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Popkultur

45 Jahre Studio 54: Die Brutstätte des Hedonismus

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STUDIO 54
Foto: Central Press/Getty Images

Vier Tonnen Glitter, trinkende Affen, abwaschbare Wände und eine nackte Grace Jones: Das Studio 54 in New York City ist der Inbegriff des skandalösen Nachtclubs, eine wehmütige Erinnerung an alte, einfachere Zeiten. Am 26. April 1977 eröffnet der exzessivste Nachtclub der Welt – und sorgt auch 45 Jahre später noch für ungläubiges Staunen.

von Björn Springorum

Im Grunde, so sind sich Zeitzeugen einig, gab es nur einen Nachtclub. Studio 54 an der New Yorker West Side, untergebracht in einem alten Theater und TV-Studio, aus dem CBS lange Johnny Carsons Tonight Show gesendet hatte. Steve Rubell und Ian Schrager machen aus dem desolaten Gebäude eine Disco, verbauen die beste Soundanlage der Welt. Und schreiben mit der Eröffnung am 26. April 1977 nicht nur im Big Apple Geschichte.

Die härteste Tür der Welt

Es scheint, als habe das verrückte, das queere, das reiche, das exzentrische, das berühmte New York nur auf einen solchen Laden gewartet. Schon zur Eröffnung kommen Frank Sinatra, Cher, ein weitgehend unbekannter Immobilienhai namens Donald Trump. Viele müssen draußen bleiben. Selbst A-Promis wie Warren Beatty.

Das Studio 54 ist das Siebziger-Vorbild des Berliner Berghain: Strenge Tür, legendärer Ruf, ausschweifende Partys. Die Band Chic scheitert an Türsteher Marc Benecke, schreibt den Welthit Le Freak und darf plötzlich doch Party machen. Alle wollen rein, alle wollen mitmachen, wollen versinken in den vier Tonnen Glitter, die man mal an Silvester ausstreut. Auf der Bar sitzen kleine, Bier trinkende Affen, Tauben fliegen in die Scheinwerfer und plumpsen verkohlt wieder herunter, man kokst einträchtig, man man Sex. Gay, straight, dazwischen, daneben, egal: Das Studio 54 ist der Geburtsort des Hedonismus, eine Disco außerhalb des Raum-/Zeitkontinuums, ein egalitärer Ort vor AIDS und atomarer Aufrüstung.

Sylvester Stallone ordert den letzten Drink

Im Februar 1980 ist die goldene Ära des Clubs schon wieder vorbei. Drogenhandel, Steuerbetrug, viele Neider bringen Rubell und Schrager in den Knast. Die letzte Party heißt „Das Ende des modernen Gomorrha“. Diana Ross und Liza Minelli singen um die Wette, Sylvester Stallone bestellt den allerletzten Drink. Sagt man. Was danach unter dem Namen Studio 54 wiedereröffnet, ist nicht mehr der Club, in dem Andy Warhol, Salvador Dali, Elton John und Michael Jackson abhingen.

Mick Jagger entdeckt Disco

Es ist vorbei, ehe es so richtig angefangen hat. Und dennoch bis heute ein Hort haarsträubender Geschichten, eine Trouvaille der Popkultur. Mick Jagger entdeckt hier seine Disco-Affinität – sehr zum Leidwesen von Keitch Richards, der mitansehen muss, wie Jagger viele dieser musikalischen Einflüsse bei den Stones unterbringen will. Auch seine Exfrau Bianca Jagger ist gern im Studio 54, setzt sich zu ihrem Geburtstag im Mai 1977 sogar auf ein Pferd, das zu ihren Ehren auf die Tanzfläche geführt wird. Muss man nicht verstehen. Aber in einem Laden, in dem die Barkeeper auf Wunsch Windeln tragen und in dem ein Mensch beim Versuch stirbt, sich durch die Lüftungsschächte Zutritt zu verschaffen, gelten wohl andere Regeln.

Bis heute ein Vorbild

Auch für Dolly Parton macht man gern eine Ausnahme. Im Mai 1978 bauen sie für die Country-Queen eine rustikale Farm in den Club – mit Heuballen, Pferden, Eseln und Hühnerstall. Parton missfällt die Sache allerdings gewaltig. Sie findet die vielen Menschen irritierend und verbringt den Abend auf dem Balkon.

Den meisten anderen gefällt es. Songs wie YMCA erobern vom Studio die Welt, was hier läuft, wird unter Garantie bald überall laufen. Vor allem ist das Studio 54 bis heute ein Vorbild für sexuelle Gleichberechtigung, für wahrhafte Liberalität. Man musste eben nur am Türsteher vorbeikommen.

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Zeitsprung: Am 18.1.1980 hat eine große Klappe Konsequenzen für das „Studio 54“.

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