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Popkultur

Zum 80. Geburtstag von Bob Dylan: Sein Leben in 11 Songs

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Bob Dylan
Foto: Fiona Adams/Redferns/Getty Images

Die Stimme Amerikas feiert runden Geburtstag: Zum 80. von Bob Dylan widmen wir uns elf essentiellen Songs, die den Stein für ihn so richtig ins Rollen gebracht haben.

von Björn Springorum

Der größte Songpoet des 21. Jahrhunderts feiert seinen 80. Geburtstag. Hinter Bob Dylan liegen 60 Jahre des musikalischen Widerstands. Widerstand gegen die Norm, die Politik, die Rollen, in die man ihn zwängen wollte. Von seinen Anfängen als Folk-Barde über den Eklat der Elektrifizierung bis hin zu seinen düsteren Meisterstücken der Neunziger hat Dylan ein Gesamtwerk erschaffen, das in seiner Vielfalt und Üppigkeit unübertroffen ist und sogar vom Nobelpreis für Literatur gekrönt wurde. Seine Lieder haben die USA vermessen, haben neue Standards gesetzt und alte abgeschafft. Bob Dylan hat der Musik bis heute ein zeitloses Koordinatensystem geschenkt – eine Musik, die auf ewig modern klingen wird und dennoch das Echo der Vergangenheit heraufbeschwört.

Natürlich ist man deswegen von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn man Bob Dylans Werk auf elf Songs eindampfen will. Genauso gut könnte man aus Hemingways Gesamtausgabe wahllos zehn Seiten herauslösen. Dennoch soll der Versuch gewagt werden, uns diesem Hemingway der Musik mittels elf sorgsam verlesener Stücke anzunähern und Blowin‘ In The Wind diesmal einfach wegzulassen. Mehr als daran scheitern können wir ja auch nicht.

1. Tangled Up In Blue (von Blood On The Tracks, 1975)

Vordergründig mag der Opener von Blood On The Tracks von seiner bröckelnden Ehe handeln; wer genau hinhört, erkennt auch eine bittere Abrechnung mit der Illusion der Sechziger in den Zeilen. Der Hippie-Traum ist Mitte der Siebziger endgültig im Rauch des verlorenen Vietnamkriegs aufgegangen, die Utopie hat eine Bruchlandung hingelegt – und das eben zufällig parallel zu seiner Ehe. „Für diese Nummer musste ich zehn Jahre leben und zwei Jahre komponieren“, sagte Dylan oft. Hat sich natürlich gelohnt: Die schmerzhafte Nostalgie, das Aufarbeiten einer ganz eigenen Architektur des Scheiterns, eingefasst in einem Trost spendenden Folk-Song und die furiosen Minneapolis-Musiker, mit denen er Blood On The Tracks eingespielt hat.

2. I Shall Be Released (von Bob Dylan’s Greatest Hits Vol. II, 1971)

Nach seinen evokativen, literarischen, weitläufigen Geniestreichen der Sechziger ist es Dylan eher nach simpleren, einfacheren Botschaften. Er findet sie im Gospel, von dem er sich bei I Shall Be Released stark beeinflussen lässt. Nasal und voller Herzblut singt er sich in die Rolle eines Gefangenen, der sich nach dem Duft der Freiheit sehnt, perfektioniert von der Mundharmonika und seinem Zusammenspiel mit Greenwich-Legende Happy Traum. Deutlich weniger Text als zuvor, aber dafür deutlich aufgeladener, mit jedem Buchstaben genau da, wo er hingehört. Mit anderen Worten: Poesie. Pure Poesie.

3. Visions Of Johanna (von Blonde On Blonde, 1966)

Was wir im obigen Text mit evokativ, literarisch und weitläufig meinten, manifestiert sich in Visions Of Johanna vom Jahrhundertalbum Blonde On Blonde: Fünf lange Verse erzählen eine komplette Kurzgeschichte voller Sehnsucht, erotischer Fantasien und den Verlockungen und Abgründen New Yorks. In einem einzigen rauschhaften Take in Nashville aufgenommen, tritt in den Zeilen der ganze Bob Dylan hervor: der romantische Flüsterer, der manische Knurrhahn, der entfesselte Troubadour, der arme Poet. Lob muss hier aber auch an seinen Gitarristen Robbie Robertson gehen, der sein Instrument unvergessen zum Heulen bringt.

