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Popkultur

Review: Gossip holen auf „Real Power“ die Indie-Disco wieder aus dem Schrank

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Gossip
Foto: Cody Critcheloe

Mit Siebziger-Synthies, blubberndem Bass, zackiger Gitarre und Beth Dittos einnehmender Stimme lassen Gossip auf Real Power die Indie-Disco wiederauferstehen. Ein wenig zahmer klingen sie dennoch.

von Björn Springorum

Was war das für eine Urgewalt. Für eine durchdringende Stimme. Als Gossip 2009 mit Heavy Cross in Deutschland einschlagen, gibt es kein Halten mehr. Gossip prägen den Sound der Indie-Disco im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends, stoßen gleichzeitig eine überfällige Diskussion über Body Positivity und Empowerment an, kurz: sind die Indie-Band der Stunde.

Erstes Album seit zwölf Jahren

Hält wie so oft nicht. Die Band löst sich 2016 auf, Energiebündel Ditto will sich auf ihre Oversize-Modelinie und ihre Solokarriere konzentrieren. Klappt gut, 2019 dann doch die Erkenntnis: So ganz ohne Gossip geht es eben auch nicht. Zack, Brace Baine und Hannah Billie angefunkt, Reunion 2019 klargemacht. Und jetzt, fünf Jahre später, gibt es die erste neue Gossip-Platte seit A Joyful Noise von 2012.

Seit damals ist viel passiert. Die Indie-Disco ist nicht mehr das, was sie damals war; der explosive, stürmische Dance-Rock ihrer frühen Werke würde heute wahrscheinlich nicht mehr funktionieren. Dennoch klingen Gossip auf Real Power eher wieder so wie auf Music For Men als auf dem doch eher poppigen A Joyful Noise. Das per se ist schon mal gut. Und immer noch genau so politisch aufgeladen.

Aufgenommen auf Hawaii

Ein wenig mehr Schroffheit und Attitüde könnte Real Power dann aber doch vertragen. Also, wenn der Titel schon so nah an Raw Power von den Stooges ist. Und was im grandiosen, jubilierenden Opener Act Of God mit seinen Seventies-Bläsern, Background-Chören, zackigen Drums und Dittos triumphierender Stimme bestens funktioniert, wird in introspektiven, minimalistischen Elektro-Collagen wie Don’t Be Afraid fast schon beliebig.

Ausrutscher wie dieser sind aber die klare Ausnahme. Real Power ist ein Album, das Spaß macht und dem man den Spaß aller Beteiligten anhört. Produziert mit Rick Rubin in seinem ganz eigenen Elysium auf Hawaii, ist das Album mit einem warmen, glitzernden, schäumenden Sound ausgestattet. Dieser Typ ist echt ein verdammter Hexer! Für Gossip war diese neuerliche Zusammenarbeit sogar „ein wahres Geschenk“, wie man verlauten ließ. Die Band fühlte sich „aufrichtig umsorgt und unterstützt.“ Papa Rubin eben.

Es geht auch mal ohne Geschrei

Ein Album voller Freiheit und kreativer Expression wollte man schaffen. Und das hat man zweifellos. Davon kündet auch die schillernde, verträumte Gitarrenlinie in Crazy Again, der man endlos lauschen könnte. Oder der lässige Disco-Sonnenuntergangstune Edge Of The Sun, den man wahrscheinlich einem Strandabend auf Hawaii zu verdanken hat. Erkenntnis: Ditto muss nicht mehr schreien, um ihre Message rüberzubringen. Das allein ist ja schon ein Triumph.

Am besten sind Gossip aber auch 2024, wenn sie die Gitarren sprechen lassen und Synthies oder 8-Bit-Elektro in den Hintergrund treten. Turn The Card Slowly ist ein Paradebeispiel dafür, ein wunderbar bittersüßer Indie-Track. Auch Tough brilliert mit elektrisierenden Gitarren und enthemmter Stimmung, dass man glatt vergessen könnte, dass es nicht mehr 2009 ist. Tut ja auch mal ganz gut…

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