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Popkultur

Gitarrengott: Chuck Berry

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Es lebe der Rock ‘n’ Roll’. . . es lebe Chuck Berry! Ein halbes Jahr bevor man in Amerika bemerkte, dass ein weißer Musiker wie ein schwarzer Musiker klingen konnte, schuf Charles Edward Anderson Berry aus Blues, Country-Musik, Western Swing und einer Menge anderer Stile das unwiderstehliche „Maybellene“. Dies läutete den Beginn einer Karriere ein, die über ein halbes Jahrhundert andauerte und von den Rolling Stones zu den Beatles und den Beach Boys so gut wie jede Pop- oder Rockband beeinflusste. Es gibt wohl heutzutage kaum einen Gitarristen, der nicht schon einmal die Riffs und Melodien von Chuck Berry gespielt hat.


Hört hier in Chuck Berry in 20 Songs rein und lest weiter:

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Moderne Rockmusik ohne Chuck Berry ist schwer vorstellbar. Sein Genie liegt in seiner Fähigkeit einen Song zu „präsentieren“. Der Mann, den die meisten Leute in den letzten 40 Jahren auf der Bühne gesehen haben, hat nichts oder nur sehr wenig mit dem Gitarristen zu tun, der im „Duck Walk“ daherkommt und zu seiner Bestzeit eine Offenbarung war.

Chuck Berry ist eine der wichtigsten Ikonen in der Geschichte der Popmusik und der Entwicklung der Rockmusik. Jeder kennt die Hits, es ist also an der Zeit etwas tiefer zu forschen, um den Mann, der ja eindeutig ein Genie ist, wirklich schätzen zu können.

„Wenn man dem Rock ‘n’ Roll einen anderen Namen geben wolle, könnte man ihn auch Chuck Berry nennen.” – John Lennon


Chuck Berry


Digging deeper…

In seiner Autobiografie sagt Chuck, dass er in St. Louis geboren ist. Andere behaupten jedoch, das dies nicht der Fall war und dass er in San Jose in Kalifornien auf die Welt kam und dann als sehr kleines Kind mit seinen Eltern in den Osten der USA zog. Berry lernte in den späten 30er Jahren Gitarre zu spielen und spielte bald auf Parties und Schulbällen. Er arbeitete mit dem Ray Band’s Orchestra in St Louis; seine musikalische Ausbildung wurde jedoch abrupt unterbrochen als er 1944 zu drei Jahren in einer Besserungsanstalt verurteilt wurde, nachdem er ein Auto gestohlen und den Fahrer mit einer Waffe bedroht hatte. Nach seiner Entlassung gründete er die Chuck Berry Combo und begann in der Gegend von St. Louis zu spielen. Später zog er nach Chicago, wo er Muddy Waters traf, der ihn zusammen mit Nat King Cole musikalisch stark beeinflusste. Dies mag manchen überraschend erscheinen, Cole und Louis Jordan waren jedoch damals die bekanntesten schwarzen Künstler und beide spielten eine Rolle bei der Förderung von vielen jüngeren, schwarzen Künstlern in den 50er Jahren. Was Nat anging, lag dies hauptsächlich an seiner Fähigkeit, auch für ein weisses Publikum interessant zu sein. Chuck zog immer mehr weiße Fans an, die seine verrückten Bühnenauftritte liebten.

Muddy Waters machte Berry mit Leonard Chess bekannt, der ihn sofort unter Vertrag nahm. Innerhalb von wenigen Wochen, am 21. Mai 1955, brachte er sein erstes Album heraus; es war stark von „Ida Red“, einer Country Blues Melodie, inspiriert, die Berry in „Maybellene“ umbenannte.

