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Popkultur

40 Jahre „Monarchie und Alltag“: Fehlfarben-Gründungsmitglied Thomas Schwebel im Interview

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Thomas Schwebel, 2. von links, mit der Band Fehlfarben. Foto: Ar/gee gleim

„Das sind Geschichten

In Büchern gelesen

Geschichten aus dem täglichen Sterben

Geschichten, die mir keiner glaubt

Das sind Geschichten

Und sie sind geklaut“

(aus: Das sind Geschichten, auf: Monarchie und Alltag, 1980)

Im Oktober 1980 veröffentlichte die Band Fehlfarben ihr Debütalbum Monarchie und Alltag und schuf damit einen Meilenstein, der die deutschsprachige Rockmusik nicht nur prägte, sondern im Grunde völlig umkrempelte. Monarchie und Alltag bewegte sich weit weg von dem, was im deutschsprachigen Rock bislang möglich gewesen war – und beeinflusste so ziemlich jede deutschsprachige Rockband abseits des Mainstreams. Von vielen wird es als das wichtigste deutschsprachige Album überhaupt angesehen.

Hier könnt ihr euch das Album anhören

 40 Jahre Monarchie und Alltag

Auch 40 Jahre nach seiner Veröffentlichung klingt Monarchie und Alltag, das in den Kölner EMI-Studios aufgenommen wurde, erstaunlich frisch und zeitgemäß. Das liegt zu einem guten Teil an der schnörkellosen, zeitlosen und präzisen Sprache – und an den prägnanten Texten die längst, wie es Gründungsmitglied Thomas Schwebel im Interview nennt, ein Zitateschatz geworden sind. „Es liegt ein Grauschleier über der Stadt / Den meine Mutter noch nicht weggewaschen hat“ lautet eine dieser immer wieder zitierten Zeilen. Oder: „Was ich haben will, das krieg’ ich nicht / Und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht“ – aus dem Song Paul ist tot.

Zum 40. Geburtstag von Monarchie und Alltag baten wir Thomas Schwebel zum Gespräch. Schwebel war Gründungsmitglied, Gitarrist, Komponist und, gemeinsam mit Sänger Peter Hein, auch Texter der Band. Nach Heins Ausstieg übernahm er Anfang der 1980er-Jahre auch den Posten als Sänger. 2006 verließ Schwebel, der neben seiner Tätigkeit als Musiker auch erfolgreich als Drehbuchautor arbeitet, die Band. Geht es nach ihm, könnte man ihn aber im Rahmen des Jubiläums wieder für ein paar Konzerte wieder mit seinen ehemaligen Kollegen auf der Bühne sehen.

von Markus Brandstetter

Vor 40 Jahren haben Sie mit Monarchie und Alltag eines der wichtigsten deutschsprachigen Alben aller Zeiten veröffentlicht. Viele bezeichnen es sogar als das wichtigste. War Ihnen damals schon klar, dass Sie etwas Nachhaltiges geschaffen haben?

Nein, natürlich nicht. Damit hat keiner gerechnet. Ich glaube unser damaliger Mitproduzent und A&R von der Plattenfirma hat schon gemerkt, dass da mehr drinsteckt als wir dachten. Wir haben das überhaupt nicht gemerkt. Wir dachten, wir werden vielleicht mehr Platten verkaufen als Hans-A-Plast, die damals die größten Fische im Teich waren. Das war unsere Hoffnung. Aber an mehr hätten wir nie im Leben gedacht. Dass wir 40 Jahre später Interviews geben und dass sich das Ding 40 Jahre kontinuierlich verkauft und diesen Status erreicht hat: Das war absolut unvorstellbar.

Wie haben Sie die Rezeption des Albums damals erlebt?

