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Popkultur

Seht hier die Kurzdoku „Iggy Pop – The Passenger“

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IGGY POP
Foto: Christian Alminana/Getty Images

Iggy Pop. Der Godfather of Punk. Der Mann aus Draht. Ein Meter einundsiebzig sehnige Anarchie, seit über 50 Jahren eine unkaputtbare Konstante, ein Leuchtturm der abseitigen Rockmusik. Obwohl ihm nie besonders großer kommerzieller Erfolg vergönnt war, wird sein Einfluss von wenigen übertroffen. Er gilt als Architekt des Punk, als Wegbereiter einer ganzen Armada von Ikonen. Bands wie The Smiths, Nirvana oder Joy Division wären ohne ihn schlicht nicht vorstellbar.

In den späten Sechzigern wird Iggy Pop von der Rockmusik gepackt: ein Konzert der Doors lässt in ihm den Wunsch keimen, auch so ein Rockstar zu werden wie Jim Morrison. Das wird er. Erst als Frontmann der Proto-Punk-Pioniere The Stooges, ab Mitte der Siebziger als Solitär, immer wieder an der Seite von anderen legendären Musiker*innen.

Die Drogen bringen ihn mehrmals fast um, seine unberechenbare Bühnenshow wird schnell zu seinem wüsten Markenzeichen. Manche sagen sogar, er habe das Stagediven erfunden. Mit David Bowie versinkt er in den Siebzigern in Berlins Schatten und schenkt der Stadt ihren bis heute prägendsten Soundtrack, auch die Achtziger und Neunziger übersteht er. Mit Josh Homme von den Queens Of The Stone Age revitalisiert er schließlich 2016 seine Karriere.

Dies ist die Geschichte eines Mannes, der das Leben bis auf den letzten Tropfen auswringt.

Seht hier unsere Kurzdoku über Elton John (Textversion weiter unten):

Die Anfänge des Iggy Pop

Wie nähert man sich einem Künstler, der größer scheint als das Leben selbst? Der personifizierte Popkultur ist, ein wandelndes Bestiarum des Rock’n’Roll? Vielleicht über dieses eine Zitat: „Music is life. And life is not a business.“ Iggy Pop ist nicht des Geldes wegen dabei. Er ist dabei, weil er nicht anders kann. Ein Getriebener, ein Advokat des Lärms, ein Punk-Schamane. Ein lebendes Stück Rock’n’Roll-Mythos, drahtig, oben ohne, unangepasst.

Am 21. April 1947 kommt er als James Newell Osterberg Jr. in der Fischerstadt Muskegon am Lake Michigan zur Welt. Die Mutter war früher Englischlehrerin, der Vater ist Baseball-Trainer. Sie leben in einem Trailerpark und erziehen ihren Sohn zu einem braven, normalen Teenager, der weder raucht noch trinkt oder Drogen nimmt.

In der fünften Klasse drischt er erstmals auf ein Schlagzeug ein, wird früh von den Eltern gefördert. Er bekommt sogar ihr Schlafzimmer, weil es das einzige Zimmer in ihrem Trailer ist, in das sein Drumkit passt. Die Hingabe der Eltern zahlt sich aus: Erst spielt der junge Osterberg in High-School-Bands wie den Iguanas, dann heuert er bei den Bluesern von The Prime Movers an. Die nennen ihn von Anfang an Iggy – wegen seiner Zeit bei den Iguanas. Die Band entfacht sein Interesse an Politik, Kunst und Avantgarde, bis heute drei Grundpfeiler seines Schaffens.

The Stooges – die Erfindung des Punk

Osterberg verfällt dem Blues, verlässt seine Heimatstadt deswegen in Richtung Chicago. Mit Dave Alexander und den Brüdern Ron und Scott Asheton gründet er dort 1967 The Psychedelic Stooges – getrieben von seinen Vorbildern MC5 und The Doors. Seinen drei neuen Kollegen verdankt er seinen Nachnamen Pop, in Anlehnung an eine lokale Berühmtheit mit diesem Namen. Ihr erster Auftritt findet standesgemäß an Halloween statt, bald nennen sie sich nur noch The Stooges.

So wirklich wissen die vier jungen Herren auf einer Bühne aber noch nichts mit sich anzufangen. Zwei Schlüsselerlebnisse ihres Frontmanns Iggy Pop ändern das nachhaltig und radikal: Das erste ist der Besuch eines The-Doors-Konzerts an der Universität von Michigan und insbesondere das Auftreten von Jim Morrison; als nicht weniger wichtig erweist sich aber auch ein Konzert der All-Girl-Band The Untouchable in New York.

Die frühen Auftritte der Stooges sind von hypnotisierender, avantgardistischer Schwere. Bei den Aufnahmen experimentiert Iggy Pop mit Staubsaugern und Mixern. Ihre ersten beiden Alben, The Stooges und Fun House, sind kommerziell unauffällig. Von ihren Live-Shows kann man das nicht behaupten: Die Band erarbeitet sich einen notorischen Ruf, Iggy Pop wächst schnell in die Rolle des wahnsinnigen Priesters. Er schmiert sich mit Fleisch und Erdnussbutter ein, ritzt sich mit Glasscherben, zieht vor dem Publikum blank und macht das Stagediven populär.