Auf „Maybellene“ spielt Willie Dixon am Kontrabass, Jerome Green von Bo Diddley’s Band auf Maracas und Johnny Johnson auf dem Piano und es hielt sich 1955 für 11 Wochen auf Platz 1 der R&B-Charts und auf Platz 5 in den Hot 100; es war nicht die Geburtstunde des Rock ‘n‘ Roll, aber es war ein entscheidender Moment. Später wurden eine Million Kopien des Albums verkauft. Die B-Seite war ein klassischer Blues-Song „Wee Wee Hours“, wodurch Chuck seine traditionellen Wurzeln unter Beweis stellte.



Es dauerte noch ein weiteres Jahr bis Chuck es in die Billboard-Charts schaffte, aber er war ein beliebter Künstler beim schwarzen Publikum, die dafür sorgten, dass seine nächsten beiden Singles „Thirty Days (To Come Back Home)“ und „No Money Down“ in den R&B-Top-10 landeten. „Roll Over Beethoven“ vom Mai 1956 schaffte einen bescheidenen Durchbruch in den nationalen Charts und brachte es auch bis auf Platz 2 in den R&B-Charts. Es war vielleicht etwas überraschend, dass Chucks Homage an klassische Komponisten und deren Musik und die Notwendigkeit, dass die älteren Musiker der jüngeren Generation weichen mussten, trotz dessen Kultstatus in der Rockgeschichte nicht so erfolgreich in den Billboard Hot 100 war, wie manch einer annahm. Es kletterte im Sommer 1956 bis auf den 29. Platz, war jedoch in Grossbritannien gar nicht in den Charts vertreten. Im November 1963 war es der Auftaktsong auf der B-Seite des zweiten Albums der Beatles in Grossbritannien „With The Beatles“, wodurch einige Musikliebhaber es hörten, die es vielleicht beim ersten Mal nicht wahrgenommen hatten.

„Too Much Monkey Business“ und „Brown Eyed Handsome Man“ folgten und beide Seiten der Single wurden Top 5 Hits in den R&B-Charts, schafften es jedoch nicht in die Hot 100. „School Day“, das im Frühjahr 1957 auf Platz 3 der Charts kletterte und zur gleichen Zeit die R&B-Charts toppte, wurde Chucks nächster Billboard-Hit. Elvis Presleys „All Shook Up“ war damals an der Spitze und „Little Darlin“ von den Diamonds auf Platz 2, warum es wohl keine Überraschung ist, dass Chuck daran nicht vorbeiziehen konnte.

Chucks Erfolg in den nationalen Charts machte Promoter darauf aufmerksam, dass Chuck möglicherweise an „The Biggest Show of Stars for 1957“, einer Tournee aus schwarzen und weissen Künstlern, teilnehmen könnte, wo er daraufhin auch mit den Everly Brothers, The Crickets, The Drifters, Frankie Lymon and The Teenagers, Fats Domino, Paul Anka und Sam „The Man” Taylor auftrat. Die Eröffnung der Show war am 1. September im Paramount Theater in Brooklyn und die Tournee zog sich durch fast alle amerikanischen Staaten, von Küste zu Küste. Berry trat auch im Dezember 1957 als Gast der Guy Mitchell Show im nationalen Fernsehen auf, wo er ‘Rock & Roll Music’ sang, den Nachfolgehit zu „School Day“.


Chuck Berry


Die „The Biggest Show of Stars for 1957“ Tournee sorgte dafür, dass „Rock & Roll Music“, ein klassisches Rock ‘n‘ Roll Album, das kein Blatt vor den Mund nimmt, es auf Platz 8 der Hot 100 schaffte und zwei Plätze besser in den R&B-Charts. Auf diesem Album spielen ein Musiker mit dem wunderbaren Namen Lafayette Leake am Piano, Big Willie Dixon am Kontrabass und Fred Below am Schlagzeug; alles Veteranen des Chess-Studio-Sounds. Zahllose Bands, wozu die Beach Boys gehörten, die mit dem Titel 1976 auf Platz 5 der Hot 100 landeten, brachten Cover davon heraus. Es war auch ein Klassiker bei den Live-Konzerten der Beatles während ihrer Zeit in Hamburg und während vieler ihrer Live-Radioaufnahmen 1963.