4. Ballad Of A Thin Man (von Highway 61 Revisited, 1965)

1965 wendet sich Bob Dylan gegen alles, was ihn berühmt, reich und begehrt gemacht hat. Er kehrt dem Folk-Song den Rücken zu und will seine Karriere unter dem verzerrten Lärm der Verstärker begraben, die das Publikum beim Newport Folk Festival im Sommer 1965 an den Rand der Tollwut bringen. Nur einen Monat später veröffentlicht er Highway 61 Revisited. Die Ausnahmeerscheinung darauf ist Ballad Of A Thin Man: Dylan hämmert auf das Piano ein, Al Cooper bedient die Horrorfilm-Orgel, der Text trieft vor Verachtung. „Because something is happening here but you don’t know what it is“, singt Dylan all jenen Kritiker*innen ins Gesicht, die ihn nicht aus seinem engen Folk-Korsett ausbrechen lassen wollten. Eine düstere, morbide, furiose Nummer.

5. Masters Of War (von The Freewheelin’ Bob Dylan, 1963)

Natürlich kann man verstehen, weswegen niemand so recht wollte, dass Dylan die Protestschublade schließt: Seine Songs waren einfach zu gut! Einer der besten von ihnen ist Masters Of War, diese mantraeske Anklage gegen Waffengewalt, Kriegstreiber und Kollateralschäden. Inspiriert von der Melodie des Folk-Songs Nottamun Town und bewusst monoton gehalten, entströmt dem Song eine gruselige Dringlichkeit, der man sich fast 60 Jahre später nicht entziehen kann. Direkter als hier klagte Dylan nie an: „And I hope that you die – And your death will come soon – I’ll follow your casket – By the pale afternoon.“ Puh.

6. Man In The Long Black Coat (von Oh Mercy, 1989)

Und am Anfang zirpen die Grillen: Man In The Long Black Coat ist einer dieser Songs, die man immer wieder hören kann – und das mitten in Dylans vielleicht schwierigster Periode. Die elegische Stimmung, die verhallenden Gitarren, das Hintergrundzirpen, die sonore Stimme von Dylan transferieren in die schwüle amerikanische Weite kurz vor einem Gewitter. Ein Americana-Manifest im klassischsten Sinne, eine Erzählung von einer Frau, die ihren Mann für die Teufel verlässt. Das hätte Nick Cave auch nicht besser hinbekommen!

7. Subterranean Homesick Blues (von Bringing It All Back Home, 1965)

Wie viele „beste Songs aller Zeiten“ hat dieser Dylan eigentlich geschrieben? Egal, hier ist ein weiterer. Inspiriert, wie so oft, von der Beat-Poesie eines Jack Kerouac, macht Subterranean Homesick Blues die Größe, die Klasse, die Kreativität und die Strahlkraft von Bob Dylan Mitte der Sechziger deutlich. Nicht nur hat der Song ein absolut hinreißendes Video, er fegt mit seiner Wucht, seiner Chuzpe und seiner fiebrigen, nicht nachlassenden Energie bis heute alles weg. Selbst John Lennon ereilte nach dem erstmaligen Hören dieses Blues-Rock-Naturereignisses die schmerzhafte Erkenntnis, dass er wohl nie einen besseren Song schreiben würde. Was für ein Erdrutsch!

8. A Hard Rain’s A-Gonna Fall (von The Freewheelin’ Bob Dylan, 1963)

Legen wir uns mal fest: Niemand hat je einen besseren Protestsong geschrieben als A Hard Rain’s A-Gonna Fall, ein Epos von sieben Minuten, das mit eindringlichen und expliziten sprachlichen Bildern vor der nahenden Apokalypse warnt. Die nukleare Bedrohung bringt Dylan 1963 dazu, alles, was ihm auf der Seele brennt, in einen Song zu packen – er geht nicht davon aus, genug Zeit zu haben, alles in einzelnen Stücke zu verarbeiten. Ein Gedicht in Liedform, eine Vorbereitung auf das Ende aller Dinge, ein Song, größer als die Kunstform selbst.

9. All Along The Watchtower (von John Wesley Harding, 1967)

Die definitive Version stammt von Jimi Hendrix, das mag schon sein. Das Knochenmark dieses Meilensteins ruht jedoch in Dylans Original. Veröffentlicht 1967 auf dem Folk-Comeback John Wesley Harding, ist All Along The Watchtower die ernste Reflexion eines absurden Theaters: Ein Narr, der Angst hat, ausgeraubt zu werden, und ein Dieb, der alles nur für einen Witz hält – Dylan erschafft das unvergleichlichste Duo der Musikgeschichte und schenkt ihnen eine Ballade, die trotz ihrer gerade mal zweieinhalb Minuten Länge das Zeug zum Opus hat.