1973 erscheint das dritte Album Raw Power. Es ist das erste gemeinschaftliche Projekt von Iggy Pop und David Bowie, die sich kurz zuvor angefreundet hatten. Bowie produziert das Album, das bis heute als einflussreichste Stooges-Platte und als Herold des Punk gilt. Zugleich ist es der Schwanengesang für die Stooges. Am 9. Februar 1974 geht die Band in Michigan zum letzten Mal auf die Bühne. Das Konzert endet standesgemäß: In einer wüsten Prügelei mit Bikern.

Bowie & Pop – Die Berlin-Jahre

Iggy Pops Drogenkonsum ist da bereits außer Kontrolle geraten. Um vom Heroin loszukommen, zieht er 1976 mit Bowie nach West-Berlin, genauer gesagt in die Hauptstraße 155 in Schöneberg.  Aus popkultureller Sicht haben wir es hier mit dem wahrscheinlich bedeutendsten Umzug aller Zeiten zu tun. „Mit Bowie und seinen Freunden unter einem Dach zu wohnen, war interessant“, äußerte sich Pop mal. „Der Höhepunkt der Woche war Donnerstagabend. Jeder, der noch am Leben war und zum Sofa krabbeln konnte schaute ‚Starsky & Hutch’.“

Die Berlin-Jahre sind für beide Künstler prägend und wichtig. Gemeinsam mit Bowie erschafft Pop hier seine beiden einflussreichsten Solo-Werke The Idiot und Lust For Life. Sie leben, sie arbeiten, sie gehen aus, sie schreiben Songs zusammen – darunter auch China Girl, das beide veröffentlichen werden.

Das Album Lust For Life verpasst nur knapp die Top 20 der UK Album Charts. Der gleichnamige Albumtrack sowie sein Song The Passenger werden Begleiter auf Lebenszeit: Immer wieder werden Werbespots, Kinofilme und Jahres-Best-Of-Listen die Iggy Pop Klassiker ins Bewusstsein einer neuen Öffentlichkeit katapultieren.

Doch zurück in die späten 1970er: Wirklich gut geht das Zusammenleben in der Sieben-Zimmer-Wohnung natürlich nicht. Pop futtert zu oft Bowies Kühlschrank leer, der schmeißt ihn kurzerhand raus. Reumütig zieht Pop ins Hinterhaus, befreundet bleiben die beiden dennoch.

Wie sein Drogenkonsum, bewegt sich auch seine Karriere in Wellen. Mit Soldier und Party kassiert er zu Beginn der Achtziger zwei heftige Flops, wird von seinem damaligen Label Arista vor die Tür gesetzt. Warum Iggy Pop zu diesem Zeitpunkt noch kein Superstar ist, der in Geld schwimmt, wundert auch Andy Warhol. „Ich weiß nicht, warum er nie den Durchbruch geschafft hat“, schreibt der im Vorwort zu Pops erster Biografie I Need More. „Er ist doch so gut.“

Zwischen den Generationen

Die Achtziger übersteht Iggy Pop nur mit Ach und Krach: Mit finanzieller Unterstützung von David Bowie gönnt er sich eine Pause, um endgültig clean zu werden, nimmt Schauspielunterricht, ist aber auch weiterhin in zahlreichen Projekten involviert. Brick By Brick, sein neuntes Album, beschert ihm 1990 mit Candy dann seinen ersten Top-40-Hit in den USA.

Die erste Hälfte der Neunziger widmet er sich dann zahlreichen Soundtrack-Arbeiten für Filme wie Arizona Dream oder schauspielerischen Auftritten in Filmen wie Jim Jarmuschs Dead Man bevor sein Song Lust For Life von 1977 durch den Kultfilm Trainspotting von einer komplett neuen Generation entdeckt wird.

Pop-Ikone Iggy

Das neue Jahrtausend bringt uns einen Iggy Pop, der mehr denn je auf Kollaborationen setzt. Sein Album Skull Ring nimmt er 2003 mit Green Day und Peaches auf, bei Madonnas Aufnahme in die Rock And Roll Hall Of Fame 2008 covert er mit den wiedervereinten Stooges auf ziemlich unvergessliche Weise ihren Song Ray Of Light. Er versucht sich im Jazz, gastiert auf Slashs erstem Soloalbum, setzt sich bei PETA für mehr Tierwohl ein. Längst macht Iggy Pop das, worauf er Lust hat.

2010 zieht er als Teil der Stooges in die Rock and Roll Hall of Fame ein. Noch im selben Jahr verkündet er traurig, das Stagediven aufzugeben. Seine Rastlosigkeit und sein Drang, sich neu zu erfinden leiden darunter nicht: 2016 liefert er gemeinsam mit Josh Homme von den Queens of the Stone Age sein vielleicht bestes Album Post Pop Depression – ein besessenes und bewegendes Werk über Tod, Sex und das, was von uns bleibt.

Bei den Grammys erhält er 2020 den Preis für sein Lebenswerk – überfällig, wie viele finden. Denn Iggy Pop ist längst Rock’n’Roll-Mythos. Er hat das Rollenbild des Punk geschaffen und geprägt wie kein anderer und ist der Vorreiter vieler großer Legenden der Rockmusik. Er ist Künstler wider Willen und selbst durch und durch Kunst. Was Iggy Pop tut und sagt, hat Gewicht. Er ist Kult. Auch wenn ihn selbst das nie interessiert hat. Er bleibt für immer unbestechlich und frei. „Music is life. And life is not a business.“

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