Wir waren damals schon sehr überrascht. Die Rezeption war von Anfang an sehr enthusiastisch. Da waren schon einige Texte dabei, bei denen man schon tief durchatmen musste. Trotzdem: Obwohl positive Kritiken damals sehr viel wichtiger waren als heute, hatten wir trotzdem nicht das Gefühl, dass wir jetzt die Größten wären. Da waren schon einige Sachen dabei, die erstaunlich waren – aus verschiedenen Richtungen. Es gab die alten Journalistenheinis, die wir schon kannten und die sowieso schon vorher gut über uns geschrieben haben – die aus der Szene, in der das alles entstand. Die waren enthusiastisch, aber das hat uns nicht besonders überrascht. Wir hatten auf dieser Platte den Aufkleber „Empfohlen von Stereoplay”. Der Aufkleber wurde bei Nachpressungen mit auf das Cover gedruckt, das ging unglaublich schnell. Stereoplay war damals ein Magazin für HiFi-Freaks, die sich teure Soundanlagen kauften. Da wurden Platten von Dire Straits und dergleichen besprochen – eben Alben, die ein wahnsinniges akustisches Erlebnis darstellten. Das war kurz, bevor das mit der CD anfing. Aus dieser Ecke kriegten wir eine megaenthusiastische Kritik. Das war eine völlig andere Welt als die, die wir kannten. Ich glaube, das hat viele Leute aus einer konservativeren Musik neugierig gemacht, sich mal anzuhören, was das eigentlich ist. Das hat, glaube ich, viel dazu beigetragen, dass wir aus dem Ghetto unserer kleinen Szene rauskamen. Wir waren die erste Band aus dieser ursprünglichen NDW-Szene, die es geschafft hatte, bei so einer großen Firma so viele Platten zu verkaufen. Das war glaube ich ein Grund, dass wir diese Szenen ein bisschen überwunden haben – und dass es nicht nur bei den alten Fans blieb, sondern auch viele neue Fans in anderen Bereichen angesprochen hat.

Gab es Ihrer damaligen Meinung nach auch Missverständnisse in der Wahrnehmung?

Am Anfang gab es ja eine große Diskussion, dass wir überhaupt bei einer großen Plattenfirma unterschrieben hatten. Das war damals nicht besonders beliebt. Da fing das mit den Independents gerade an, mit eigenen Firmen – und wir sind zu einer riesigen Firma, der EMI gegangen, wo auch Queen, Pink Floyd und die Beatles waren. Das war in der Szene sehr umstritten. Es wurde uns vorgeworfen, dass wir uns an die große Industrie verkauft hätten. Für ein wahnsinniges Geld hätten wir unsere Seele verkauft. Das war völliger Quatsch. Erstens haben wir überhaupt kein „großes Geld“ bekommen, am Anfang eigentlich noch gar keines. Wir haben unsere Seele auch nicht verkauft, wir konnten uns einfach nur ein besseres Studio zum Aufnehmen leisten. Und sonst … Wenn manche Leute sagen, Monarchie und Alltag wäre eine Punk-Platte, das gibt es ja immer noch, dann denkt man sich natürlich: Okay, habt ihr euch die jemals angehört? Mit Punkrock hat das wenig zu tun. Aber sonst: Wir wurden nicht schlimm katalogisiert.

Können Sie uns ein wenig vom Schaffensprozess erzählen? Sie haben das Album in den Kölner EMI-Studios aufgenommen.

Wir haben im Frühjahr 1980 vier Stücke als Demos für die Plattenfirma gemacht. Schon in dem großen Studio. Unter anderem, was wirklich genial war: Paul ist tot. Die Techniker bei der EMI damals waren ja selbst hervorragend ausgebildete Musiker, die hatten das studiert, zum Teil in den Abbey Road Studios in London. Der Techniker, den wir damals hatten, war total froh, dass er mal neben Schlager- und Big-Band- Geschichten auch mal eine Rockband hatte. Der war so begeistert von seinem spontanen Mix von Paul ist Tot, dass danach nie mehr jemand an dem Mix rumgefummelt hat. Der Sound von diesem Stück, das ja auch eines der besten Stücke der Platte ist, das hat uns so geflasht: Wir haben das an einem Nachmittag aufgenommen, am Abend dann gemischt. Das ging ratzfatz. Der Tontechniker war so begeistert von seiner eigenen Arbeit, von uns und von dem Ergebnis, dass er gesagt hat: „Da gehen wir nie wieder ran. Egal, was passiert, ob Ihr ‘ne Platte macht oder nicht – das Stück bleibt so, wie es ist. Das kriegen wir nie wieder besser hin!“ Nach zwei Monaten haben wir dann den Rest der Platte gemacht. Das war schon überwältigend in so einem großen Studio zu sein, in dem große Acts aufgenommen haben. Die EMI-Studios in Köln waren schon besonders. Ich weiß, dass die Rolling Stones da mal im Studio waren, die wurden dann von der Kantinenköchin mit Kochlöffeln dirigiert. Die Fußballnationalmannschaft war da, Howard Carpendale, die Dexys Midnight Runners waren mal am Tag nach uns da. Das war ein großer Betrieb mit einem breiten Spektrum an Musikern. Und alles traf sich in der Kantine. Das war eine tolle Zeit. Kein kleines Independent-Studio hätte uns das bieten können. Die hatten auch wirklich alle Instrumente dort. Wir kamen dahin und dort stand ein Flügel, überall lagen Instrumente herum. Deswegen ist auf dieser Platte relativ viel Zeug drauf, das wir sonst nicht hatten. Klavier, auf einem Stück Schalmeien: Wir haben Sachen benutzt, die wir da eben gefunden haben. Es war alles sehr überwältigend, aber auch sehr inspirierend.