10. Blind Willie McTell (von The Bootleg Series Volumes 1–3 (Rare & Unreleased) 1961–1991)

Diese Nummer wird wahrscheinlich in den wenigsten Top-10-Listen rund um Großmeister Dylan auftauchen – und doch ist Blind Willie McTell ein bewegendes, melancholisches, fast schon sakrales Stück Folk-Musik: eine Southern-Gothic-Ballade über den legendären Blues-Künstler, die unglaubliche acht Jahre auf ihre Veröffentlichung warten musste. Hier begegnet uns der Dylan der Achtziger, der all seine Trademarks der Sechziger wieder hervorholt und sie 20 Jahre gealtert interpretiert. Düster, gedankenverloren, groß – und fast schon ein Tribut an Desolation Row.

11. Like A Rolling Stone (von Highway 61 Revisited, 1965)

Ein Lied wie die Iden des März: zornig, zynisch, fiebrig, voller Spott für die feine Gesellschaft, die Trendsetter und die Politik. Alle, einfach alle bekommen ihr Fett weg. Im Feuer von Like A Rolling Stone wird 1965 der neue Bob Dylan geschmiedet, der Ikonoklast, mit dem fortan zu rechnen sein wird. Ein unfassbares Lied, ein unfassbarer Text, eine unfassbare Vortragsweise, für Generationen von Musiker*innen zugleich Vorbild und größter Schrecken. Wie kann man nur so gut sein? Wie?

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„Wie können Sie mich das überhaupt fragen“? Schwierige Interviewpartner von den Sex Pistols bis Bob Dylan

Popkultur

„Wicked Game“ von HIM: Wie eine Coverversion den Finnen alle Türen öffnete

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„Wicked Game“ von HIM HEADER

Mit ihrer Coverversion des Chris-Isaak-Hits Wicked Game legten HIM so ziemlich alle Grundsteine für ihre einzigartige Erfolgsgeschichte. Im Folgenden lest ihr, welchen Stellenwert der Song in der HIM-Historie einnimmt und warum die Finnen das Stück mindestens viermal in unterschiedlichen Versionen aufgenommen haben.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Greatest Lovesongs Vol. 666 von HIM anhören:

Es ist der Song, der HIM ins Rampenlicht befördert. Schon für ihre Demo This Is Only The Beginning nehmen Ville Valo und seine Bandkollegen eine Coverversion des Chris-Isaak-Klassikers Wicked Game auf und schinden damit jede Menge Eindruck — zum Beispiel bei BMG-Mitarbeiter Asko Kallonen, der die Newcomer sofort unter Vertrag nimmt. Am 19. Oktober 1996 veröffentlichen HIM ihre erste EP und geben der Welt damit einen Vorgeschmack auf eine der letzten großen Karrieren der Rock’n’Roll-Geschichte. 666 Ways To Love: Prologue heißt das gute Stück und die junge Band arbeitet für die Veröffentlichung mit Produzent Hiili Hiilesmaa zusammen, der laut Ville Valo maßgeblich an der Entwicklung des typischen HIM-Sounds beteiligt ist. Auch Wicked Game ist auf der EP zu hören — doch es handelt sich noch lange nicht um die letzte Version des Songs.

Wicked Game: ein melancholischer Love-Song mit großer Bedeutung für HIM

Im Sommer 1997 starten HIM mit der Produktion ihres Debütalbums Greatest Lovesongs Vol. 666. Einmal mehr spielen sie dafür Wicked Game ein, und zwar in der Version, die am 28. September 1998 als Single erscheint und die für viele Rock-Fans der erste Berührungspunkt mit HIM sein dürfte. Wüsste man nicht, dass es sich um eine Komposition von Chris Isaak handelt: Das Stück könnte auch ein Ville-Valo-Eigengewächs sein. Melancholie, Fatalismus, Liebe: Wicked Game enthält alle Trademarks des Finnen, weshalb HIM die Nummer auch bloß nachspielen müssen, um sie sich zu eigen zu machen. Damit heben sie sich von vielen anderen Bands und Musiker*innen ab, denn nur wenige Stücke werden so oft gecovert wie Wicked Game. Das britische Lifestyle-Magazin Dazed bezeichnet den Hit sogar mal als „möglicherweise einflussreichsten Love-Song in der modernen Musik“.

