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Popkultur

„Desert Rose“: Die Entstehungsgeschichte von Stings eklektischer Hitsingle

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Mayumi Nashida

Unter den vielen, vielen Hits, die Sting in den letzten vier Jahrzehnten geschrieben und aufgenommen hat, zählt sein Song Desert Rose (2000) zu den sinnlichsten und faszinierendsten: Der internationale Erfolg der Single bescherte dem dazugehörigen Album Brand New Day Platinerfolge in etlichen Ländern, und der kaum greifbare und dabei so grandios betörend wirkende Stilmix wurde von Fans und Kritikern immer wieder gefeiert – wobei es Sting gar nicht gefiel, dass in diesem Kontext auch der Begriff „World Music“ fallen sollte.

von Tim Peacock

„Ich will mich den Schubladen entziehen, in die man gesteckt wird.“

„Ich würde eher sagen, dass mein Ziel ist, mich den Kategorisierungen und Schubladen, in die man von den Leuten gesteckt wird, zu entziehen“, sagte Sting im Jahr 1999 in einem Interview. „Mein Name steht nicht für World Music oder für Reggae. Ich mache einfach nur das, was ich mache. Aber es stimmt natürlich schon, dass Desert Rose diesen arabischen, nordafrikanischen Einschlag hat.“

Das exotische Arrangement entstand, als Sting und seine Band gerade ein paar Ideen durchgingen und schließlich bei jener arabisch klingenden Melodie landeten, die Desert Rose für Sting zu einem „Song über ein Verlangen“ machten. „Es geht um eine Idee aus dem Sufismus: Die romantische Liebe als Gegenstück zur großen Liebe zu Gott.“

Mitverantwortlich für das Nordafrika-Feeling von Desert Rose war dabei auch ein Gast aus der Region: Cheb Mami, einer der bedeutendsten Vertreter des Raï, einer aus Algerien stammenden Volks- bzw. Popmusik, die wie der Blues schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist. Nachdem der Raï traditionell gerade bei jüngeren Leuten in der Region Anklang gefunden hatte, die ihre Religion modernisieren und die Werte des Islam auf eine neue Basis stellen wollten, avancierte der Sound in den späten Achtzigern auch zu einem internationalen Phänomen.

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„Die Musik löste in uns beiden genau dasselbe Gefühl aus.“

Sting wiederum hatte die Musik von Cheb Mami während jener Phase für sich entdeckt, die unmittelbar vor den Aufnahmen von Brand New Day lag. Nachdem er Mami live in der Pariser Bercy Arena erlebt hatte, wo der Algerier mit Orchesterbegleitung sowie mit Unterstützung des legendären Prog-Rock-Gitarristen Steve Hillage aufgetreten war, wollte der Brite unbedingt mit ihm ins Studio: Sting konnte einfach nicht genug kriegen von „dieser Stimme, die so unglaublich hypnotisierend wirkt.“

Auf den Vorschlag, doch einfach ein wenig auf Arabisch zu improvisieren, lieferte Cheb Mami den perfekten Kontrapunkt zu derjenigen Gesangsmelodie, die Sting aufgenommen hatte. Alle Anwesenden waren regelrecht sprachlos, so umwerfend war seine Performance. „Das Unglaubliche daran ist ja, dass er kein Wort von meinem Part verstanden hatte“, so Sting. „Doch sein improvisierter Text war trotzdem nahezu identisch mit meinem; auch seine Zeilen handelten von verlorener Liebe, von diesem Verlangen. Das zeigt letztlich, wie die Musik in uns beiden genau dasselbe Gefühl ausgelöst hat. Ganz egal, ob man nun Araber ist oder Europäer oder Japaner oder Afrikaner: Die Musik ist eine Sprache, die man überall versteht.“

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Ein echtes Ausnahmephänomen

Zwar erschien die Single erst vier Monate nach der Veröffentlichung des dazugehörigen Brand New Day-Albums – genau genommen im nächsten Jahrtausend: am 17. Januar 2000 –, doch mischte Desert Rose nicht nur in den britischen Charts die Topregion auf, sondern entpuppte sich auch in anderen Ländern als Top-10-Hit (u.a. in Deutschland, Italien, Frankreich). Auch in den Shows zum Brand New Day-Album war der Song ein zentraler Baustein, den Victor Calderone postwendend auch auf den Techno-Dancefloor überführen sollte. Dabei beweist auch die Electronica-Variante auf Stings aktuellem My Songs-Album, dass sich diese Desert Rose sehr gut in andere Regionen verpflanzen lässt.

In den Vereinigten Staaten avancierte Desert Rose zu einem echten Ausnahmephänomen: Kein Wunder, wo Sting den Song beim Superbowl 2001 einem Millionenpublikum präsentieren konnte. Und auch das in der Mojave-Wüste gedrehte Video, in dem der Brite von einer maskierten Chauffeurin in einem Jaguar S-Type durch die Gegend kutschiert wird, kam dermaßen gut an, dass der Automobilhersteller den Clip schließlich in seinen eigenen Werbespots benutzte.

Der einzigartige Stilmix und die Tatsache, dass Desert Rose zu ganz unterschiedlichen Stimmungen und Anlässen passt, machte den Song letztlich zu dem, was das Billboard Magazine prophezeit hatte – zu einem echten „Royal Flush“ nämlich. Es sei Sting „ein weiteres Mal gelungen, seine Vision weiterzudenken“ und nach wie vor „als Stimme der Vernunft und Raffiniertheit“ zu überzeugen. Letztlich also genau das, was angestammte Fans seit eh und je an Sting lieben.

Das Album My Songs ist bereits erschienen und hier erhältlich.

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