihre Songs sind einfach und handwerklich solide gebaut wie die Hütte, in der sie entstanden. Und wollen auch gar nicht mehr sein. Aufgenommen haben sie das Album in zehn Tagen, angefühlt hat es sich laut Neil Young wie die Arbeiten an Tonight‘s The Night (1975). Keine schlechte Referenz. Und zugleich ein Indikator, an welche Phase Barn anknüpft.

Man verzeiht dem ewigen Nörgler sogar eine autobiografische Nummer wie Canerican. Vielleicht aber auch nur, weil seine Old Black darin so herrlich schrammelt wie lange nicht Überhaupt ist der Gitarrensound von ursprünglicher, roher Kraft, gespeist von der epochalen Natur rund um diese unbedeutende kleine Scheune in der endlosen Weite Colorados.

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