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Popkultur

30 Jahre „American Recordings“: 10 Fakten über Johnny Cashs morbides Comeback

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Johnny Cash 1994
Foto: Beth Gwinn/Redferns/Getty Images

Zu Beginn der Neunziger ist Johnny Cash ein vergessenes Relikt. Dann kommt Produzent Rick Rubin – und sorgt 1994 mit den American Recordings für eine Wiedergeburt in Schwarz. Hier kommen zehn Fakten, die du vielleicht noch nicht wusstest.

von Björn Springorum

Als die Neunziger um die Ecke kommen, liegt Johnny Cash auf dem Boden des Boxrings und ist kurz davor, ausgezählt zu werden. Er hat chronische Schmerzen aufgrund seiner Herzprobleme, gebrochener Knochen und den Folgen einer zweiten Drogensucht, seine Karriere ist längst in Flammen aufgegangen. Sein Label CBS lässt ihn schon 1986 nach 30 gemeinsamen und sehr ertragreichen Jahren fallen, alles deutet darauf hin, dass Johnny Cash ein Relikt vergangener Zeiten wird, ein Fossil, dem man vielleicht eine Fußnote in einem Museum zugesteht. Dann kommt Rick Rubin. Er sieht etwas in Cash, das damals niemand mehr gesehen hat. Und läutet mit den American Recordings die Wiedergeburt dieser Ikone ein – nur diesmal in Schwarz.

1. Zurück zu den Wurzeln

Rick Rubins Entscheidung, Cash ganz allein mit seiner Gitarre in dessen Waldhütte aufzunehmen, erweist sich als genial und wegweisend. Neu ist sie nicht: Bewusst greift er auf Cashs früheste Aufnahmemethoden in den Fünfzigern zurück. Schon sein erster Produzent Sam Phillips hatte festgestellt, dass Cashs Stimme am besten für einen reduzierten Stil und ein drei- oder vierköpfiges Ensemble geeignet war. Gut, Rubin verzichtet auf das Ensemble, doch die Reduktion auf den Man in Black, seine Stimme und seine Gitarre ist der Schlüssel zu diesem mythischen Comeback.

2. Arbeitstier

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3. Bob Dylan ist Schuld

Cash und Dylan sind alte Kumpels. Sie unterstützen sich, treten gemeinsam auf, nehmen 1969 sogar Songs zusammen auf. Die erscheinen leider nie offiziell, doch ihre besondere Beziehung ist indirekt für Cashs dritten Frühling ab 1994 verantwortlich: Bei Dylans 30th Anniversary Concert im Madison Square Garden treten auch Johnny und June Carter Cash auf, um den Song It Ain’t Me Babe zu performen. Im Publikum sitzt auch Rick Rubin. Er sieht Cash als lebendigen Künstler, zu Unrecht abgeschrieben von der Musikindustrie.

4. Hip-Hop und Metal?

Dass Rick Rubin und Johnny Cash überhaupt zusammenarbeiten, klingt nicht unbedingt logisch. Rubin wird in den Achtzigern mit seinem Label Def Jam und Produktionen für die Beastie Boys, Public Enemy oder Run-DMC erst zur Hip-Hop-Ikone, später dank seiner Arbeit für Slayer auch zum Metal-Methusalem. Die American Recordings sind sein erster Vorstoß in Richtung Country – und werden gleich beim diesem ersten Versuch zum Referenzwerk.

5. Ein ungleiches Paar

Cash ist anfangs gar nicht begeistert von diesem „jungen Hippie“, wie er sich mal erinnerte. Er will nicht von Rubin in einen Rocker verwandelt werden, mit fetter Produktion und dem ganzen Brimborium. Er wird erst langsam neugierig, als er merkt, wie ernst es Rubin ist, wie viel künstlerische Kontrolle er ihm zugesteht und wie minimalistisch er vorgehen will. Der Plan geht auf: Cash nimmt die Songs auf, die er immer aufnehmen wollte. Am Ende werden es über 100 sein. Einer davon (Thirteen) ist von Glenn Danzig – geschrieben für Cash in knapp 20 Minuten.

6. Auch U2 haben da was bewegt

Obwohl er von der Industrie aufgegeben wurde, sind viele Künstlerinnen und Künstler weiterhin glühende Verehrer*innen seines biblischen Talents und erkennen seinen mythischen Status als Original Gangster des Country an. Dazu zählt auch Bono von U2, der durchaus mitverantwortlich dafür war, dass man in den Neunzigern wieder mehr über Cash spricht. „John Cash hat mich einmal zu seinem Haus in Nashville mitgenommen und mir seinen Zoo gezeigt“, so Bono 1993. „Er fuhr mich herum und sagte: ‚Wir haben hier Zebras und dort einen Kakadu‘, und am Ende jagten wir Strauße… Dann drehte er sich um und sagte: ‚Ich hatte auch einen Emu, aber ich musste ihn loswerden, weil das Ding mich angegriffen, mir zwei Rippen gebrochen und mich fast getötet hat. Wenn ich nicht einen Stock in der Hand gehabt hätte, um es zurückzuschlagen, wäre ich jetzt wahrscheinlich tot.‘“ Bono ist so beeindruckt von Cashs Gravitas und Erscheinung, dass er ihm auf Zooropa einen Gastauftritt als eine Art biblische Burroughs-Figur verschafft. Der Man in Black kehrt mit schweren Schritten zurück.

7. Preisgekrönt

Am 26. April 1994 erscheint American Recordings – und die Kritik überschlägt sich. Cash ist back in black. Eine völlig neue Generation und Szene entdeckt ihn, plötzlich hören Grunge-Fans, Metalheads und Alternative Rocker diesen Künstler, den die meisten allerhöchstens noch als fernes Echo der elterlichen Plattensammlung kennen. American Recordings räumt einen Grammy ab und findet sich in Rolling Stones Liste der besten 500 Platten aller Zeiten. Americana ist wieder en vogue.

8. Auf den Hund gekommen

Ebenso ikonisch wie die spärliche, spröde, intime Instrumentierung ist das Covermotiv dieser ersten American Recordings. Sturmzerzaust, windumtost steht er da, Cash, den Elementen ausgesetzt und doch selbst eine Naturgewalt, eine priesterliche Figur aus einem Ingmar-Bergmann-Film. Zu seiner linken und rechten zwei Hunde, sein Gitarrenkoffer vor ihm… ein perfektes Motiv. Aufgenommen wurde es in Australien – von Andy Earl. Der erinnert sich so: „Für mich war das der Moment, in dem alles, was ich erreichen wollte, in dieser Aufnahme zusammenkam. Ich wusste, dass es das Cover sein könnte. Es brachte Johnny Cash auf den Punkt. Es hat etwas Religiöses und fängt das ein, was ihn ausmacht: seinen Sinn für Präsenz, die Weizenfelder, die Sturmwolken, die Tiere, den ikonischen Man in Black.

9. Johnnys unter sich

Der Großteil von American Recordings wurde in Cashs Waldhütte in Tennessee aufgenommen. Zwei Songs entstanden aber in Johnny Depps Club Viper Room in Hollywood – Tennessee Stud und The Man Who Couldn’t Cry.

10. Erfolgreiche Schwesteralben

Das Americana-Wunder American Recordings bleibt kein Einzelfall. 1996, 2000 und 2002 erscheinen weitere Teile. American IV ist das letzte Album, das zu seinen Lebzeiten erscheint. Auch nach seinem Tod gibt es noch zwei weitere Teile der American-Saga.

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