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Popkultur

25 Jahre „The Boatman’s Call“: Nick Caves intimster Seelenstriptease

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Nick Cave
Foto: Kristian Dowling/Getty Images

1997 haben Nick Cave And The Bad Seeds immer noch mit dem unerwarteten Erfolg ihrer Murder Ballads zu kämpfen. Die Reaktion auf Ruhm und MTV-Dauerpräsenz ist The Boatman’s Call, ein reines Pianoalbum, das Nick Cave von seiner verletzlichsten Seite zeigt. Heute wird es 25 Jahre alt.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr The Boatman’s Call hören:

Das hätte sich Nick Cave auch nicht träumen lassen: Da veröffentlicht er mit seinen Bad Seeds 1996 ein bluttriefendes, brutales, übersexualisiertes Album voller Mord, Totschlag und Verbrechen – und wird plötzlich zum Popstar damit. Where The Wild Roses Grow ist der Schlüssel zum (eher ungewollten) Erfolg, das Video mit einer toten Kylie Minogue wird zum MTV-Dauerbrenner. Nick Cave, der Posterboy? Eine seltsame Vorstellung für den Australier.

Für Cave und seine Band ist der überraschende Erfolg Grund genug für eine radikale Geste. Wenige Monate nach der Veröffentlichung der Murder Ballads geht es wieder ins Studio. Das Ziel: eine Kurskorrektur, eine Abkehr von den biblischen Gewalszenarien und verzerrten Gospeln der Vorgängeralben. Zwischen Juni und August 1996 entsteht ein Album, das überwiegend pianobasiert ist und mit seinen spärlichen Arrangements eher an jüngere Werke der Bad Seeds erinnert.

Viktorianisches Leid

In langsamen, elegischen, intimen Songs führt Nick Cave Selbstgespräche und Dialoge mit seinen Verflossenen. Er thematisiert PJ Harvey und Viviane Carneiro, reflektiert über das Menschsein, die Liebe und alles, was damit so schieflaufen kann. Spoiler: Alles. Das tut er zwar niedergeschlagen und mit angemessener Weltferne, aber niemals selbstmitleidig. Cave leidet, ja, aber er leidet eher wie ein viktorianischer Poet. Mit Stil, Eleganz und Gravitas. „Ich machte das Album unter dem Eindruck, wie viel in meinem Liebesleben zur damaligen Zeit schief lief“, so sagte er 2008 mal. „Manche Songs sind direkt darauf zurückzuführen.“

Angeführt wird das Album von einem seiner großartigsten Lieder überhaupt: Into My Arms, diese große, diese wunderschöne Ballade. Vier Minuten und 16 Sekunden tragische Schönheit, zum Zerbrechen gut und bei aller Fragilität durchzogen von stiller Kraft. Am 27. November 1997, rund neun Monate nach Veröffentlichung des stillen Meisterwerks, singt Nick Cave Into My Arms bei der Beerdigung von INXS-Sänger Michael Hutchence, einem Jugendfreund von Cave. Auf seinen Wunsch wurden die anwesenden Fernsehkameras während seiner Darbietung ausgeschaltet. Man kann sich nur vorstellen, wie bewegend das gewesen sein muss.

Nick Cave, der Schmerzensmann

Mit People Ain’t No Good das Album gleich noch einen zweiten absoluten Klassiker, ein Stück vertonter Weltschmerz, der zeigt, wie man auch ohne Kitsch und Pomp geschundene Musik komponieren kann. Cave wird ja gern als Schmerzensmann der Musik bezeichnet, als leidender Priester, in dessen Augen der Untergang lodert. Nie war er es mehr als auf The Boatman’s Call, seiner ganz persönlichen Abrechnung mit diesem Biest namens Liebe.

Und danach? Nimmt Nick Cave eine Weile Abstand von der Musik. Und heiratet Susie Bick, mit der er bis heute zusammen ist. Lief dann wohl doch nicht alles so schlecht mit der Liebe.

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Zeitsprung: Am 14.7.2015 erlebt Nick Cave eine Tragödie & verarbeitet sie mit Musik.

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