Es gefiel mir wirklich, wie Chuck Berry seine Liedertexte schrieb, er beschrieb kleine Anekdoten, die in seinem Leben und seinem Umfeld passierten und genau das taten auch wir, als ich anfing Liedertexte zu schreiben – „Surfin’ Safari“, „Surfin’ USA“, „Fun, Fun, Fun“ und „I Get Around“. Dies alles waren kleine Geschichten darüber, was in Südkalifornien damals los war als wir dort aufwuchsen.” – Mike Love



„The Biggest Show of Stars for 1957” beendete seine fast dreimonatige Tournee quer durch Amerika in Richmond, Virginia, am 24. November 1957 als „Rock & Roll Music“ gerade die Charts hochkletterte. Chuck Berry ging zurück nach Chicago und nach Weihnachten kehrte er am 29. Dezember wieder in die Chess Studios zurück, um dort mit den gleichen Musikerkollegen zu arbeiten, mit denen er auch schon „Rock & Roll Music“ aufgenommen hatte. Sie schnitten sieben verschiedene Titel, wozu „Sweet Little Sixteen“ gehörte, das Chucks nächste Single wurde, und einen weiteren Klassiker des Genres – „Johnny B. Goode“.

In der Zeit vor politischer Korrektheit, die nie wirklich zum Rock ‘n‘ Roll passte, und in einer Welt, die sich sehr von heute unterscheidet, waren viele Mädchen in Amerika im Alter von 16 Jahren (oder jünger) bereits verheiratet. Es war ein beliebtes Thema sowohl unter Rock ‘n‘ Rollern als auch Blues-Musikern. „Sweet Little Sixteen“ war Chucks am zweitbesten platzierte Chart-Single in den Hot 100, als es zu Beginn des Jahres 1958 bis auf Platz 2 kam, nur geschlagen von „Tequila“ von den Champs. Nichts hielt seinen Siegeszug in den R&B-Charts auf und „Reelin and Rockin“ auf der B-Seite macht es zum perfekten Rock ‘n‘ Roll Album. „Sweet Little Sixteen“ war Chucks zweiter Hit in Grossbritannien, wo es im Frühjahr 1958 auf Platz 16 landete. Musikalisch gesehen „lieh“ sich Brian Wilson die Melodie und das Arrangement dieses Songs für den Beach Boys Hit „Surfin’ USA“; Berry wurde vor nicht allzu langer Zeit nach einem Gerichtsverfahren als Mitkomponist anerkannt.


Chuck Berry


„Johnny B. Goode“ beginnt mit einer Intro, die so etwas wie ein Markenzeichen geworden ist; nicht nur für Berry, sondern auch für sehr viele andere Bands, darunter auch die Beatles. Es ist eine grossartige, rockige Intro, die viele tausend Male kopiert worden war, aber in Wahrheit war Chuck damals nicht nüchtern gewesen. 1946, also zwölf Jahre vorher, war Louis Jordan ein Mann, den jeder aufstrebende Musiker bewunderte. Zusammen mit seinen Tympany Five nahm er „Ain’t That Just Like A Woman“ auf. Der Gitarrist der Tympany Five war Carl Hogan und sein Gitarren-Intro zu dem Song war fast Ton für Ton dasselbe wie Chuck Berrys spätere Aufnahme. Wie man so schön sagt, es gibt keine neuen Ideen, nur alte, die man neu erfindet. Tatsächlich ist Jordans Aufnahme eine weitere, die im Wettbewerb um die allererste Rock ‘n‘ Roll Platte gute Chancen hätte.