Auf die Idee für das Stück kommt Chris Isaak laut eigener Aussage nach einem Telefonat. So möchte eine Frau damals ein spontanes Treffen mit dem Musiker arrangieren, doch der hat gemischte Gefühle. In einem Interview verrät er: „Ich habe den Song zwischen dem Telefonat und dem Besuch geschrieben. Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn man sich stark zu einer Person hingezogen fühlt, die nicht unbedingt gut für einen ist. Ich glaube, dass ich damit einen Nerv getroffen habe, denn viele von uns fühlen sich stark zu anderen Menschen hingezogen, die uns nicht unbedingt gut tun.“ Genau jene Hin- und Hergerissenheit zwischen Liebe und Düsternis ist es, die den Eindruck erweckt, es handele sich um einen Song aus der Feder von HIM-Frontmann Ville Valo. Manchmal passt es einfach.

Wicked Game: Der Song, mit dem HIM ihren Sound fanden

Noch heute hat Wicked Game seinen festen Platz in der HIM-Geschichte. „Das war einer der ersten Songs, die wir als Band zusammen gespielt haben, und er hat uns sehr dabei geholfen, unseren Sound zu finden“, erklärt HIM-Sänger Ville Valo Jahrzehnte später in einem Interview. „Das fällt in der Regel leichter, wenn man die Songs von jemand anderem spielt. Man muss nicht über den Text nachdenken oder so. Man kennt das Lied sowieso auswendig und das macht es einfacher.“ Ihr typischer Sound ist es auch, der HIM ab Ende der Neunziger in die Rock-Champions-League katapultiert. Schon mit ihrem zweiten Langspieler Razorblade Romance (1999) gelingt ihnen der große Durchbruch. Und wieder ist auf dem Album eine neue HIM-Aufnahme von Wicked Game zu finden. Die Jungs mögen den Song echt.

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Popkultur

Zeitsprung: Am 28.9.1988 spielt Zakk Wylde zum ersten Mal auf einem Ozzy-Album.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 28.9.1988.

von Christof Leim

Auf Ozzy Osbournes fünftem Soloalbum No Rest For The Wicked gibt der junge Zakk Wylde 1988 seinen Einstand. Vorher kannte ihn niemand, heute gilt er als einer der besten Rockgitarristen der Welt. Wie endet ein 20-jähriger Flitzefinger aus New Jersey in der Band eines legendären englischen Sängers? Und was hat Kim Wilde damit zu tun?


Hört hier in No Rest For The Wicked rein:

Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.

1987 braucht Ozzy Osbourne mal wieder einen neuen Gitarristen. Nach dem Unfalltod seines Gitarristen Randy Rhoads 1982 und dem Ausscheiden von Jake E. Lee nach der 1986er-Tour muss der ehemalige Black Sabbath-Sänger, damals 38 Jahre alt, einen fähigen Saitenkünstler für seine erfolgreiche Soloband finden. Zakk Wylde ist da erst 20 Jahre alt, spielt den ganzen Tag Gitarre und hat eine Band namens Zyris. Er gibt Unterricht und arbeitet an einer Tankstelle. Eine Platte hat er bisher noch nicht aufgenommen, er wohnt sogar noch zu Hause bei Mama und Papa, die ihn Jeffrey Wielandt nennen. Zu diesem Zeitpunkt sieht man sogar sein Kinn noch, was sich 2018 niemand mehr vorstellen kann. Wie endet ein 20-jähriger Shredder in einer der erfolgreichsten Rockbands der Welt? Mit viel Glück, dem richtigen Kontakt und viel, viel üben.

Damals hört Jeff Wielandt alias Zakk Wylde in der Radioshow von Howard Stern davon, dass Ozzy einen neuen Gitarristen sucht, doch er weiß nicht, wie er sich seinem großen Helden vorstellen kann. Ein paar Wochen später bietet ihm ein Bekannter namens Dave Feld an, ein Demotape an den Fotografen Mark Weiss weiterzugeben, der bereits mit Ozzy gearbeitet hatte. Natürlich könne er nichts versprechen, erklärt Feld, aber das reicht dem Gitarristen schon. Mit zwei Kassettenrekordern nimmt er ein Demo auf. Darauf spielt er neben ein paar eigenen Riffs, Soli und klassisch inspirierter Akustikgitarre die Leads der Ozzy-Klassiker Mr. Crowley und Flying High Again. Und tatsächlich löst Feld sein Versprechen ein und gibt das Demo weiter, das schlussendlich bei Team Ozzy landet.



