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Massive Attack rufen mit ihrer EP „Eutopia“ zu einem grundlegenden gesellschaftlichen Wandel auf

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Foto: Paul Bergen/Redferns/Getty Images

Acts wie Saul Williams und Young Fathers sowie politische Expert*innen unterstützen Massive Attack bei ihrem sozialkritischen Anliegen. Die im Lockdown entstandenen Songs und Videos fordern eine Neustrukturierung in allen gesellschaftlichen Bereichen – die Corona-Pandemie biete dafür eine einmalige Chance.

 von Michael Döringer

Langjähriger Aktivismus

In ihrer langen Karriere haben sich Massive Attack immer wieder und mit Nachdruck politisch und aktivistisch engagiert. Kritische Äußerungen gegenüber der britischen Regierung, Support für Anti-Kriegs-Kampagnen und die nukleare Abrüstung, Benefizaktionen für soziale Zwecke, Einfordern globaler Menschenrechte – all das darf man von den Trip-Hop-Pionieren aus Bristol regelmäßig erwarten. Natürlich setzt sich die Band seit vielen Jahren auch für das Klima ein. Zuletzt sorgten sie 2019 für Aufsehen, als Frontmann Robert Del Naja ankündigte, zusammen mit einer Forschungsabteilung der University of Manchester die CO2-Bilanz der Musikindustrie und ihre Auswirkung auf das Klima zu untersuchen. Kurz zuvor hatten Coldplay bekanntgegeben, in Zukunft solange auf groß angelegte Tourneen verzichten wollten, bis solche Unterfangen klimaneutral durchgeführt werden können. Massive Attack wollen allerdings nicht auf große Events und Festivals verzichten, so Del Naja. Weil die aktuelle soziale Atmosphäre so aufgeladen und polarisiert sei, erklärte er im britischen Guardian, sind „vereinigende und erbauliche kulturelle Evens wichtiger als je zuvor, sie abzusagen wäre deshalb falsch.“ Stattdessen sei die wahre Herausforderung, einen Systemwandel im großen Stil voranzutreiben, das allgemeine Greenwashing Herumgerede zu beenden und endlich zu handeln.

Die Lockdown-Revolution

Vergangenen Freitag veröffentlichten Massive Attack eine neue EP, die erneut explizit die drängenden Themen unserer Zeit anspricht. Eutopia ist eine „Visual EP“ mit drei Songs beziehungsweise Videos. Sie entstand während des Corona-Lockdowns und jeder Song in Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstler*innen und politischen Sprecher*innen, die in den jeweiligen Stücken Probleme wie den Klimawandel oder die Notwendigkeit eines universalen Grundeinkommens ansprechen. Die visuelle Gestaltung stammt von AI-Artist Mario Klingemann.

Der erste Song entstand zusammen mit der Alternative-Band Algiers und der costa-ricanischen Politikerin Christiana Figueres, die maßgeblich an der Ausarbeitung des Pariser Klimaschutzabkommens im Jahr 2015 beteiligt war. In ihrem Text erklärt sie, wie die Corona-Krise die bereits zuvor schwelenden Krisen noch weiter verschärfte, von ökonomischer Ungleichheit über den Zusammenbruch des Gesundheitssystems bis zur Klimakatastrophe.

Mit Spoken-Word-Künstler und Rapper Saul Williams und Guy Standing entstand ein weiterer Track. Standing ist Experte für universelles Grundeinkommen und erklärt, wie seine Theorie die Welt besser und gerechter machen würde.

Auch die Young Fathers sind seit jeher politisch aktiv und stehen Massive Attack schon länger künstlerisch nah. Im Zentrum ihres gemeinsamen Tracks steht ein Monolog von Gabriel Zucman, einem Wirtschaftswissenschaftler, der ebenfalls eine gerechtere Verteilung des weltweiten Vermögens ins Visier genommen hat und für eine solidarische „Wealth Tax“ plädiert.

Neue Strukturen für die Welt

Massive Attack plädieren mit dieser EP für einen dringend benötigten weltweiten und gesamtgesellschaftlichen Wandel – er müsse genau jetzt vorangetrieben werden, wo durch die Corona-Pandemie offensichtlich geworden ist, dass man in vielen Bereichen unbedingt über neue Strukturen nachdenken muss, sei es im sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Bereich.

„Der Lockdown deckte die schönsten Aspekte und schlimmsten Verfehlungen der Menschheit auf“, heißt es im zugehörigen Press Release: „Der Spirit dieser EP, ihre Bestandteile und Ideen haben nichts zu tun mit einer naiven Vorstellung von einer perfekten Welt, sondern mit der ganz realen und dringenden Tatsache, dass wir etwas Besseres erschaffen müssen.“

Diese Utopie eines neuen Europa und ebenso einer neuen Welt wollen Massive Attack auch in der ganzen Welt hörbar machen. Dazu veröffentlichen sie demnächst französische, spanische und italienische Versionen der EP auf YouTube und Instagram. Hoffen wir, dass auch diejenigen die Botschaft hören und verstehen, die an wichtigen Entscheidungsprozessen beteiligt sind und mächtige Positionen innehaben.

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