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Popkultur

Die musikalische DNA von Deep Purple

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Dö-dö-dööö, dö döö-dö-dööö, dö-dö-döööö – dö dööö! Töne, die beizeiten aus jedem Jugendzimmer dröhnen, sobald der Nachwuchs die Gitarre für sich entdeckt. Das weltbekannte Riff von Deep Purples Smoke In The Water ist aber eben nicht alles, was die 1968 gegründete Band um das einzig verbliebene Gründungsmitglied Ian Paice ausmacht. Ohne Deep Purple wäre Hard Rock vielleicht hart geblieben, hätte sich aber nicht zu Metal verdichtet. Zahlreiche Bands nannte die Band neben Black Sabbath und Led Zeppelin als Teil der heiligen Trias, die den Sound des Genres entscheidend beeinflussen sollten. So beständig wie ihr Einfluss aber war die Band als solche keineswegs. Für eine längere Zeit existierte Deep Purple überhaupt nicht und die ständigen Veränderungen im Kader sind längst legendär: Tatsächlich sogar haben die einzelnen Zusammensetzungen bei Fans und Kritik sogar ihre eigenen Namen beziehungsweise Nummern!


Hört euch hier die musikalische DNA von Deep Purple in einer Playlist an und lest weiter:


Deep Purple, die 1975 einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde als lauteste Band der Welt erhielten, arbeiteten so hart wie sie klangen. Ganze sechs Alben nahm die Band während ihrer ersten dreieinhalb Jahre auf und noch 2007 spielten sie 40 Konzerte – nur allein in Frankreich! Ein Arbeitseifer, der durchaus seine negativen Effekte mit sich brachte. Interne Zerwürfnisse, vorzeitige Drogentode, das Kommen und Gehen von Mitgliedern. Das Rockerleben ist eben doch kein leichtes. Obwohl Deep Purple indes vielen Veränderungen und Rückschlägen ausgesetzt waren, zeichnete sie doch stets ihre Beharrlichkeit aus. Als die Band zum Beispiel 1971 in der Schweiz ihr Album Machine Head im Montreux Casino aufnehmen wollte, standen sie vor einer verbrannten Ruine. Irgendein Genie hatte während eines Frank Zappa-Konzerts eine Leuchtpistole gezündet, der Saal brannte ab. Deep Purple jedoch ließen sich nicht beirren, zogen in ein nahegelegenes Hotel und nahmen inspiriert vom Geschehen dort den Song mit dem wohl markantesten Riff der Rockgeschichte auf: Smoke On The Water. Dass Deep Purple mehr als ein paar Skandälchen und einen großen Hit zu bieten haben, liegt vor allem in ihrer stilistischen Vielseitigkeit begründet. Werfen wir also einen Blick auf die musikalische DNA einer Band, die Härte neu definiert hat!


01. Peter DeRose – Deep Purple

Aller Anfang ist schwer, für eine Band war er sehr beschwerlich: Roundabout schienen von Anfang an unter einem schlechten Stern zu stehen. Die im Namen ausgedrückte Idee eines Besetzungskarussells nämlich schien sich früher zu bewahrheiten, als es den Mitgliedern lieb war. Während einer Tour durch Dänemark und Schweden aber schüttelten sie den Namen ab und legten sich einen neuen zu: Deep Purple. Wie es dazu kam, darum ranken sich die Legenden. Eine behauptet, Ritchie Blackmore habe diesen Namen einem Journalisten genannt, der die Band auf einer Fähre interviewte. Einer anderen zufolge war die Umbenennung nicht ganz so spontan: Alle Mitglieder hätten ihre Favoriten auf eine Tafel geschrieben und dann demokratisch abgestimmt, heißt es. Welche Version auch immer stimmt, sicher ist eins: Der Name geht auf den gleichnamigen Song von Peter DeRose zurück, einem aus dem Radio bekannten Pianisten. Was die dramatische Klaviernummer aus den dreißiger Jahren mit der wilden jungen Rockband zu tun hatte? Es handelte sich schlicht um den Lieblingssong von Blackmores Großmutter! Selbst der härteste Rocker will eben noch der Oma eine Freude machen.