So klingelt eines Tages das Telefon im Haus der Familie Wielandt in New Jersey: „Ich war damals noch gar nicht ausgezogen. Zuerst habe ich gedacht, einer meiner bescheuerten Freunde hätte sich einen Spaß erlaubt“, erzählt Zakk heute. „Aber dann ist mir die Zeitverzögerung aufgefallen, die früher bei Transatlantikgesprächen immer aufgetreten ist.“ Am anderen Ende meldet sich Sharon Osbourne, Ozzys Frau und Managerin. „Sie hat mir gesagt, dass sie mich für eine Audition mit der Band einfliegen würden. Ich konnte es echt nicht glauben. Aber kurz darauf kamen per Post die Tickets. Ich weiß noch, wie mich meine Eltern zum Flughafen gefahren haben, Barbaranne war auch dabei. Ich hatte meinen Koffer und meine Gitarre in den Händen, und ab ging es nach Los Angeles. Mein erstes Mal an der Westküste.“ (Mit jener Barbaranne ist Zakk heute verheiratet, die beiden haben vier Kinder: Hayley Rae, Hendrix, Jesse und Sabbath Page. Und ja, die heißen wirklich so.)

Aus über 400 Kandidaten wurde unser Mann zusammen mit einigen anderen ausgewählt. Die Finalisten steigen im Hyatt Hotel auf dem Sunset Boulevard ab: „Ich habe mitbekommen, dass manche sich nur für das Geld oder Prestige interessiert haben“, kommentiert Zakk seine Mitbewerber. „Sie waren nicht mal Black Sabbath- oder Ozzy-Fans, für sie war das einfach nur ein Job. Ich habe das ganz anders empfunden: Wenn man sein Leben lang auf Manchester United steht und plötzlich für das Team spielen darf – das ist eine heilige Sache.“ In einem Probestudio findet schließlich die Audition, das Vorspiel, statt. Dazu hat die hat die ganze Band ihr Equipment aufgebaut: Randy Castillo am Schlagzeug, Phil Soussan am Bass, John Sinclair an den Keyboards. Auch Ozzy höchstselbst ist am Start: „Der hat auf einem Sofa gesessen. Mir ging natürlich sofort durch den Kopf: ‚Oh, mein Gott! Ozzy!‘ Er hat mich freundlich begrüßt – und gefragt, ob wir uns schon mal getroffen haben. Bitte was? Wohl kaum, es sei denn, er hat mich und meine Kumpels zufällig bemerkt, wie wir auf der Bark At The Moon-Tour im Publikum ausgeflippt sind. Später stellte sich raus, dass ihm mein Foto aufgefallen ist. Sein Kommentar damals: ‚Der Junge muss echt auf Randy Rhoads stehen.‘ Das lag vor allem an meinen blonden Haaren. Ich hatte die gleiche Frisur wie Randy.“

Action und fette Riffs: Ozzy Osbourne und Zakk Wylde live in Chicago 1989. Credit: Paul Natkin/Getty Images

Nun liegt die Annahme nahe, dass sich ein 20-Jähriger angesichts dieser einmaligen Chance in Gegenwart seines Helden zu gut Deutsch ein wenig ins Beinkleid macht. Doch Zakk bleibt cool: „Ozzy hat dafür gesorgt, dass ich mich wohlfühle, Randy und Phil ebenso. Sie haben mich gefragt, welche Songs ich spielen will, und dann haben wir I Don’t Know, Bark At The Moon und Suicide Solution gejammt. Das war definitiv ziemlich cool und eigentlich stressfrei.“ Der junge Klampfenheld kommt in die engere Auswahl zusammen mit einem Gitarristen namens Jimi Bell, der schon mit Joan Jett gespielt hatte – und wird schließlich ausgewählt. Jeff Wielandt aus New Jersey ist der neue Gitarrist von Ozzy Osbourne. Jackpot!



Probleme damit, sein altes Leben einfach hinter sich zu lassen, gibt es keine: „Mich hat nichts zurückgehalten, kein Haus, keine eigene Wohnung, nichts.“ Auch seine Eltern haben keine Einwände und empfehlen ihm: „Tue, was dich glücklich macht!“ Schon bald wird die ganze Mannschaft nach England verschifft, um auf einer Farm in der Nähe von Brighton das neue Album zu schreiben. Der nächstgelegene Pub ist fußläufig zu erreichen, was Ozzy bei Bedarf ein „Flüssigfrühstück“ ermöglicht und abends zum Feierabendpils einlädt. Von dort geht es nach Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico, Phil Soussan darf aber nicht mit und wird durch Bob Daisley ersetzt, den Bassisten von Ozzys ersten drei Soloalben. Hier muss unser Mann natürlich abliefern – und Riffs schreiben, die Millionen Fans in aller Welt hören werden. Bange macht ihn das nicht: „Randy Rhoads stand ja vor der gleichen Situation, als er von den unbekannten Quiet Riot kam. Aber so darf man da nicht rangehen: Wenn man für Manchester United als Nachfolger von George Best spielen soll, dann darf man nicht gucken, ob das alles gut genug ist. Man muss sein Ding durchziehen. Das ist wie bei einem Archäologen, der nach Knochen gräbt. Wenn man ungefähr weiß, wo die sich befinden, dann gräbt man eben so lange, bis man sie gefunden hat. Und wenn man mal nichts findet, dann geht man nach Hause und gräbt am nächsten Tag weiter – bis man zufrieden ist. Wenn man zu viel darüber nachdenkt, wird alles nur schlimmer.“