Die Verstärker und Gitarren waren auch von dort?

Das waren die eigenen, so etwas stand da nicht rum. Man kann anhand der Bänder rekonstruieren, in welcher Reihenfolge die Stücke aufgenommen wurden. Ich weiß, dass die Stücke, die wir ganz am Anfang der Studiozeit aufgenommen haben, in der Regel nicht ganz so gut klingen wie jene, die wir am Ende machten. Im Grunde genommen hätten wir am Ende nochmal anfangen müssen und die ersten drei, vier Stücke nochmal neu aufnehmen sollen. Dann wären die auch besser geworden. Man hört an den Stücken: Je länger wir im Studio waren, desto besser wurden wir vom Sound her und vom Spielen her – und desto befreiter und lockerer war das alles. Alles in allem war das eine großartige Zeit.

Was waren denn die ersten Stücke, die Sie aufgenommen haben?

Zum Beispiel fanden wir ja Ein Jahr (Es Geht Voran) nicht so toll. Wir hatten immer das Ziel, ein Disco/Funk-Stück zu machen, aber wir fanden es in der Version zu schlapp. Das war das erste, das wir aufgenommen haben, am ersten Studiotag unserer richtig großen Session. Das Stück hat live immer mehr Biss gehabt: Wenn wir das zehn Tage später nochmal aufgenommen hätten, am Ende der Studiozeit, dann hätte das auch nochmal anders geklungen. Ob es besser gewesen wäre, kann ich auch nicht sagen: Es ist ja ein Hit geworden, insofern kann man darüber nicht streiten. Aber man hört es schon. Wir waren ganz jung und neu, waren noch nie in so einer Umgebung. Dass wir da am Anfang eingeschüchtert waren, ist völlig klar.

Weil Sie eben den Song Ein Jahr (Es Geht Voran) angesprochen haben: Das wurde ja zwei Jahre nach der Albumveröffentlichung gegen den Willen der Band als Single veröffentlicht – und wurde dann zu einem kommerziellen Erfolg.

Als die Single veröffentlicht wurde, sah die Band schon ganz anders aus, da waren einige bereits ausgestiegen. Ich selbst fand das nicht so schlimm, es ist schon legitim, dass das ausgekoppelt wurde. Ursprünglich hatten wir, weil wir von der Version nicht begeistert waren, schon den Gedanken, das Stück gar nicht mit auf die Platte zu nehmen. Da meinte der A&R von EMI aber: „Doch auf jeden Fall, das ist ein Hit“. Er hat das früh erkannt. Da waren wir nicht so angetan. Aber dass es dann später als Single kam, fand ich damals nicht so daneben. Das war ja auch ganz gut, als es in den Charts war: Da hat man nochmal ein anderes Publikum erreicht. Das hätten wir mit einem anderen Stück vielleicht nicht geschafft.

Nicht nur die Texte, auch die Musik auf Monarchie und Alltag ist sehr präzise. Besonders prägend für die Platte war Ihr Gitarrensound. Was waren zu dieser Zeit Ihre Einflüsse – musikalisch wie auch textlich?

Die Einflüsse waren wahnsinnig vielfältig. Es gab in der Post-Punk-Zeit viele Gitarrenhelden, die ganz anders waren als die der 1960er-Jahre. Da gab es Andy Gill von Gang of Four, der ein super Vorbild war. Bernard Summer von Joy Division, Keith Levene von Public Image Ltd. – auch Robert Smith war ein großer Einfluss. Es sind ja auch Sounds auf der Platte, die The Cure ähnlich sind. Und dann war da Nile Rodgers von Chic, das war meine persönliche Vorliebe, nicht die vom Rest der Band. Die wusste teilweise gar nicht, wer Nile Rodgers war. Das sind die Einflüsse bei den Gitarren gewesen. Es gibt auf der Platte kein einziges richtiges Gitarrensolo, nur Rhythmus. Das war zu dieser Zeit auch sehr angesagt.

