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Popkultur

30 Jahre „Gish“: Wie die Smashing Pumpkins zu Grunge-Helden wider Willen wurden

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Smashing Pumpkins
Foto: Martyn Goodacre/Getty Images

Schon die Aufnahmen zu ihrem allerersten Album werden zur Zerreißprobe: Am 28. Mai 1991 erscheint das eindringliche Smashing-Pumpkins-Debüt Gish. Es ist die Ouvertüre zu einer überlebensgroßen Karriere mit überlebensgroßen Problemen.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr Gish hören:

Alles an Gish ist gehüllt in Metaphern, Symbolik und spirituelle Sinnsuche. Von Billy Corgan mal als „Instrumental-Album, auf dem ich zufällig auch singe“ beschrieben und deswegen sicherlich nicht zufällig nach der Stummfilm-Ikone Lilian Gish benannt: Wer Botschaften finden will, ist auf Gish richtig. Die Erste der Smashing Pumpkins ist aber nicht nur ein früher Vorgeschmack auf die steile Karriere der Chicagoer Band; sie zeigt schon im Makrokosmos der Debütentstehung, welche Probleme die Band in den nächsten Jahren erdulden soll.

Es beginnt in einem Plattenladen

Alles beginnt 1988 in einem Plattenladen. Wo sonst. Billy Corgan hat gerade mit seiner Goth-Rock-Band The Marked gebrochen und Florida für seine Heimatstadt Chicago verlassen. Er verkauft Platten, wobei er zufällig Gitarrist James Iha kennenlernt. Die beiden gründen The Smashing Pumpkins und laufen fortan fast nur noch mit Paisleymuster durch die Innenstadt von Chicago. So klingen ihre frühen Demoaufnahmen dann auch: der Sound von The Cure, betrachtet durch ein psychedelisches Kaleidoskop. Ein Drummer? Überflüssig, die beiden stehen anfangs zu zweit auf der Bühne und lassen sich von einer Drum-Machine antreiben.

Das kommt bei ersten Auftritten 1988 ganz okay an, für weitere Engagements müssen sich die Smashing Pumpkins allerdings einen Drummer aus Fleisch und Blut zulegen. Das erklärt, wieso eine Alternative-Rock-Band plötzlich mit Jazz-Drummer Jimmy Chamberlin gesehen wird. Und es erklärt auch ein weiteres Alleinstellungsmerkmal in ihren Sound: Die verträumten Flächen, brütenden Gitarren und introspektiven Vocals werden vom punktierten, dynamischen Spiel immer wieder aus der Reserve gelockt.

Ein Nobody namens Butch Vig

Bassistin D‘Arcy Wretzky war da schon in der Band. Nicht weil sie ein Vorspielen hatte oder von Corgan und Iha entdeckt wurde. Sondern weil Corgan sich nach einem Konzert vom Dan Reed Network mit ihr in die Haare kriegte und er zufällig herausfand, dass sie Bass spielt. Rekrutierung, Corgan-Style. Ein relativ krude und zufällig zusammengewürfelter Haufen ist das, aber sie funktioniert: Die Pumpkins eröffnen Shows für Jane’s Addiction, bringen eine Single raus, lassen die Angebote der Major-Labels beiseite und unterschreiben für ihr Debüt bei Caroline. Produzieren soll es ein gewisser Butch Vig, damals ein weitgehend unbekannter Typ mit einem kleinen Studio in Madison, Wisconsin.

Dort schreibt die Band Musikgeschichte. 20.000 Dollar auf Tasche, 30 Arbeitstage Zeit – purer Luxus für das Produzenten-Team Vig und Corgan. Der schwingt sich im Studio schnell zum Strippenzieher und Kapitän empor. Obwohl er eine komplette Band dabei hat, sind sich Vig und Corgan einig, dass es besser wäre, wenn Corgan so viel Gitarre und Bass wie möglich selbst einspielt. Das führt schon in dieser ersten heißen Phase der jungen Karriere zu unheimlichen Spannungen innerhalb der Band, sogar einen Nervenzusammenbruch soll Corgan erlitten haben. Die Strapazen lohnen sich aber: Gish profitiert von der großen und raumfüllenden Produktion, dem organischen Drumsound und den vielschichtigen Gitarren. Und auch wenn es die anderen nicht gerne hören: Wahrscheinlich wirkt das Album auch deshalb so aus einem Guss, weil wir überwiegend Billy Corgan hören.

Man könnte auch sagen: Die Karriere der Smashing Pumpkins beginnt schon als Egotrip. Ein Werk „über Schmerz und spirituellen Aufstieg“, hat Corgan Gish mal genannt. „Es ist kein politisches Album, es ist auf seltsame Weise ein persönliches Album. Gish ist fast instrumental. Es hat zufällig Gesang in den Songs, aber die Musik überwältigt die Band.“ Klar soweit?

Absturz vor dem Aufstieg

Gish erscheint am 28. Mai 1991. Der Grunge-Wahn greift um sich, unfreiwillig geraten auch die Smashing Pumpkins ins Fahrwasser von Nirvana, Pearl Jam und Alice In Chains. Das ist aus heutiger Sicht noch erstaunlicher als damals: Ihr opulenter Sound zwischen Metal-Gitarren, Alternative-Rock-Harmonien und psychedelischem Dream Pop läutet 1991 eine neue Ära ein, die zugleich zur Zerreißprobe für die Band wird. Schon auf der ersten Tour, bei der die Pumpkins für Guns N’Roses und die Red Hot Chili Peppers eröffnen, tun sich tiefe Risse auf. Iha und Wretzky, zu dieser Zeit noch ein Paar, trennen sich auf äußerst schmutzige Weise, Chamberlin verfällt den Drogen, Corgan trudelt in eine tiefe Depression. Er zieht in eine Garage, wo er den Löwenanteil von Siamese Dream schreibt.

Gish wird zum erfolgreichen Start, verkauft sich rund 350.000 Mal. Und ist doch erst der Anfang: Im Sommer 1993 erscheint der Nachfolger Siamese Dream und macht die vollkommen kaputte Band zur unfreiwilligen Galionsfigur einer Generation. Zig Millionen verkaufte Platten inklusive. Billy Corgan sagt viele Jahre später über diesen Deal mit dem Teufel: „Wir wollten die Band groß machen. Es klappte, die Band würde größer als wir uns das jemals erträumt hätten. Du fütterst die Maschine, doch irgendwann ernährt sich die Maschine von dir.“

Was bleibt, sind Alternative-Klassiker wie Rhinoceros oder Tristessa. Und ein frühes Exempel für Butch Vigs Talent hinter den Reglern. Wenige Monate später würde das ebenfalls von ihm produzierte Nevermind erscheinen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte von Erfolg und Scheitern.

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