Meistens jammen Zakk und Randy, bis Ozzy etwas gefällt. Mit seinen neuen Kollegen kommt er dabei generell gut klar. „Leute wollen oft wissen, ob ich diese ganzen Riffs schon vorher in petto hatte. Nein, ich habe die alle vor Ort geschrieben. Ozzy hat gefragt, ob es Ideen gibt, und ich habe losgelegt. Das allererste Riff war Miracle Man. Ich hatte gerade mit Foxey Lady von Jimi Hendrix rumgefummelt und das Ding einfach schneller gespielt. Der Fingersatz ist der gleiche.“ Schnell stellt sich heraus, dass die neuen Ozzy-Nummern fetter und heavier klingen als die letzten Werke Bark At The Moon (1983) und The Ultimate Sin (1986).



Aufnehmen soll das Ganze Roy Thomas Baker, der legendäre Queen-Produzent, doch das funktioniert überhaupt nicht. Ozzy zeigt sich unzufrieden, und als der Neuling auch noch fragt, ob er alle seine Gitarren bitte neu einspielen könne, gibt es Streit. Zur Rettung wird Keith Olsen engagiert, der Fleetwood Mac und den Millionenseller Whitesnake (auch bekannt als 1987) produziert hatte. Jetzt klickt es. „Keith war super!“, versichert Zakk.


No Rest For The Wicked erscheint am 28. September 1988 und macht Zakk auf einen Schlag in der Rockszene bekannt. In den ersten sechs Monaten verkauft sich die Scheibe eine Million Mal. Glücklicherweise hat er sich da schon einen neuen Namen zugelegt, wie er in der Zeitschrift Guitar World erzählt: „Zu Hause in New Jersey habe ich meinen Nachnamen immer Wylant geschrieben, weil keiner Wielandt vernünftig buchstabieren konnte. Barbaranne hat dann irgendwann erzählt, dass sie den Namen Zack für ein Kind gut fände. Den habe ich dann selber benutzt. Von Zack Wylant hielt Ozzy aber nichts. Als wir dann eines Abends einen gezischt haben, lief ein Song von Kim Wilde, dieser britischen Popsängerin. Also habe ich einfach Zakk Wylde vorgeschlagen. Ozzy fand es super. Und wenn man sich unsere frühen Fotos anguckt, habe ich sogar ihren Look geklaut!“



Als erste Single wird Miracle Man veröffentlicht, ein beißender Kommentar in Richtung des TV-Predigers Jimmy Swaggart, der vom hohen religiösen Ross herunter lange Jahre Osbourne als moralisch unerträglich kritisiert, aber dann selbst mit Prostituierten erwischt wird. Im Clip steht die Band in einer alten Kirche, in der Dutzende kleine Schweinchen herumlaufen. Das bringt die Botschaft zwar rüber, geht aber mit einer unerwarteten Sauerei einher: Als zum ersten Mal die Musik angeht, erschrecken sich die Ferkel – und „entleeren“ sich alle und zur gleichen Zeit.



Kurz nach seinem Einstieg hatte Zakk am 28. Juli 1987 seine erste Show als Sidekick von Ozzy Osbourne gespielt – in einem britischen Gefängnis. Auf große Arena-Tour geht es mit der Platte im Gepäck Ende 1988, Vorgruppe sind Anthrax. Dafür hat es einen erneuten Wechsel am Bass gegeben: Daisley ist raus, Geezer Butler ist drin.



