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DAF-Sänger und Underground-Ikone Gabi Delgado-Lopez ist tot

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Gabi Delgado-Lopez
Foto: Stefan Hoederath/Redferns via Getty Images

Diese Nachricht kommt völlig unerwartet. Die nächsten DAF-Konzerte waren schon gebucht, ein neues Album war in Planung. Rest in Power, Gabi!

von Michael Döringer

Das Jahr 2020 nimmt seinen bitteren Lauf. Knapp zehn Tage nach Industrial-Erfinder*in Genesis P-Orridge ist mit Gabi Delgado-Lopez eine andere unermesslich einflussreiche Underground-Ikone verstorben. Delgado-Lopez war vor allem als Sänger und Frontmann der EBM-Pioniere Deutsch Amerikanische Freundschaft (DAF) bekannt. Bandkollege Robert Görl machte Gabis Tod bei Facebook bekannt. Er verstarb in der Nacht des 22. März mit 61 Jahren. Über die Ursache ist noch nichts bekannt.

https://www.facebook.com/goerl/posts/10163114283400632

Ohne DAF wäre heute alles anders

Gabi Delgado war eine zentrale Figur in der deutschen Punkszene. Er wurde 1958 im spanischen Cordoba geboren, zog als Achtjähriger nach Deutschland und wuchs zwischen Rheinland und Ruhrgebiet auf. In den 1970ern zog es ihn in die aufkommende Düsseldorfer Punkszene rund um den Ratinger Hof. Er war Teil der frühen Punk-Bands Charley’s Girls und Mittagspause, dann gründete er mit Robert Görl und anderen die Deutsch Amerikanische Freundschaft und verschmolz Punk und Elektronik zu einem völlig neuen Stil.

Auf den drei DAF-Alben für Virgin zwischen 1981 und 1982 mit Songs wie Tanz den Mussolini oder Verschwende deine Jugend perfektionierte das Duo Delgado/Görl – unterstützt von Produzent Conny Plank – diesen Sound, erfand quasi im Alleingang EBM und war ein riesiger Einfluss für alle Künstler*innen, die im Laufe der 80er und darüber hinaus zwischen Industrial, Wave und Techno operierten. DAF bildeten eine revolutionäre Schnittstelle zwischen bisher getrennten Sphären. Schlagzeug und Synthesizer, Punkrock und Disco, Body Music und Elektronik, Mensch und Maschine war auf einmal gemeinsam möglich.

Die Poesie des Immigrantenkinds

Der Sound von DAF war das eine, Gabi Delgados Texte das andere: „Verlier nicht den Kopf“, „Verehrt euren Haarschnitt“, Verschwende deine Jugend“, „Greif nach den Sternen“ – DAF-Songs waren immer wie Slogans, Delgado textete fast ausschließlich in der Befehlsform und hatte als Immigrantenkind ein sehr spezielles Verhältnis zur deutschen Sprache. Daraus entstand eine ganz eigene Poesie, eine Art romantischer Minimalismus. Dieser Stil war so eigen, dass man ihn nicht kopieren konnte.

Durch die Leere entsteht Neues

In den vergangenen Jahren traten DAF immer wieder live auf. Von ihrer legendären Energie und Bühnenpräsenz hatten die beiden nichts eingebüßt. Sogar ein neues Album war in Planung.

2015 erschien das letzte Soloalbum von Gabi Delgado-Lopez. Wie immer stand für ihn die unbedingte Suche nach neuen Klängen und Ausdrucksmöglichkeiten Vordergrund. In einem Interview gab er jungen Künstler*innen einen entscheidenden Tipp, wie man auch nach Jahrzehnten der Musikgeschichte kreativ sein und weitermachen kann:

„Du willst was Neues machen? Es gibt Arbeitstechniken, die dazu führen. Benutze erst mal neue Werkzeuge. Nicht die, die jeder benutzt. Zweitens: Wenn dich deine Musik an irgendetwas erinnert, und sei es noch so gut, schmeiß es weg! Ganz am Anfang, bevor wir überhaupt Platten machten, haben wir [DAF] uns immer getroffen, um überhaupt erst mal alles auszuchecken. Mit Kurt Dahlke, dem Pyrolator, und Michael Kemner an der Bassgitarre. Wir hatten teilweise wirklich tolle Stücke, die sofort wieder im Papierkorb landeten, weil sie uns zu bekannt vorkamen, ohne dass wir irgendwie abgekupfert hatten: Das eine erinnerte total an Suicide, das andere ein bisschen an Devo. Das kam alles weg! Die Konservativen werfen der Jugend und manchen progressiven Kräften ja oft vor, dass sie immer nur Nein sagen und was sie alles nicht wollen: ‚Schlag doch mal was vor!‘ heißt es dann. Nein, manchmal muss einfach Scheuklappen aufsetzen: Ich weiß noch gar nicht, was ich will, aber ich weiß auf jeden Fall, was ich nicht will. Über diesen Weg kann man auch Neues kreieren. Man muss nicht immer schon den fertigen Entwurf für die Zukunft haben, manchmal muss einfach das Alte weg. Dann entsteht alleine schon durch die Leere etwas Neues.“

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