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Popkultur

11. August 1973: Die Geburtsstunde des Hip-Hop

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Foto: Peter Kramer /Getty Images

Selten lässt sich der Beginn einer Musikrichtung so präzise datieren: Vor genau 50 Jahren, am 11. August 1973, entsteht bei einer Party in der Bronx das Hip-Hop-Genre. Es wird die Welt für immer verändern.

von Björn Springorum

Wie erzählt man die Geschichte eines ganzen Genres? Wie fasst man 50 Jahre Kultur in ein paar Zeilen zusammen? Vielleicht, indem man zurück zu den Anfängen geht. Und während die bei den meisten anderen Genres in einem diffusen Schleier der Ungenauigkeit liegen, ist es beim Hip-Hop bemerkenswert leicht: Hip-Hip kommt am 11. August 1973 zur Welt. In New York City, natürlich in New York City, genauer gesagt in der Bronx. Dort eben, wo sich Schwarze Musiker*innen und Künstler*innen in den Siebzigern noch Apartments leisten können. Es scheint wahnwitzig, dass aus diesen bescheidenen Anfängen schon wenige Jahre später Millionäre hervorgehen sollen.

Die Eltern besorgen Snacks und Getränke

Alles beginnt in 1520 Sedgwick Avenue in der Bronx, ein unansehnlicher Apartmentkomplex. 18 Stockwerke, ständig fällt der Strom aus. Im Gebäude gibt es einen Gemeinschaftsraum, in dem Clive Campbell aka DJ Kool Herc an den Plattentellern steht. Anlass der Feier ist eine Back To School-Party für seine Schwester Cindy. Beide wohnen auch in dem Gebäude, DJ Kool Herc ist damals gerade mal 18 Jahre alt. Sie wachsen in einem New York auf, das am Boden ist. Die Stadt ist bankrott, die Kriminalitätsrate ist unfassbar hoch, Vandalismus gehört zur Tagesordnung. Kein Subway-Waggon rollt ohne Graffiti durch diesen Moloch. Es ist dieses Klima, das Hip-Hop ermöglichen soll.

Die Geschwister mieten den Aufenthaltsraum, zahlen 25 Dollar dafür. Tickets für die Party gibt es für 25 Cent (Frauen) und 50 Cent (Männer). Ob Rapper 50 Cent seinen Namen vielleicht doch daher hat? Von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens soll gefeiert werden, sogar die Eltern der beiden kümmern sich um Snacks und Getränke. Soweit, so normal für Schwarze Kids in der Bronx, die selbst was auf die Beine stellen wollen.

Bethlehem der Hip-Hop-Kultur

Wäre da nicht dieser fiebrig innovative DJ Kool Herc, der schon wochenlang an etwas Neuem arbeitet. Zwei Plattenspieler, zweimal dasselbe Album und ein Mixer, mehr braucht er  nicht für eine Kulturrevolution. Er isoliert und verlängert den sogenannten Break, einen kurzen, sehr perkussiven Part, indem er ihn aus beiden Plattenspielern abfeuert. Er nennt das Merry-Go-Round und verwendet dafür Songs von James Brown oder der Incredible Bongo Band. Was entsteht, ist eine beatlastige, aufputschende Euphorie, die aus diesem Gemeinschaftsraum in der Bronx bald schon in die ganze Welt getragen werden wird (https://www.udiscover-music.de/popkultur/the-marshall-mathers-lp-eminem-album). Eine Auswahl ikonischer Platten gibt es jetzt auch bei uns im Store:


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Dazu haut er Phrasen raus, die einfach nur cool und anheizend wirken sollen, aber die Blaupause für die Entwicklung des Rap legen, etwa This is the joint! Herc beat on the point. Fairerweise muss man sagen, dass es damals an vielen Orten in New York City ähnliche Partys gab. Wenn eine als Grundstein für Hip-Hop gelten darf, dann aber ganz klar diese hier. Obwohl DJ Kool Herc nie reich damit wird, ist er nach Ansicht vieler der Gründvater des Hip-Hop, ein kultureller Held, der ganz am Anbeginn einer Legende steht. DJ Kool Herc selbst sagte über 1520 Sedgwick Avenue, hier sei das „Bethlehem der Hop-Hop-Kultur“.

Politik kam später

Sieht man auch daran, wer damals alles bei dieser Party gewesen sein will: Zu den Gästen zählen anscheinend Grandmaster Caz, Grandmaster Flash, Busy Bee, Afrika Bambaataa, Sheri Sher, Mean Gene, Kool DJ Red Alert und KRS-One, allesamt frühe Figuren der New Yorker Hip-Hop-Bewegung. Politisch war die damals noch nicht unbedingt. Mit Ausnahme einzelner Songs tragen erst Public Enemy oder N.W.A. politische Botschaften, Sozialkritik und Haltung in ihre Stücke. Der Fokus der frühen Hip-Hop-Partys lag klar auf Partystimmung. Inhärent politisch ist Hip-Hop hingegen von Beginn an. Er entsteht, weil sich Schwarze nicht repräsentiert fühlen, weil sie in der Stadt keine Plätze für sich haben. Die Musik ist eine Reaktion darauf und wird schon bald zum Fanal, das Unterdrückung, Rassismus und Polizeigewalt an den Pranger stellt. Und irgendwann wird dann auch niemand mehr weghören können.

Der Schöpfer selbst hat nichts davon

Herc wird bald danach zum mythischen Held des New Yorker Hip-Hop-Undergrounds. Es gibt niemanden, der nicht von ihm gehört hat, niemanden, der nicht von ihm beeinflusst ist. Doch während Hip-Hop Ende der Achtziger mit Run-DMC, Public Enemy (https://www.udiscover-music.de/popkultur/35-jahre-it-takes-a-nation-of-millions-to-hold-us-back-von-public-enemy) oder den Beastie Boys fahrt aufnimmt und erste Interpreten zu Millionären macht, macht DJ Kool Herc nicht viel von seinem Einfluss. Weil er keine Krankenversicherung hat, macht ihn ein Nierenstein zum Sozialfall, nur sehr langsam kann er sich davon erholen.

Heute ist Hip-Hop eine millionenschwere Industrie, ist Mode, Marke und Megageschäft. Einige der reichsten Künstler*innen unserer Zeit gehören zu diesem Genre, ab den Neunzigern etabliert sich Hip-Hop weltweit als ernstzunehmendes Genre. Vor allem aber gibt Hip-Hop den Abgehängten der Gesellschaft eine Stimme. Mit den frühen Anfängen in einem heruntergekommenen Gebäude in der Bronx hat das nichts mehr zu tun. Aber zumindest das hat Hip-Hop dann mit allen anderen Genres gemeinsam.

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