Damit spielt der gerade mal 21-jährige Blondschopf mit der halben Besetzung von Black Sabbath zusammen. Doch dem fällt es nicht schwer, sich in eine Gruppe aus mittelalten Rocklegenden einzufügen: „Sie haben sich alle um mich gekümmert.“ Allerdings feiern Ozzy und Geezer zu diesen Zeiten noch ziemlich hart. Das färbt ab: „Wir hatten alle definitiv unseren Spaß. Ich habe trotzdem ständig geübt und immer noch genau das gemacht, was ich am liebsten tue. Das handhabt vielleicht jeder anders. Wir sind rausgegangen und haben einen gezischt, aber am nächsten Tag ging es wieder an die Arbeit.“ Heute lacht der mittlerweile abstinent lebende Gitarrist: „Der betrunkene, der verkaterte und der halbverkaterte Geezer sind allesamt großartige Geezer, und ich liebe jeden einzelnen davon.“



Als die Tour schließlich im August 1989 vor 100.000 Zuschauer beim Moscow Music Peace Festival endet, hat Zakk Wylde sich in der Band von Ozzy und der Welt der Rockgitarre etabliert. Der Sänger selbst scheint die Konzertreise nicht gänzlich unbeschadet überstanden zu haben, denn kurz darauf versucht er im Wahn, seine Frau Sharon umzubringen, aber das ist eine andere Geschichte (die hier steht).

Und wie sieht Zakk No Rest For The Wicked heute? „Ich bin stolz darauf, keine Frage. Wenn ich mir die Platte anhöre, den Sound und die Songs, dann muss ich sagen: Das hat funktioniert. Ich war erst 19 oder 20, als ich die Riffs geschrieben habe. Natürlich konnte ich dabei richtig viel lernen, denn vorher hatte ich noch nie ein Album aufgenommen. Und ich würde heute alles so lassen.“

Zakk Wylde heute: Meistergitarrist, Zottelbartträger und immer noch Ozzy-Fan. Credit: Chascar


Headerbild Credit: Paul Natkin/Getty Images

Zeitsprung: Am 28.9.1988 spielt Zakk Wylde zum ersten Mal auf einem Ozzy-Album.

 

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Popkultur

Home is where your bunte M&Ms is: Die verrücktesten Backstage-Wünsche

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Backstage Header
Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Für ihre sogenannten „Hospitality Rider“ fallen Musikstars die verrücktesten Anforderungen ein. Ob bunte M&Ms, Haartrockner oder Würgeschlangen: Hinter der Bühne scheint einfach alles möglich zu sein. Die 15 verrücktesten und unterhaltsamsten Backstage-Wünsche haben wir für euch zusammengestellt.

von Timon Menge

Vorweg sei gesagt: Um kaum etwas Ranken sich so viele Mythen und Gerüchte wie um die Backstage-Wünsche der großen Rock- und Pop-Sternchen. Die folgende Liste sollte also keinesfalls zu ernst genommen werden. Allzu abwegig klingt vieles davon allerdings nicht …

15. Die Beatles und Elvis: bescheidene Rockstars

Beginnen wir mit den Pflegeleichtesten in unserer Liste. Laut New York Post verlangten die Beatles in ihren Backstage-Räumen bloß einen Schwarzweißfernseher und einige Flaschen Coca-Cola. Ganz schön genügsam für die größte Band aller Zeiten. Elvis wünschte sich hinter der Bühne angeblich nichts weiter als zehn Softdrinks und vier Gläser Wasser.

14. Slipknot futtern aus der Dose

Slipknot unterstreichen mit ihrem Hospitality Rider auf sympathische Art und Weise ihre proletarische Herkunft und legen Wert auf Dinge wie Dosenravioli, Kaubonbons, Feuchttücher und Socken aus der Dose. Ob die Lebensmittel und die Socken etwas miteinander zu tun haben, ist nicht überliefert.

13. Eminem liebt Taco Bell

In den USA zählt Taco Bell zu den berühmtesten Fast-Food-Ketten überhaupt. Jenseits der Landesgrenzen ist das mexikanisch beeinflusste Schnellrestaurant allerdings kaum anzutreffen. Genau deshalb steht in den Backstage-Anforderungen von Rapper Eminem explizit: „A selection of Taco Bell (Mexican-themed fast food) — imported from America“.

12. Die Beach Boys verlangen weiches Toilettenpapier

Wenn es um die Auswahl des richtigen Klopapiers geht, hatten die Beach Boys genaue Vorstellungen. „VERY SOFT“ sollte sich das Abputzen anfühlen. Außerdem legten die Musiker Wert auf Recycling-Mülleimer im Essensbereich. „Die Beach Boys und der Planet danken euch“, war an entsprechender Stelle im Hospitality Rider der Band zu lesen.