40 Jahre „Closer“: Diese Bands würde es ohne Joy Division nicht geben

Fehlfarben haben etwas in die deutschsprachige Musik gebracht, das von vielen vermisst wurde und das es so nicht gab. Was würden Sie sagen war das genau – und wo wollten Sie textlich hin?

Peter Hein und mir – wir haben ja beide die Texte geschrieben – war schon in den Bands, in denen wir vorher waren, klar: Wir müssen auf Deutsch singen, damit wir verstanden werden. Weil das künstlich ist, wenn man als Deutscher auf Englisch textet. Wir wollten gleichzeitig aber auch nicht wie Udo Lindenberg klingen, der damals der einzige war, der deutschsprachige Rockmusik gemacht hat. Davon wollten wir uns schon abgrenzen, weil es bei ihm eine komische Kunstsprache war. Das hätte man auch gar nicht imitieren können. Es sollte kurz und knapp sein, ohne zu dieser Zeit modischen Straßenslang und ganz simpel von unserer Umgebung erzählen. Ich glaube, das ist uns auch gelungen, sonst hätten sich nicht so viele Leute mit den Texten identifizieren können. Es tauchen ja viele Zeilen aus den Songs immer wieder auf, sind fast schon Sprichwörter geworden: „Es liegt ein Grauschleier über der Stadt“, „Was ich haben will, das krieg’ ich nicht“ – das ist mittlerweile schon ein Zitateschatz. Das war eben möglich, weil wir so simpel, klar und eindeutig wie möglich über uns schreiben wollen. Keine Kunstwelten. Lindenberg hatte ja immer Kunstfiguren, Rudi Ratlos zum Beispiel: Das war uns völlig fremd, sowas wollten wir überhaupt nicht machen. Auch ausgehend von den englischen Bands, die unsere Vorbilder waren.

Ist diese textliche Reduktion und Präzision auch der Grund, warum das Album so gut gealtert ist?

Ich glaube schon. Wenn man eine ganz normale Sprache spricht, die nicht in der Zeit verwurzelt ist, hat man bessere Chancen. Klar, bei Udo Lindenberg klingt manches nach 1970er-Jahre-Jugendsprache, mit Worten, die heute kein Mensch verwendet. Bei Hip-Hop passiert das auch bereits: Es kommen Worte vor, die man heutzutage gar nicht mehr kennt oder die man vielleicht als peinlich empfindet. Unsere Abgrenzung davon war schon schlau: Dadurch ist nicht eindeutig erkennbar, dass es sich um 1980 handelt. Die Texte hätten auch 2007 geschrieben werden können. Der Sound der Platte ist eindeutig 1980, der Klang, die Gitarren, die Produktion, das hört man einfach. Aber in den Texten eben nicht – und da bin ich stolz drauf, dass das auf allen Fehlfarben-Platten, auch auf den späteren, so gelungen ist.

Peter Hein meinte mal, die Reputation von Monarchie und Alltag sei eine Bürde gewesen, eben weil man immer wieder daran gemessen wurde. War das für Sie ähnlich?

 Ja, das ist schon so. Das überschattet alles andere. Als Band, als Musiker, als Autor denkt man sich ja, dass die anderen Platten genauso gut sind und dass man auch mal über die sprechen sollte. Das wird meiner Meinung nach zu wenig getan. Es wirkt manchmal so, als hätten wir nur Monarchie und Alltag gemacht – und der Rest wäre nicht wirklich bemerkenswert. Wir haben aber einige Alben rausgebracht, die auf ihre Art nicht viel schlechter sind. Die beiden Alben, die direkt nach Monarchie und Alltag kamen – 33 Tage in Ketten und Glut und Asche – sind beides tolle Platten, die immer mehr ihre Anhänger finden. Ich würde mich freuen, wenn die Band mehr noch als Band wahrgenommen würde, die 30, 40 Jahre lang gute Platten gemacht hat  und nicht nur als die Band von Monarchie und Alltag. Die Zuschauer in den Konzerten bestätigen das einem immer wieder: Dass sie Stücke von anderen Platten genauso erwarten. „Mühlstein“ hat Peter das damals genannt, glaube ich: Ein Mühlstein um den Hals.

