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Popkultur

10 Jahre „Blunderbuss“: Jack Whites erste richtige Feuertaufe

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Jack White
Foto: Theo Wargo/Getty Images

Zu zweit bei den White Stripes, als Band bei den Raconteurs: Bis 2012 hat Gitarrengottheit Jack White alle Konstellationen durchdekliniert und längst Musikgeschichte geschrieben. Nur ein richtiges Soloalbum fehlt ihm noch. Blunderbuss erscheint heute vor zehn Jahren – und wird zum Triumphzug eines einfallsreichen und von der Liebe gebrandmarkten Solitärs.

von Björn Springorum

 Hier könnt ihr euch Blunderbuss anhören:

2012 hat Jack White eigentlich alles erreicht, was man als US-amerikanischer Rockstar mit Mitte 30 erreichen kann. Zwischen 1997 und 2007 betreibt er mit seiner Exfrau Meg White eines der erfolgreichsten Duo-Unternehmen der Rockgeschichte. The White Stripes verhelfen dem Garage Rock zu einem Revival, spendieren den Fußballarenen der Welt mit Seven Nation Army die größte Hymne überhaupt, verkaufen Millionen Platten, bekommen reihenweise Grammys hinterhergeschmissen und bringen Detroits Musikerbe einmal mehr zum Glänzen. Ganz neben bei liefert er 2008 mit Alicia Keys das einzige Bond-Duett, gründet 2005 The Raconteurs und später The Dead Weather.

Fehlt nur noch der Alleingang

Alles, was ihm jetzt noch fehlt, ist ein wahrhaftiges Soloalbum. Das soll sich 2012 ändern. Was vor zehn Jahren unter dem Namen Blunderbuss erscheint, ist die Kulmination all dessen, was Jack White in den letzten 15 Jahren getan, aufgesaugt und gesagt hat. Typisch Jack White eben: Auch wenn seine Musik oft roh, unkontrolliert und improvisiert wirkt, ist hinter den Kulissen alles genauestens durchgeplant. Sein Solodebüt kommt keine Sekunde zu früh: White hat mittlerweile einen ikonischen Status als Musiker, Produzent, Plattenboss und Gitarrensammler. Wenn er spricht, das ist ihm klar, hört ihm die Welt zu.

Also schreibt er ein wuchtiges und dennoch vielschichtiges, anspruchsvoll komponiertes und dennoch eingängiges Album, auf dem er von Blues Rock über Country, Soul, Hip-Hop und Outlaw Folk so ziemlich alles abgrast, was ihm lieb und teuer ist. Blunderbuss schafft es sogar, Aromen von Bowie und den Beatles unterzubringen ohne dass man sofort daran erinnert wird. So ist das eben, wenn Musiknerds großes kompositorisches Talent besitzen. Entsprechend tobt sich White aus: Er nimmt rein weibliche und rein männliche Backing-Bands auf und untersucht, ob sie den Vibe eines Songs verändern; er befehligt eine ganze Armada an angeheuerten Musiker*innen; er lässt ständig etwas aufnehmen, während er wie besessen weiter komponiert.

Wu-Tang-Clan sei Dank!

Dass sich so viele musikbegabte Menschen in seiner Nähe aufhalten, ist in Nashville einerseits natürlich kein Zufall; andererseits liegt es an Wu-Tang-Clan-Mitglied RZA, der eine bereits gebuchte und geplante Aufnahmesession kurzfristig absagt. Und nach Hause will White die ganzen Leute jetzt auch nicht unbedingt schicken, so ganz unverrichteter Dinge. Also arbeitet er kurzerhand an eigenen Songs. Entsprechend lang liest sich die Credit-Liste der Platte. Außer White sind 18 Künstler*innen an den Aufnahmen beteiligt.

Geschrieben und aufgenommen in seinem Third Man Studio in Nashville, Tennessee, ist Blunderbuss lyrisch gesehen ein Album des Todes. Der Tod, er zieht sich als schwarzer Faden durch die Stücke, es geht um Verlust, um Abschied, um Trennung und um Auflösung im Nichts. Nicht wenige interpretieren sein Solodebüt deswegen als Scheidungsalbum: Erst im Juni 2011 gaben White und Karen Elson bekannt, sich scheiden lassen zu wollen – fette Scheidungsparty inklusive.

Kontroverses Frauenbild

Die entsprechende Kontroverse ließ nicht lang auf sich warten: White wurde eine herabwürdigende Haltung gegenüber Frauen vorgeworfen. Das muss man sich natürlich näher ansehen und ist nicht so ohne Weiteres aus der Welt zu schaffen. Was aber auffällt, ist, dass White sowohl männliche als auch weibliche Figuren nicht gerade vorteilhaft zeichnet und sich eher auf Unterschiede zwischen den Geschlechtern festlegt – bestimmt nicht völlig frei von seiner zurückliegenden, in die Brüche gegangenen Beziehung.

Den Erfolg des Albums kann das nicht verhindern. Blunderbuss hievt sich aus dem Stand auf die Eins der US-Billboard-Charts, mehrere Grammy-Nominierungen und viel Lob von der Fachpresse. Zu Recht, wie wir auch zehn Jahre später finden: Der lockere Swagger und Groove von Sixteen Saltines erinnert überdeutlich an die seligen White Stripes, die nonchalante Coolness von Love Interruption hat bis heute niemand besser hinbekommen und der Japan-Bonustrack Love Is Blindness ist an Drama und Verve nicht zu überbieten. Vielleicht ist der Nachfolger Lazaretto etwas stringenter, mehr aus einem Guss. Dafür ist Blunderbuss ein Zeugnis seines eklektischen Genies. Und eines der beeindruckendsten, ausgereiftesten Solodebüts der Rockgeschichte.

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