11. DJ Shadow gräbt gern nach Vinyl

Hip-Hop-Legende DJ Shadow verlangt bei jedem Konzert nach einer Liste aller lokalen Plattenläden, um in seiner Freizeit nach neuen LPs stöbern zu können. Wenn er in der Stadt ist, lohnt es sich also, die umliegenden Anlaufstellen für das schwarze Gold im Blick zu behalten. Vielleicht lauft ihr ihm ja über den Weg.

10. Lady Gaga mag keinen Stinkekäse

Nachvollziehbar: Lady Gaga möchte nicht, dass es in ihrem Backstage-Bereich nach Käsetheke im Sommer riecht. Folglich steht in ihrem Hospitality Rider, dass beim Catering unterschiedliche Käsesorten zur Verfügung stehen sollen, aber nur wenn sie „non-smelly“ und „non-sweaty“ sind.

9. Van Halen und die braunen M&Ms

Diese Geschichte haben wir fast alle schon einmal gehört, doch man kann sie unmöglich auslassen: Als Van Halen 1982 durch die USA touren, bestellen sie für ihren Backstage-Bereich unter anderem eine Schüssel M&Ms. Doch Vorsicht: „Absolutely no brown ones!“, heißt es im Rider der Band. Andernfalls droht der ersatzlose Konzertabbruch.

8. Adele mag keinen Bio-Honig

Während viele Pop-Stars hinter der Bühne Wert auf Bio-Lebensmittel legen, verlangt Adele in ihrem Rider explizit „non-organic honey“, also Nicht-Bio-Honig. Welche Beweggründe sie dafür hat, bleibt wohl ihr Geheimnis. Außerdem sagt man, dass sie keine Tomaten auf ihren Sandwiches mag.

7. James Brown hat die Haare schön

Soul-Legende James Brown hatte nicht nur eine beeindruckende Stimme, sondern auch stets schicke Haare. Damit das auch so blieb, verlangte der Sänger in seinem Backstage-Bereich nach einer Trockenhaube, wie man sie aus Friseursalons kennt. Außerdem auf seiner Liste: Champagner, ein Bügeleisen und ein Golfauto.

6. Amy Winehouse empfängt nur „große Jungs“

Zu den Hospitality-Anforderungen von Soul-Queen Amy Winehouse gehörten die unterschiedlichsten Dinge, von Whiskey über Pizza bis hin zu Camel Lights. Besonders lustig mutet aber ein Schild an, dass die Sängerin bei jeder ihrer Shows an der Tür ihres Zimmers anbringen ließ: „Only big boys can enter“, also „Zutritt nur für große Jungs“.

5. Rihanna hat es gern gemütlich

Rihanna legt in ihren Backstage-Räumlichkeiten Wert auf Duftkerzen. Aber nicht auf irgendwelche Duftkerzen, sondern die Sorte „Archipelago Black Forest“ muss es sein. Außerdem verlangt sie vor Auftritten nach einem Teppich mit Tierfellmuster, der unbedingt sauber sein muss, weil sie barfuß darüber läuft.

4. Kanye West steht auf Slushy-Cocktails

Rapper Kanye West scheint eine Vorliebe für Cocktails zu haben, vor allem für gefrorene. So lässt er sich für eine Tour eine Slushy-Maschine hinter die Bühne stellen, die zwei verschiedene Sorten enthält: Grey Goose (Wodka) mit Limo sowie Hennessy (Cognac) mit Coca-Cola. Prost!

3. Nikki Sixx wünscht sich eine Würgeschlange

Dass die Rider-Wünsche von Nikki Sixx wirklich ernst gemeint sind, kann man kaum glauben. Aber erfahrungsgemäß ist es ja so: verrückt, verrückter, Mötley Crüe. So verlangt der Bassist der Glam-Metaller zeitweise, dass er im Backstage-Bereich eine mindestens 4,5 Meter lange Boa Constrictor vorfindet. Warum auch immer.

2. Iggy Pop erwartet „sieben Zwerge“

Noch verrückter wird es in den Backstage-Anforderungen von Iggy Pop. „Pizza für die Obdachlosen“ liest sich fast noch harmlos, doch die Punk-Legende fordert auch „sieben Zwerge“ sowie Brokkoli, der bereits kleingeschnitten ist — damit man ihn besser entsorgen kann.

1. Madonna nimmt ihr ganzes Wohnzimmer mit

Madonna denkt das Wohlbefinden hinter der Bühne etwas größer und lässt bei jedem ihrer Konzerte ihr komplettes Wohnzimmer auf- und abbauen. Das klingt im ersten Moment  großspurig. Wenn man sich in die Lage einer vielreisenden Künstlerin hineinversetzt, die fast nie zuhause ist, irgendwie aber auch nicht.

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