02. Joe South – Hush

Etwas zeitgemäßer, aber ebenso eine Leihgabe war der erste Hit der frisch getauften Deep Purple. Hush erschien auf ihrem Debütalbum Shades Of Deep Purple und erreichte glatt die Nummer vier der US-amerikanischen Billboard Hot 100-Charts, in Kanada landete das Cover sogar auf Platz zwei. Vielleicht ein Grund, warum die legendären Cream die junge Band mit auf Tour nahm? In beider Heimat zumindest kam das Stück nicht gut an. Großbritannien nämlich sollte noch etwas Zeit brauchen, um das neue Talent in seiner Mitte zu erkennen. Dabei präsentierte sich die Band doch von der besten Seite und machte klar, dass sie gekommen war, um zu rocken. Rod Evans, Ritchie Blackmore, Jon Lord, Nick Simper und Ian Paice ließen das von South für den Sänger Billy Joe Royal geschriebene Stück wesentlich psychedelischer, wilder und vor allem härter klingen. Ein Vorzeichen für das, was von dieser Band zu erwarten war! Von wegen Hush – Deep Purple wollten laut sein!


03. Neil Diamond – Kentucky Woman

Und wenn Deep Purple schon aus dem Gospel-beeinflussten Blues-Rock von Joe South eine mächtige Portion Härte extrahieren konnten, dann ja wohl ebenso aus einer Country-Nummer von Neil Diamond! Mit ihrem Cover von seinem Song Kentucky Woman landete die Band den zweiten Hit ihrer Karriere und zeigten einmal mehr, dass unter ihren Händen selbst aus echtem Softie-Material ein energischer Rocksong mit psychedelischer Kante werden konnte. Allein, die Band spielte den Song lediglich im Jahr seiner Veröffentlichung 1968 und 1969, seitdem aber nicht mehr. Ob es vielleicht am Sängerwechsel lag? Unwahrscheinlich, denn auch der frischgebackene Frontmann Ian Gillan schmachtete auf der Bühne den starken Frauen aus Kentucky zu. Wahrscheinlich wollte die nachhaltig veränderte Band lieber für ihr eigenes Material anerkannt werden. Gillan selbst sprach von einer „radikalen Veränderung“, die mit Roger Glover und ihm Einzug in die Band hielt. „Es waren nicht einfach ein Sänger und ein Bassist, die einer Band beitraten – es war eine Songwriter-Einheit“, betonte er.


04. White Boys (Aus dem Musical Hair)

Noch bevor allerdings diese Veränderungen Deep Purple nicht nur personell, sondern auch musikalisch zu einer anderen Band machten, ließen sie sich zu einer weiteren Huldigung hinreißen: Auf der LP Deep Purple findet sich mit dem Song Emmaretta eine Hymne auf die Sängerin Emmaretta Marks, die zu dieser Zeit im Musical Hair zu sehen war und die Rod Evans angeblich verführen wollte! „Emmaretta / did you get my letter?“, schmachtete er die Kollegin an. Hat sie? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Dass Evans mit seiner Aufreißernummer Erfolg hatte, ist zumindest nicht überliefert. Dabei sang sie selbst in Hair darüber, wie „pretty“ White Boys doch sein können – und schließlich arbeitete Evans im Laufe seines Lebens auch als Model! Es entscheiden aber nun mal nicht Äußerlichkeiten allein. Evans überwarf sich selbst mit seiner Band, nachdem er sie 1969 verließ und sich elf Jahre später mit ihrem Management im Gerichtssaal wiedertreffen musste. Dort wurde er zu einer satten Geldstrafe für die unrechtmäßige Verwendung des Namens Deep Purple verurteilt und erhält auch weiterhin keine Einnahmen aus den ersten drei Alben der Band. Autsch!


