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John Mellencamp gibt uns mit “Plain Spoken: From The Chicago Theatre” einen Einblick in sein faszinierendes Leben

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Foto von Harry Sandler

In fast vier Jahrzehnten Künstler-Karriere sammelt sich ein doch recht bemerkenswerter Haufen an faszinierenden Geschichten, Anekdoten, Tiefschlägen und hochtrabenden Erfolgen an. Auch wenn es abseits der Großstädte des mittleren Westens der USA meist nicht die ganz spannenden Geschichten zu erzählen gibt, so sollte zumindest ein Name aus der Region den gemeinen Musik-Liebhaber aufhorchen lassen: John Mellencamp, seines Zeichens Songwriter, Geschichtenerzähler, Musiker, Schauspieler, oder kurz: der Bruce Springsteen des Mittleren Westen kann ohne Zweifel auf eine erstaunliche Ansammlung von Triumphen und Hürden einer bewegten und – vorsichtig formuliert – halbwegs vielseitigen Karriere zurückblicken.

von Timo Diers

Plain Spoken: From The Chicago Theatre ist Konzert und Doku, persönliche Geschichtsstunde und aufwändig mit voll besetzter Band produziertes Live-Erlebnis, aufgenommen im historisch-pittoresken Chicago Theatre. Denn auch wenn das musikalische Wirken deutlich aus seinem Lebenswerk hervorsticht, wird ein reiner Konzertfilm der Geschichte von Mellencamp doch nicht gerecht. Um seinen Fans also einen entsprechenden Einblick in sein ganzes Leben und Schaffen zu gewähren, hat es sich John Mellencamp nicht nehmen lassen, mit sehr persönlichen, selbst eingesprochenen Passagen aus Plain Spoken einen bemerkenswerten und spannenden Film zwischen Konzert und Dokumentation zu kreieren.

Das Chicago Theatre am Abend des Konzertes. Foto von Harry Sandler

Keine Sorge, dank hochmoderner Technik kann für all jene, die sich ganz klassisch einfach nur das Konzert zu Gemüte führen wollen, Mellencamps Kommentar natürlich auch abgestellt werden. Aber gegeben der Tatsache, dass es die Musik auch noch als reinen Mitschnitt auf der beiliegenden CD gibt, offenbart Mellencamps Narrativ doch durchaus Grund zur Wertschätzung. Denn der gute Mann hat ganz gewiss eine beachtliche Stange an Leben und Lebenserfahrung mitzuteilen, sodass dem gewieften Musikenthusiasten das Zuhören an dieser Stelle mal frei heraus empfohlen sei.

Mellencamp, selbst aus Jugendzeiten ein nicht ganz unbeschriebenes Blatt, setzte Mitte der 70er Jahre alles auf eine Karte und zog mit nichts als seinem Talent und einer sehr gesunden Portion Entschlossenheit von Indiana nach New York. Als ihm dort David Bowies Agent dann nach kurzer Zeit seinen ersten, vielversprechenden Plattenvertrag vermittelt, scheint die Perfektion des amerikanischen Traums zum Greifen nah – und floppt. Und zwar gewaltig. Zumal ihn Bowies Agent noch in John Cougar umbenannte. Eine aus heutiger Jugendslang-Perspektive doch recht unkonventionelle bis unglückliche Namensgebung. Aber egal, konnte damals ja niemand wissen.

Foto von Harry Sandler

Jedenfalls tigerte der gescheiterte Cougar zunächst einmal ab nach England und kehrte erst Anfang der 80er endlich mit seinem ersten Nummer-Eins Hit Jack & Diane in die Staaten zurück. Ein Chart-Stürmer, der, wie sich noch zeigen sollte, nur an der Oberfläche des künstlerischen und auch politischen Potenzials des John Mellencamp kratzen sollte. Denn neben den obligatorischen Auszeichnungen, Gold, Platin, der Rock’n’Roll Hall Of Fame und seit Neustem auch der Songwriter’s Hall Of Fame-Mitgliedschaft, ist zu betonen, dass der Tausendsassa unter den Singer-Songwritern mit zunehmenden Erfolg ebenfalls anfing, sich politischen Themen zu widmen. Ein kritischer Beobachter, der sich mit Songs wie Pink Houses (übrigens einer seiner größten Erfolge) oder Small Town den Problemen und Sorgen der amerikanischen Landbevölkerung annahm. Neben Schauspiel-, Regie- und gar nicht mal zu verachtenden Malerei-Tätigkeiten (in den letzten Jahren produzierte Mellencamp über 100 Werke und stellt diese in mehreren amerikanischen Museen aus) engagierte sich Mellencamp 2004 auch im US-Wahlkampf im Rahmen der Vote for Change-Tour, in der sich namenhafte amerikanische Musiker gegen die Wiederwahl von Präsident George W. Bush eingesetzt haben.

Foto von Harry Sandler

Eine wahrlich facettenreiche und interessante Lebensgeschichte also, die neben einer rundum-sorglos Set-List mit vielen seiner beliebtesten Songs ein wahrer Grund zum Zuhören ist. Überdies dürfen sich die glücklichen Besitzer des Films über einen Gastauftritt von Carlene Carter freuen, eine renommierte amerikanische Country-Sängerin und Stieftochter von Johnny Cash. Erhältlich ist Plain Spoken: From The Chicago Theatre ab dem 11. Mai auf DVD oder als Blu-ray, jeweils inklusive CD mit der Audio-Spur des Konzerts.

Ein persönliches, schönes und vor allem besonderes Portrait eines Musikers und Künstlers, der tief und leidenschaftlich aus der amerikanischen Seele schöpft.


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