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“Boys Are Boys And Girls Are Choice” – Apple nutzt den legendären Monks-Song

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Wer Visionen habe, der solle zum Arzt gehen, sagte einmal der verstorbene Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt. Das bezog sich natürlich auf Politiker, von denen Schmidt eine berufsgebundene Nüchternheit forderte. Doch auch Künstler mit Visionen haben es nicht leicht, sind sie doch oft einsame Pioniere auf ihrem Gebiet und müssen sich in einer Welt behaupten, die für ihre Ideen kein Verständnis hat oder noch nicht bereit ist. Das gilt auch für fünf Zeitgenossen Helmut Schmidts, die sich im Jahr 1961 zu einer Band mit programmatischem Namen zusammen fanden: The Monks bestanden aus fünf amerikanischen Soldaten, die im hessischen Gelnhausen stationiert waren. Was als Jamsession in der örtlichen Militärkneipe begann, sollte zu einer Band werden, die “Musik der Zukunft” spielte, wie es ihr Produzent Jimmy Bowien einmal formulierte. Es gehört unweigerlich zu den Nebenwirkungen der Zukunftsmusik, dass sie nicht im Hier und Jetzt spielt, weshalb es als eine späte Ehre gelten kann, dass Apple den Monks-Song Boys Are Boys And Girls Are Choice nun nutzt, um sein neues iPhone zu bewerben.


Hört euch hier das The Monks Album Black Monk Time an und lest weiter:


Aus der Retrospektive kann man nur staunen, was eine Gruppe amerikanischer Ex-G.I’s in den 1960er Jahren bereits an musikalischen Ideen produzierte. Da ist zum einen die Ästhetik: The Monks setzten sich von anderen Beatgruppen ihrer Zeit ab, in dem sie statt schmal geschnittener Anzüge Mönchskutten trugen, die Haare zur Tonsur rasiert, einen Strick um den Hals gelegt. Nein, auf Groupies hatten es diese Musiker ganz offenbar nicht abgesehen, viel eher sollten sie zu einer Art “Anti-Beatles” werden. Dazu kam die Ermutigung durch die deutschen Manager und Künstler Walther Niemann und Karl-Heinz Remy, bei Text und Sound ruhig auf Experiment zu setzen. Und so findet sich auf der einzigen LP der Band Black Monk Time (1966) sowohl abenteuerlich hoher Gesang als auch dadaeske Lyrics zum Vietnamkrieg und Kalten Krieg (aus der US-Army waren die fünf Monks mittlerweile entlassen worden), etwa im Opener Monk Time.

Alright, my name’s Gary.

Let’s go, it’s beat time, it’s hop time, it’s monk time now!

You know we don’t like the army.

What army?

Who cares what army?

Why do you kill all those kids over there in Vietnam?

Mad Viet Cong.

My brother died in Vietnam!

James Bond, who was he?

Stop it, stop it, I don’t like it!

It’s too loud for my ears.

Pussy galore’s comin’ down and we like it.

We don’t like the atomic bomb.

Was nun nach holprigem, schwer zugänglicher Kunst klingen mag, ist im Gegenteil sehr eingängig, denn nie fehlt es an gekonnten Hook Lines, kreativen Melodien und einem treibenden Beat.


Auch der nun wiederentdeckte Song Boys Are Boys And Girls Are Choice ist ein Beispiel für die Kreativität der Band. Viel zu kurz für einen so guten Song (01:24 Min.) zünden die Musiker mit zwei Gitarren, Banjo, Bass, Schlagzeug und einem Philicordia eine musikalisches Feuerwerk im 4/4-Takt.  Unmöglich, hier nicht mitzuwippen und fröhlich mit dem Kopf zu wackeln oder in ein spontanes Tänzchen auf offener Straße auszubrechen. Doch ehe man sich’s versieht, ist der Song schon zu Ende. Ein bisschen verhält es sich da wie mit der Band selbst.


Zwar kamen die Mönche ab 1965 beim Majorlabel Polydor in Hamburg unter, der kommerzielle Erfolg wollte sich jedoch nicht einstellen, war vielleicht auch gar nicht anvisiert von der Band. Die Mönche tourten zur Promotion ihres Albums Black Monk Time durch ganz Deutschland und wurden dort mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Sie spielten sowohl im legendären Hamburger Beat-Club als auch in der Dorfkneipe in Hinterzupfingen, überall eben, wo man sie auftreten ließ. Gerade im katholischen Süddeutschland hatten sie es schwer mit ihren Soundexperimenten und ihren gesellschaftskritischen Texten. 1967, also vor genau 50 Jahren, trennten sich die Wege der Monks wieder. Doch ihr Einfluss auf spätere Bands des Garagenrock, des Grunge, Krautrocks, der New-Wave-Bewegung und des Punks ist heute unbestritten. Dem trägt auch ein Dokumentarfilm namens Monks – The Transatlantic Feedback aus dem Jahr 2006 Rechnung, der mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Es wäre der Band, von der drei Mitglieder leider bereits gestorben sind, zu wünschen, dass ihr über den Umweg eines Werbespots wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird.


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