05. Albert King – Born Under A Bad Sign

Es mag kaum überraschen, dass Deep Purple über ihre vielen Besetzungswechsel sich ständig neu erfanden. Als die sogenannte Mark III-Besetzung (David Coverdale, Ritchie Blackmore, Glenn Hughes, Jon Lord und Ian Paice) das Album Stormbringer veröffentlichte, fühlten sich einige Fans und auch die Kritik vor den Kopf gestoßen. Wo kamen plötzlich diese souligen und funkigen Töne her? Selbst Blackmore ließ sich selbst zu dem Kommentar hinreißen, es klänge wie „Schuhputzermusik“. Eine rassistische Stichelei gegen die eigene Band? Unnötig zu erwähnen, dass er schon bald hochkant rausflog! Deep Purple heuerten stattdessen Tommy Bolin an, der auf dem Nachfolger Come Taste The Band einen noch funkigeren Sound an den Tag legte! Sein Handwerk lehrte ihn unter anderem der Blues-Musiker Albert King. „Er brachte mir bei, dass es während Soli viel härter ist, simpel zu bleiben anstatt kompliziert zu spielen“, bestätigte Bolin in einem Interview. Simplizität ist schließlich auch die Essenz des Funks, in dessen Gefilden King gerne unterwegs war. Ein Beispiel wäre sein Song Born Under A Bad Sign, dessen Titel ebenso als Metapher auf Bolins Leben zu verstehen wäre: Er starb mit nur 25 Jahren an einer Überdosis, nachdem Deep Purple unter anderem wegen seiner und Glenn Hughes’ Drogenprobleme ihre Auflösung entschieden.


06. Yes – Roundabout

Dabei sollte es doch eigentlich niemanden wundern, dass eine Band wie Deep Purple weit mehr als nur Rock machte. Allein, weil natürlich auch sie mit den Prog Rock-Bands in ihrer Zeit viel Kontakt hatten und etwa mit Yes die Bühne auf Jazz-Festivals teilten. In Songs wie Burn vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1974 deutete sich ein deutlich komplexerer Stil an, der den Zeitgenossen Tribut zollte. Verzahnte Gitarrensoli und quirlige Keyboard-Einsätze trafen auf knallharten Rocksound – eine schöne Synthese! Deep Purple dafür aber als „gescheiterte Prog-Band, die sich für mehr Erfolg hartem Rock zuwandten“ abzutun, wie es der Journalist Hans Morgenstern in einem Artikel tat, geht dann doch zu weit. Und immerhin: Deep Purple haben anders als Genesis oder Yes nicht ab den achtziger Jahren mit Mainstream-Pop geflirtet! 1971 war davon bei Yes allerdings noch nichts zu hören, als sie mit Fragile ihr drittes Album veröffentlichten und darauf ihre volle Virtuosität unter Beweis stellten. Der Eröffnungstrack heißt spannender Weise genauso wie Deep Purple vor ihrer Umbenennung: Roundabout.


07. Foreigner – Cold As Ice

Dabei wurde von Deep Purple mehr als einmal befürchtet, sie könnten sich wie andere vor ihnen zur belanglosen Hit-Maschine entwickeln. Als die zu diesem Zeitpunkt aus Joe Lynn Turner, Ritchie Blackmore, Jon Lord, Roger Glover und Ian Paice (Mark V) bestehende Band im Jahr 1990 das Album Slaves and Masters veröffentlichten, hagelte es Kritik. Als „generisches Foreigner-Wannabe-Album“ bezeichnete der Kritiker Alex Henderson die Platte abfällig. Ähm, wie bitte? Aber na gut, Meinungen sind ja wie… Also, jeder hat eins… Ach, ihr wisst schon! Böse Worte allerdings gab es auch von Jon Lord zu hören: „Slaves and Masters ist zweifellos ein Album, das nie unter dem Namen Deep Purple hätte veröffentlicht werden dürfen.“ Auweia! Cold As Ice, dieses Urteil! Wer übrigens mit Mitgliedern von Yes sowie auch Foreigner bestens klarkommt, ist der 1973 bei Deep Purple ausgestiegene Ian Gillan: Gemeinsam mit Rick Wakeman und Steve Howe von Yes erschien er 2014 auf einer Compilation mit The Doors-Covers, zu der auch Foreigner-Sänger Lou Gramm einen Track beisteuerte. Auch hatte er bereits im Jahr 2011 mit Gramm die Bühne geteilt. Zusammen nahmen sie an einer Tour unter dem Titel „Rock Meets Classic“ teil. Das hat zumindest mehr mit Deep Purple zu tun als der Sound von Foreigner, meinen wir.


