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Popkultur

Vor 55 Jahren spielen Yes ihr erstes Konzert – in einem Jugendcamp

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Foto: George Wilkes Archive/Getty Images

Jeder fängt mal irgendwo an. Bei den Prog-Rock-Giganten Yes geht der ganze Zirkus am 3. August 1968 los – mit einem sehr unauffälligen und bescheidenen Gig in einem Jugendlager an Englands Küste.

von Björn Springorum

Mitte der Sechziger wird auch England von der Psychedelik-Welle erfasst. Überall sprießen kuriose Bands aus dem Boden, die sich kauzige Namen geben wie aus einem Charles-Dickens-Roman und Lyrics schreiben, die eher an Alice im Wunderland erinnern als an Rock’n’Roll. Plötzlich heißt es da Be Careful With That Axe Eugene statt Help! In diese Zeit werden auch Yes hineingeboren. Die späteren Prog-Rock-Zauberer werden in London musikalisch sozialisiert – mitten in den Swinging Sixties also, als einfach alles möglich scheint.

Es beginnt in Mittelerde

Irgendwann, manche Quellen sagen 1966, manche 1968, gründet Chris Squire die Band mit dem ebenfalls sehr verschrobenen Namen Mabel Greer’s Toyshop. Die Band spielt psychedelische Rockmusik mit progressiven Einflüssen und tritt im Marquee Club in Soho auf, einem relativ günstigen und deswegen nicht besonders angesehenen Londoner Musikclub. Neben Bassist Squire sind damals auch Sänger und Gitarrist Clive Bayley, Drummer Bob Hagger und, ebenfalls an der Gitarre, ein gewisser Peter Banks dabei. Zwei Fünftel der Ursprungsbesetzung hätten wir damit also schon.

Wirklich voran kommt die Band aber nicht. Ein Zeitzeuge berichtet von einem ihrer Konzerte: „Sie hatten nichts außergewöhnliches. Sie waren sehr gute Musiker, aber es war offensichtlich, dass daraus nie was werden würde.“ Fast richtig. Im legendären Hippie-Club Middle Earth in Covent Garden (ja, der hieß tatsächlich so!) treffen Mabel Greer’s Toyshop auf den mächtigen John Peel. Sie nehmen ein paar Songs für ihn auf, die in überarbeiteten Fassungen auch auf dem späteren Yes-Debüt landen.

Geboren im psychedelischen Wabern

Mittlerweile ist Jon Anderson Teil des Line-Ups, nur wenig später stößt Bill Bruford dazu. Mit der Verpflichtung des Orgelspielers Tony Kaye ist die erste Yes-Inkarnation im Sommer 1968 komplett. Es werden viele weitere folgen, mehr als 20 feste Mitglieder kommen und gehen in den nächsten Jahrzehnten; diese Besetzung jedoch legt den Grundstein für das Wirken einer der wichtigsten und erfolgreichsten Progressive-Rock-Bands aller Zeiten. Doch die wird man nicht mit dem Namen Mabel Greer’s Toy Shop. Nach einem Gig im Nordlondoner Bezirk Highgate ist ein neuer Name fällig.

Ideen haben sie natürlich alle. Anderson schlägt Life vor, Squire hält mit World dagegen. Banks, der wohl nur seine Zustimmung ausdrücken will, sagt einfach yes, und plötzlich hat das Kind einen neuen Namen. Cleverer Fuchs, dieser Banks: Er sagte später, dass er den Namen Yes schon lang im Auge hatte. Und einfach auf den richtigen Moment gewartet hat. Den glorreichen Sommer 1968 verbringt die Band mit Proben: Vom 10. Juni bis zum 9. Juli quartiert sie sich im Keller des ehemaligen Lucky Horseshoe Cafe auf der Shaftesbury Avenue ein. Und atmet den psychedelischen Sommer der Musik. In-A-Gadda-Da-Vida von Iron Butterfly ist gerade erschienen, A Saucerful Of Secrets von Pink Floyd folgt. Dichte Musikwolken wabern durch Londons Straßen, als in einem Untergeschoss die nächste Erfolgsgeschichte vor such hin gärt.

Vom Jugendcamp in die Royal Albert Hall

Der erste Auftritt unter dem neuen Namen Yes findet vor genau 55 Jahren statt. Aber nicht etwa auf einem Hippie-Festival oder in einer legendären Location. Sondern in East Mersea an der südöstlichen Küste Englands – und zwar in einem Jugendlager. Sehr bescheidene Anfänge, keine Frage. Doch was man nicht vergessen darf: Nur knappe vier Monate später eröffnen sie für Creams Abschiedskonzert. Und das findet in der Royal Albert Hall statt. Es muss also einiges passiert sein in diesen wenigen Wochen.

Ist es natürlich: Obwohl Yes anfangs fast ausschließlich Cover von den Beatles, The 5th Dimension oder Traffic spielen, fällt früh ihre ganz eigene Herangehensweise an diese Songs auf. „Es wird selten erwähnt, dass Yes im Grunde als Coverband begann, die das Material anderer Leute interpretierte“, schreibt Peter Banks in der Yes-Bio Close To The Edge. „Aber was für Cover das waren, mit der vollen Yes-Behandlung! Wir haben nicht einfach einen Song neu arrangiert – wir haben ihn mit viel Enthusiasmus gefeiert!“ Als sie am 16. September 1968 im Londoner Blaise’s Club für die einfach nicht erschienenen Sly And The Family Stone (ach, die Sechziger…) einspringen, haben sie mit Rob Flynn danach nicht nur einen neuen Fan, sondern auch einen Manager. Die Rädchen setzen sich in Bewegung.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Doch dann passiert es: Anfang 1969 tauchen plötzlich King Crimson in der Londoner Szene auf. Sie werden direkt zu den größten Konkurrenten von Yes und sorgen dafür, dass die Band wie besessen probt und außerdem beginnt, eigene Songs zu schreiben. Jetzt darf man nicht abgehängt werden, stellen sie ganz fachmännisch fest. Ihr erstes Album Yes folgt dann 1969. Es steigt zwar nicht in die UK-Charts ein, bekommt aber ein Schulterklopfen von Kritikergigant Lester Bangs. Und das ist ja eh wichtiger damals. Ihm gefallen „Stilgefühl, Geschmack und Subtilität“ des Albums. Tony Wilson vom ehrwürdigen Melody Maker merkt an, dass Yes und Led Zeppelin die beiden Bands sind, die es „am ehesten schaffen“. Konkurrenz belebt eben doch das Geschäft.

Am Ende hat Tony Wilson natürlich irgendwie Recht behalten: Yes haben mehr als 30 Millionen Platten verkauft und gelten als eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Prog-Rock-Bands aller Zeiten. Große Karrieren können eben doch in einem Jugendcamp beginnen.

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