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Popkultur

20 Jahre „Elephant“: Die White Stripes führen ihre „Seven Nation Army“ in die Schlacht

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The White Stripes Header

Nach drei Alben gelten die White Stripes als heißester Scheiß der US-amerikanischen Rockwelt. Elephant toppt das alles locker, macht die Band zu Superstars und Garage Rock wieder zur Musik der Stunde. Auch die Welt des Sports wäre ohne den Opener dieses Albums eine vollkommen andere. Lest hier die ganze Geschichte einer der besten Rock-Platten aller Zeiten.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Elephant anhören:

Wenn man keine Ahnung hat, soll man ja bekanntlich einfach mal den Futtermuskel halten. Macht natürlich niemand, insbesondere im Internet nicht, wo dann kürzlich auch die Ungeheuerlichkeit verbreitet wurde, Meg White sei eine schlechte Schlagzeugerin. Püh, schämen sollten sich diese Querulantentrolle da draußen. Die Dame hat Groove, spielt tight, weiß, worauf es ankommt im unheiligen Teufelstanz des Rock’n’Roll. Da braucht man kein hausgroßes Drumkit und auch keine siebzehjähriges Jazzstudium. Was man braucht, ist ein Fuß auf dem Bass-Drum-Pedal und einen Stick auf der Snare. Mehr braucht es dann auch nicht, um gleich den allerersten Song des vierten White-Stripes-Albums Elephant zu einem der größten Rock-Monumente der Welt zu machen: Wer eine Platte mit Seven Nation Army eröffnet, darf sich völlig zurecht über Unsterblichkeit freuen.

Wie kann es aber eigentlich sein, dass ein Duo aus schwarz, rot und weiß, das noch dazu vorgibt, Geschwister zu sein, im Handumdrehen die ganze Welt erobert? Weil man eben The White Stripes heißt. Und für die gelten ganz einfach andere Regeln. Mehr noch: Die haben einfach ein eigenes Regelwerk nur für sich geschrieben. Und sind damit durchgekommen.

Tatort Detroit. Die Wiege von Motown, von Punk, von Techno. Hier lernen sich die High-School-Kids Jack Gillis und Meg White kennen. Im Memphis Smoke, dem Restaurant, in dem Meg White arbeitet und in dem er – Künstlerklischee! – bei Open-Mic-Nights seine Gedichte vorliest. Hach. Sie werden Freunde, verlieben sich, heiraten 1996 und schmeißen aus diesem Anlass eine längst legendäre Party. Jack nimmt den Namen seiner Frau an, arbeitet weiterhin bei der Polstermöbelfirma von Brian Muldoon und verdrischt in seiner Freizeit das Drumkit für lokale Punk-Bands. Das gefällt Meg so sehr, dass sie selbst die Sticks in die Hand nimmt. Jack White ist begeistert, wechselt an die Gitarre – und schon sind die beiden eine Band. So schnell kann es gehen.

Beide sind Fans von Garage Rock, von Eigenproduktionen, von DIY-Ethos und Lo-Fi-Ästhetik. Beide sind aber eben auch Fans vom großen Rock’n’Roll-Mysterium. Also etablieren sie bestimmte Motive, geben sich als Geschwister aus und kleiden sich durchgehend in schwarz, rot und weiß. Außerdem verwenden sie sehr oft die Zahl drei. Das passt sogar für die Karriere, denn genau drei Alben brauchen sie, um mit ihrem rumpelnden, groovenden, bewusst reduzierten Garage-Sound zum heißesten Scheiß der USA zu werden. Man nennt sie die beste Band seit den Sex Pistols, huldigt ihnen, liegt ihnen zu Füßen.

Dann kommt die vierte Platte Elephant. Und alles explodiert, geht durch die Decke, schießt in die Stratosphäre, so was. Zwei Wochen lang nehmen sie in London auf – mit Retro-Equipment aus den Fünfzigern, das Jack White natürlich persönlich über den Atlantik schleift. Der Sound ist direkt, schnörkellos, schiebt ohne Ende und hat dieses herrliche Brummen und Kratzen, das man mit Computern eben einfach nicht hinbekommt.

Die Platte macht The White Stripes zu Mega-Stars. Sehr zu Jack Whites Verwunderung: „Wir hatten doch gar nichts im Mainstream verloren“, erinnerte er sich 2017 mal. „Wir dachten, wir machen das nur für uns und vielleicht 50 Leute in jeder Stadt. Und dann das. Hatten die denn alle den Verstand verloren?“ Die White Stripes führen das Garage-Rock-Revival auf Elephant zum Zenit. Es ist ein barbarisches, dreckiges, rücksichtsloses Album, eine Art besoffener Verwandter, der die Familienfeier mit höhnischem Grinsen und einer Flasche in der Hand ins Chaos stürzt. Gitarre, Drums, Gesang, etwas Bass, bisschen Keyboards, simple Songstrukturen, die sich auf ein einprägsames Riff verlassen, viel Raum für Verzerrung, für satten Groove. Auf ihrer vierten klingen die White Stripes zynisch, schweißgebadet, voller Adrenalin, irgendwie wütend auf etwas, fast schon paranoid. Und natürlich saucool.

Elephant ist der Höhepunkt des Garage-Rock-Revivals, der Höhepunkt aber auch im Wirken dieser einzigartigen Band. Gekrönt wird der Erfolg von zwei Konzerten, die sie im Sommer 2003 für die Rolling Stones veröffentlichen dürfen. Diese Euphorie kann eigentlich nichts trüben, oder? Klar doch, die Transformation (und Entwertung) von Seven Nation Army zur weltweiten Stadionhymne. Das passte Jack White anfangs gar nicht; mittlerweile muss er anerkennen, dass der allgegewärtige, wirklich omnipräsente Song für ihn und seine Band zum Gamechanger wurde. „Der Song gehört mir nicht mehr. Er wurde Folklore. Und je mehr Menschen nicht wissen, von wem er eigentlich stammt, desto glücklicher bin ich“, sagte er mal bei Conan O’Brien. Wir wissen es. Und wir wissen auch, dass es einer der größten Rock-Songs aller Zeiten ist. Ja, das liegt auch an Meg Whites Schlagzeugspiel. Ruhe jetzt.

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