08. Johann Sebastian Bach – Goldberg Variations, BWV 988: Aria

Country, Blues, Funk und natürlich Rock in allen seinen (Vor-)Formen waren das offizielle Rezept des Deep Purple-Sounds, die Geheimzutat aber war klassische Musik. Zugegeben, spätestens seit Concerto For Group And Orchestra handelt es sich um ein sehr offenes Geheimnis, schon aber die frühen Deep Purple hätten ohne klassische Musik ganz anders geklungen. Maßgeblich dafür verantwortlich war Jon Lord, der 1969 auch das Concerto schrieb und sich an der Hammond-Orgel austobte wie kein Zweiter! Die vermeintlich chaotische Psychedelik seines charakteristischen Spiels aber war geschult an den Kompositionen der ganz Großen. Insbesondere Johann Sebastian Bachs Werke für Tasteninstrumente wie etwa die fürs Harpsichord geschriebenen Goldberg-Variationen waren für ihn maßgeblich. In seiner Leidenschaft für Klassik und seinem Lifestyle als Rocker sah der 2012 verstorbene Lord übrigens nie einen Widerspruch. „Wir werden genauso anerkannt wie irgendwas von Beethoven“, prahlte er 1973 in einem Interview. Wir wagen nicht, ihm zu widersprechen…


09. The Moody Blues – Dawn: Dawn Is A Feeling

Immerhin einhaken können wir: So bahnbrechend ein Projekt wie das Concerto auch war, neu war der Gedanke nicht. Fast zeitgleich zur Veröffentlichung brachte die Band The Nice ihre Interpretation der zwischen klassischer Musik und Jazz angesiedelten Komposition Five Bridges heraus und zwei Jahre zuvor schon hatten The Moody Blues mit Days of Future Past „ein eigenes Genre ins Leben gerufen“, wie es der begeisterte Kritiker Bill Holdship einst schrieb. Rock und Klassik, endlich vereint – das muss nicht nur Lord zugesagt haben, oder? Nun ja, sagen wir so: Es brauchte viel Überredungskunst, bis das Concerto Wirklichkeit wurde. „Ich stand einfach nicht auf klassische Musik“, grummelte Ritchie Blackmore und beschwerte sich über das angeblich arrogante Orchester. Auch für die Gemini Suite des Kollegen hatte Blackmore keine guten Worte übrig, obwohl auch hier alle Mitglieder der Mark II-Besetzung dabei waren. Mit klassischer Musik freundete sich Blackmore allerdings letztlich doch noch an, vor allem unbegleitete Violinenstücke mag er mittlerweile. Also so ziemlich das Gegenteil vom impressionistischen Orchester-Prog-Rock der Moody Blues!


10. Metallica – Master Of Puppets (Live)

Während Lord seine Ambitionen als klassischer Komponist weiter auslebte, war Blackmore froh, zum Rock zurückzukehren, nachdem die Reaktionen auf das Concerto eher verhalten ausgefallen waren. Das Album schrieb sich trotzdem als Pionierwerk in die Geschichte ein und zählt heute noch als Blaupause für etwa Roger Waters’ megalomanische Aufführung von Pink Floyds The Wall oder Metallicas S & M-Projekt. „Mit so gut wie keiner Ausnahme führt jede Hard Rock-Band der letzten 40 Jahre – meine eingeschlossen – ihre Wurzeln auf Black Sabbath, Led Zeppelin und Deep Purple zurück“, betonte auch Metallica-Drummer Lars Ulrich bei seiner Laudatio auf die Band, als diese in die Rock and Roll Hall of Fame eingeführt wurden. „Ich bin ziemlich verwirrt, dass sie so spät aufgenommen werden“, sagte er ebenfalls und drückte damit aus, was alle dachten. Seit 1993 wurden Deep Purple als offizielle Kandidaten für eine Aufnahme gehandelt und doch immer wieder verworfen, selbst wenn sie nominiert wurden. Woran es lag? Roger Glover zufolge soll ein Juror die Band als „One-Hit-Wonder“ abgetan haben. Dem widersprach nicht allein nur der Drummer einer der erfolgreichsten Metal-Bands aller Zeiten. Metallica selbst zeigten sich nicht allein mit S & M in der Tradition von Deep Purple, sondern coverten auch ihren Song When A Blind Man Cries für die Tribute-Compilation Re-Machined: A Tribute to Deep Purple’s Machine Head. Von wegen One-Hit-Wonders: Deep Purples Erbe lebt weiter!


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