Einen Nachfolge-Hit zu „Sweet Little Sixteen“ zu schreiben war eine fast unmögliche Aufgabe, aber wenn es ein Song schaffen konnte, so war es „Johnny B. Goode“. Angefangen von seinem brillianten, wenn auch nicht komplett originellen, Gitarrenriff zu Beginn bis zu den Texten, die, wie Berry bewusst wurde, das Land in Erinnerung riefen, das vielen seiner Fans am Herzen lag, ist „Johnny B. Goode“ ein eindeutiges Rock ‘n‘ Roll Album. Es landete auf Platz 8 der Hot 100, hielt sich fast vier Monate in diesen Charts und erzielte nur knapp keine dritte Top-Platzierung für Berry in den R&B-Charts.

„Johnny B. Goode“ stand am Ende von drei Jahren mit beinahe fehlerlosen Rock ‘n‘ Roll Alben und obwohl auch noch einige großartige Singles dabei waren, schaffte es keine davon, an die kreative Leistung dieser frühen Jahre heranzureichen . Es dauerte ganze sechs Jahre bis Berry wieder einen Top-10-Hit in den Hot 100 landete, obwohl ein Jahr vorher, 1963, „Memphis Tennessee“ den 6. Platz in Grossbritannien erreichte. Dazwischen brachte er einige hervorragende Alben heraus, zu denen „Let It Rock“, „Run Rudolph Run“, „Little Queenie“ und „Carol“ gehörten. Die letzteren beiden wurden von den Rolling Stones gecovert, was besonders gut auf ihrer Tournee durch Amerika 1969 ankam und was man auf Get Yer Ya-Ya’s Out hören kann.


Chuck Berry – immer noch Weltklasse:


Berrys fehlender ernsthafter Erfolg in den Charts lag unter anderem daran, dass er eine Weile im Gefängnis einsaß, nachdem er verurteilt wurde, da er eine Minderjährige (sie war vierzehn Jahre alt) über eine Staatengrenze gebracht habe. Berry verbrachte drei Jahre im Gefängnis und obwohl es kaum Zweifel daran gibt, dass die Rassenvorurteile und schlechte Presse dabei eine Rolle spielten, hätten die Auswirkungen auf seine Karriere katastrophal sein können; es war aber wahrscheinlich die „britische Invasion“, die bei seinem Comeback behilflich war.

„No Particular Place To Go” landete im Hochsommer 1964 in den Top 10 der Billboard-Charts. Vor Chuck waren noch eine Reihe anderer Bands der „britischen Invasion“ platziert und auf Platz 1 waren die Beach Boys mit „I Get Around“, mit Mike Loves Text, der von keinem geringeren als „Old Flat Top“ selbst inspiriert worden war. „No Particular Place To Go“ hätte es auf beiden Seiten des Atlantik ans obere Ende jeder bedeutenden Charts schaffen sollen (es erreichte immerhin Platz 3 in Grossbritannien). Chuck schaffte dies jedoch mit einem ersten Platz sowohl in den Charts in Grossbritannien, den USA und vielen anderen Ländern sechs Jahre später mit „My Ding-A-Ling“, einem Album, dessen einzige Verbindung zum Rock ‘n‘ Roll sein Thema ist.

Während der 60er und auch der 70er Jahre beeinflusste Berry weiterhin amerikanische und britische Bands. Sie waren ein Produkt von Berry wie er seinerseits ein Produkt des Proto-Rock ‘n‘ Roll von Louis Jordan, Joe Turner und Wynonie Harris in den späten 40er Jahren war. Obwohl er 1979 noch einmal im Gefängnis einsass, diesmal wegen Steuerhinterziehung, was an sich kein Stolperstein für seine Karriere darstellen sollte, ist Berry weiterhin aufgetreten, hauptsächlich mit Pick-Up-Bands; dies war nicht wirklich problematisch, da er ja einen großen Einfluss auf jeden Möchtegern-Popstar der letzten sechs Jahrzehnte hatte (sowohl Bruce Springsteen als auch Steve Miller spielten in Berry Pick-Up-Bands).


Hier stellen wir euch weitere Gitarrengötter vor:

Bo Diddley
Muddy Waters

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