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Popkultur

Taylor Swifts neues Album „folklore“: Wieder verdammt nahe an der Perfektion

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Taylor Swift
Foto: Axelle/Bauer-Griffin/FilmMagic/Getty Images

Überraschung! Kein Drama, keine Social-Media-Schnitzeljagd, keine Hinweise und Puzzleteile, nichts davon. Einfach nur die Ankündigung: In ein paar Stunden ist ein neues Album da. So kennt man das eigentlich nicht von der US-amerikanischen Popsängerin Taylor Swift, aber diesmal, mit folklore, ist alles ziemlich low-key – so low-key, wie ein Release eines der größten US-amerikanischen Popstars eben sein kann.

von Markus Brandstetter

Hier könnt ihr folklore hören:

Dass das Album genau am selben Tag wie das Überraschungsalbum Donda von Kanye West erscheinen sollte, kann zumindest als Mittelfinger gegenüber West gesehen werden, der sich gegenüber Swift in der Vergangenheit nicht unbedingt korrekt verhalten hatte – eine andere Geschichte. West reagierte allerdings kurzfristig – und verschob den geplanten Release seines Longplayers erstmal. Wahrscheinlich, weil man gegen Swift derzeit nur verlieren kann.

So wie 1989, nur anders

Zurück zu „TayTay“: Dass schon wieder – nur ein Jahr nach dem sehr guten Lover – ein neues Album kommt, war nicht geplant. Aber das Coronavirus, die Isolation, die Konzertabsagen, die neu gefundene Zeit zuhause haben eben alles umgeschmissen, auch für Swift. Das Album, das sie allem Anschein nach eben mal so aus dem Ärmel schüttelt, ist dabei alles natürlich andere als beiläufig. Vielmehr ist folklore eines ihrer bemerkenswertesten Werke – und schon wieder so nahe, so verdammt nahe an der Perfektion. So wie damals 1989 mit seinem Sturm-und-Drang-Pop in Ultra-HD-Hochglanz – nur in einer ganz anderen Inkarnation. Dafür hat sie sich als Co-Autor und Co-Produzent Aaron Dessner von The National ins Boot geholt.

https://twitter.com/taylorswift13/status/1286513561553047557

Blick in die Vergangenheit

folklore ist wehmütig, melancholisch, richtet den Blick in die Vergangenheit. In dieser Vergangenheit hat sich nicht alles dorthin entwickelt, wohin es sich entwickelt hätte, wäre es nach einem selbst gegangen. Zwischenmenschliche Beziehungen, die vielversprechend begonnen haben, aber diese Versprechen nicht einlösen konnten, zum Teil rigoros gescheitert sind. Folklore blickt darauf leise zurück, nostalgisch, weh- und reumütig. Beschönigen will es dennoch nichts. „But we were something, don’t you think so? / Roaring twenties, tossing pennies in the pool / And if my wishes came true / It would’ve been you / In my defense, I have none / For never leaving well enough alone“, singt Swift im Opener the 1 – und legt dann nach: „But it would’ve been fun / If you would’ve been the one“.

Das sitzt ordentlich, genau so wie das Stück peace: „Our coming-of-age has come and gone / Suddenly this summer, it’s clear / I never had the courage of my convictions / As long as danger is near / And it’s just around the corner, darlin’ / ‘Cause it lives in me / No, I could never give you peace“, heißt es darin.

Bubblegum-Pop wie auf 1989 (und der Begriff sei hier keinesfalls despektierlich gemeint) ist das keiner – und wenn man folklore trotz aller Reduktion dennoch Bombast attestieren möchte, hat man es hier mit subtilem Bombast zu tun. folklore ist ruhig, oft balladesk, klingt nach Indie-Folk-Pop, wird über weite Strecken von Klavier und Akustikgitarre getragen. Die Beats sind rudimentär, bleiben oft aus. folklore ist kein Material für den Dancefloor, kein Schielen auf die US-Top-40, kein Banger. Eskapismus gibt es keinen, aber einen Blick ins Innere und nach hinten. Ohne Antworten, dafür mit Schwermut – und manchmal sogar mit einem Hauch Bitterkeit. „And that’s the thing about illicit affairs / And clandestine meetings and longing stares / It’s born from just one single glance / But it dies and it dies and it dies / A million little times“, wie es im Stück illicit affairs heißt.

Featuring Bon Iver

Auf dem Albumcover steht Taylor Swift im Wald, das Bild ist schwarzweiß gehalten. Wie ein Bon-Iver-Song, den man ja seit seinem Debütalbum auch immer im Wald verortet. Das passt. Bon Iver, eigentlich ja Justin Vernon, ist tatsächlich mit dabei, singt mit auf der Ballade exile. Vernon beginnt die Ballade ganz ungewohnt in Bruststimme. „I think I’ve seen this before and I didn’t like the ending“, singt Vernon, der die erste Strophe und den ersten Refrain im Alleingang übernimmt. Dann wechselt er für ein paar uh-uhs“ doch ins Falsett, Swift übernimmt die Strophe. Es ist eine von vielen sehr guten Balladen auf folklore.

Großer Wurf

Taylor Swift zeigt sich als Song- und Texteschreiberin von einer neuen, ernsteren, sehr kohärenten Seite. Eine Seite, die man ihr, um ihre Qualitäten wissend, zwar zugetraut hätte – die einen aber bereits nach dem ersten Hördurchgang begeistert – und auch ziemlich melancholisch zurücklässt. Grandios, anders kann man es nicht sagen.

Die musikalische DNA von Taylor Swift

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