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Popkultur

1970: Deep Purple, Led Zeppelin und Black Sabbath läuten das Mutterjahr des Hard Rock ein

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Black Sabbath in den 1970ern. Foto: Gems/Redferns/Getty Images

Götterdämmerung: Vor 50 Jahren wird die Rockmusik lauter, verzerrter, aggressiver. Schuld daran sind natürlich Bands wie Deep Purple oder Black Sabbath. Aber auch ein gewisser Fabrikant namens Jim Marshall.

von Björn Springorum

Ende 1969 scheint der Summer of Love in nahezu mythische Ferne gerückt. Woodstock ist vorüber, der Kater noch nicht ganz auskuriert, als das blutig endende Altamont Festival am 6. Dezember 1969 der Hippie-Bewegung einen weiteren dicken Nagel in den Sarg schlägt. Die Dekade endet desillusioniert, mit einem längst außer Kontrolle geratenen Krieg in Vietnam und der langsamen Einsicht, dass die lobenswerte Sache mit Love, Peace and Happiness wohl doch nicht ganz so einfach zu realisieren ist, wie man sich das noch wenige Jahre zuvor in San Francisco dachte.

In Stein gemeißelt

Glasklar: Es braucht einen neuen Sound. Einen Sound, der diesen langsam dahinsiechenden Hippie-Traum konterkariert, der mit aller Deutlichkeit klarmacht, dass harte Zeiten ein entsprechendes musikalisches Pendant erforderten. Um sich in aller eindringlichen Kürze vor Augen zu führen, was  sich von 1969 auf 1970 ändert, empfiehlt sich eine Vergleichsprobe zweier Alben. Einmal Deep Purples selbstbetitelte; und direkt im Anschluss In Rock. Das eine veröffentlicht im Sommer 1969, noch vor Woodstock. Das andere erscheint exakt ein Jahr später, im Juni 1970.

Obwohl nur zwölf Monate dazwischen liegen, könnten sich diese beiden Platten kaum stärker unterscheiden. Psychedelisch, progressiv, fast schon barock-poppig hier, mit der sanften Stimme von Rod Evans. Und krachende, bis zum Anschlag verzerrte, jaulende Gitarren da, wie besessen angetrieben von diesem Neuling hinter dem Mikrofon namens Ian Gillan. Der fast schon kriminell harte Einstieg mit Speed King, die unbeschreibliche Intensität von Child In Time, der Ausklang mit Hard Lovin‘ Man – hier mutiert eine unauffällige Band praktisch über Nacht zu einem in Stein gemeißelten Hard-Rock-Giganten.

Deep Purple im Jahr 1970. Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

 Das Heulen einer Todesfee

Deep Purple sind nicht die einzigen Briten, die für den Siegeszug der Verzerrung und der harten Musik stehen. Mit dem neuen Jahrzehnt bricht auch eine neue Zeitrechnung über die Rockmusik herein. Nach fleißiger Vorarbeit von The Who, der Beatles und Stones wird das Jahr 1970 zur Wasserscheide, zur Niederkunft des britischen Hard Rock. Erst wenige Monate zuvor debütiert die junge Band Black Sabbath mit ihrem teuflisch-morbiden Debüt, einem der ersten wirklichen Referenzwerke des Heavy Metal. Obschon von der Kritik verachtet und bei weitem nicht so erfolgreich wie Deep Purples Metamorphose, manifestiert sich auch hier der neue Goldstandard der Musik: Härte, Verzerrung, unheilvolle Inhalte, lange Matte. Und ein Gesang wie das Heulen einer Todesfee.

Der Rock‘n‘Roll radikalisiert sich

Noch im selben Jahr hauen sie ihre zweite Platte Paranoid raus. Und auf einmal klappt es auch mit dem Erfolg und mit der Presse. Wer Paranoid, Iron Man oder War Pigs als Argumente mitbringt, gewinnt eben jede Diskussion. Led Zeppelin komplettieren das unheilige Triumvirat des britischen Hard Rock, sind strenggenommen sogar deren Anführer. Ihre 1969-er und 1970-er Alben denken den wuchtigen Sound bereits weiter, experimentieren mit Folk und Blues. Unwissentlich haben diese Bands in wenigen Monaten einen Sound erfunden, der in der Folge auch Legenden wie Uriah Heep das nötige Rüstzeug an die Hand gibt. Und bis heute Bezugspunkt für so gut wie jede Rock-Band ist.

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Ist das nur den Bands zuzuschreiben? Natürlich nicht. Die Flamme der Musik entsteht immer nur aus der Asche einer vorherigen, ultimativ lässt sie sich bis zur Dämmerung der Menschheit zurückverfolgen. Es sind aber nicht nur die Vorläufer dieses britischen Hard-Rock-Triptychons, die für die Radikalisierung des guten alten Rock‘nRoll verantwortlich sind. Es sind vor allem die ungekannt lauten, gnadenlos Druck machenden Verstärker des britischen Herstellers Marshall, die den Hard Rock in die Welt hinaus tragen. So sagt es sogar Ian Gillan selbst.

Härter, lauter, fieser

Wir erinnern uns: Die Beatles hören primär deswegen auf, Konzerte zu spielen, weil man beim damaligen Stand der Technik vor lauter Gekreische eh nichts hört. Mit Marshall-Amps wäre die Musikgeschichte eindeutig anders verlaufen. Plötzlich ist sie da, diese Urgewalt des Klangs, die die Gitarren verzerrt, die Musik stählt und die sich vor allem durch nichts übertönen ließ. Verstärker dieser Marke gibt es zwar schon früher; doch erst ab der zweiten Hälfte der Sechziger, erneut herbeigeführt durch Gründerväter wie The Who oder Jimi Hendrix, beginnt man, die lauten Vorteile dieser kleinen Kästen zu entdecken. Zu verdanken ist der aggressive, zupackende, rohe Sound einem neuen Schaltkreis, der den charmanten Jangle-Sound der bis dato üblichen Vox-Amps packte, in eine dunkle Seitengasse zerrte und verprügelte.

Ohne den berühmten Marshall-Stack, vor dem Hard Rocker in den Siebzigern eigentlich gar nicht erst auf die Bühne gehen, ist die Geschichte dieser Musik undenkbar – selbst wenn Tony Iommi schon auf Paranoid einen Laney-Amp einsetzt. Wie so oft, kommt auch in diesem Jahr vieles zusammen: Neue Technik, frühe Pioniere, eine ungesunde Portion Besessenheit, die richtige Zeit und die richtigen Songs. Nach Purple, Zeppelin und Sabbath gibt es zumindest kein Halten mehr: Die New Wave Of British Heavy Metal übernimmt. Und hat ihren Triumph auch diesen kleinen Kästen zu verdanken, die einen so großen Unterschied machen.

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