Da wäre dieses Jubiläum gleich ein guter Anlass, auch in die weitere Diskografie einzutauchen, sofern man das bislang nicht hinreichend getan hat.

Ja und das wäre mein Wunsch, auch an die Firma. 2021 feiert das zweite Album auch sein 40-jähriges Jubiläum. Es gibt mittlerweile immer mehr Leute, die schreiben, dass es nicht viel schlechter ist als Monarchie und Alltag. Sie war damals sogar erfolgreicher als Monarchie und Alltag. Es wäre toll, wenn das passieren würde – mal sehen, ob das klappt.

Gibt es ein Album, das sie zu Unrecht als besonders vernachlässigt sehen?

Das dritte Album ist mein persönlicher Favorit. Weil wir da nur noch eine ganz kleine Band waren – und mit wahnsinnig viel Aufwand und Genauigkeit lange daran gearbeitet haben. Musikalisch ist das, glaube ich, die beste Platte. Die kam damals raus, als sich die Neue Deutsche Welle erledigt hatte und von einem Tag auf den anderen völlig in sich zusammenbrach und plötzlich alle Flops hatten. Auch wesentlich erfolgreiche Bands als wir verkauften plötzlich keine Platten mehr. Unsere Platte ist im Vergleich sogar noch ganz gut angenommen, aber nicht so gut, wie wir uns das erhofft hatten. Die kam ein bisschen zum falschen Zeitpunkt. Die erschien 1983, da dauert es noch ein bisschen zum Jubiläum.

Bedeuten Ihnen solche Jubiläen eigentlich etwas?

Nicht so wahnsinnig viel, aber wenn es dazu dient, dass Leute sich wieder etwas anhören, was unter den Tisch gefallen ist, fände ich das gut. Ich persönlich sitze aber nicht vor dem Kalender und denke mir: „Wow, vor 40 Jahren ist Monarchie und Alltag rausgekommen“. Da ist das relativ wurscht, da die Platte ohnehin ihren Status hat. Ich hoffe es für andere Platten, dass so ein Jubiläum zu einer Neubewertung geführt.

Blicken Sie manchmal auf ihr eigenes Werk zurück – oder ist das für Sie gegessen?

Das ist gegessen. Man kann stolz drauf sein und man muss dankbar sein für den großen Erfolg. Das ist etwas, was nicht viele Leute schaffen. Ich bin darüber sehr glücklich und es berührt mich immer zutiefst, wenn mich Leute aus völlig anderen Zusammenhängen darauf ansprechen, wie sehr sie Fehlfarben mochten und wie viel es ihnen bedeutet hat. Das ist Wahnsinn, wer hat sowas schon? Dagegen tritt alles andere zurück und man kann einfach sagen: „Tolle Sachen haben wir offensichtlich gemacht. Da können wir stolz drauf sein und sind es auch“.

Sie sind 2006 aus der Band ausgestiegen, waren gute zehn Jahre später für einige Jubiläumsshows aber wieder mit dabei. Gibt es diesbezüglich wieder solche Pläne – auch wenn das mit dem Livespielen dank der Covid-19-Pandemie ja vielleicht noch eine Weile auf Eis liegt?

Es gab diesbezüglich Pläne, es hätte dieses Jahr Konzerte gegeben. Mal sehen: Ich glaube schon, dass dieser Coronadreck diesbezüglich zu einer Neubewertung führt. Wenn es klappen würde, anlässlich des verspäteten Jubiläums auf die Bühne zu gehen – was ja hoffentlich nächstes Jahr der Fall sein könnte – dann hätte ich tierischen Bock, da wieder mit dabei zu sein. Ich war 2017 bei der Jubiläumstour dabei und das hat schon mordsmäßig Spaß gemacht. Corona hat uns auch gezeigt, wie fragil das alles ist und wie schnell das alles vorbei sein kann, was wir immer für selbstverständlich genommen haben: Dass man auf Konzerte gehen kann. Das ganze Leben ist durch Konzerte bestimmt. Ich kann mich an meine ganze Jugend anhand von Konzerten erinnern. Das so eine Welt von einem Tag auf anderen völlig weg ist und man nicht weiß, wenn es wiederkommt: Das war schon ein Schock. Wenn man irgendwann mal wieder auf die Bühne kann, möchte ich mir das nicht entgehen lassen!

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