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Popkultur

Depeche Mode, Nirvana, Metallica: Die 10 besten Musikvideos von Anton Corbijn

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Anton Corbijn
Foto: Carlos Alvarez/Getty Images

Der 1955 in den Niederlanden geborene Anton Corbijn ist einer der berühmtesten Fotografen der Musikgeschichte. Seine Fotos zierten die Musikmagazine der 80er und historische Plattencover, seine Ästhetik formte das Image von Künstlern wie Nick Cave, U2 oder Joy Division.

von Michael Döringer

Mit dem Biopic Control über Leben und Tod des Ian Curtis verewigte sich Corbijn 2007 auch im Kino. Und er drehte Musikvideos – viele Musikvideos, von denen viele seine typische Handschrift tragen. Wir haben die besten seiner ganzen Karriere herausgesucht.

 1. Palais Schaumburg – Hockey (1983)

In den späten 1970ern machte sich Corbijn einen Namen als Musikfotograf und war unter anderem gefragter Mitarbeiter bei NME und The Face. Aufgrund seiner Fotografien fragte ihn die Avantgarde-NDW-Band Palais Schaumburg für ein Video an – der Clip zu Hockey wurde sein erster Job. Den kunstgeschulten Dada-Style der Gruppe fing Corbijn stilvoll ein und nahm das Thema „Hockey“ wortwörtlich. Dieses Debüt führte sofort zu weiteren Videoaufträgen für Propaganda, David Sylvian und Echo & The Bunnymen.

2. Joy Division – Atmosphere (1988)

Joy Division waren längst Geschichte, als Corbijn dieses legendäre Video zu Atmosphere drehte, das im Jahr 1988 als Teil der Compilation Substance neu erschien – einer Singles-Sammlung, auf der sich auch frühe Songs und Raritäten befanden. Es ist typisch für Corbijns frühen Stil, den er zuvor auch schon mit Depeche Mode ausführlich erprobt hatte: grobkörnige Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die den Sound der Achtziger zwischen Tristesse und romantischem Glamour wunderbar abbilden. Das Video zu Atmosphere widmet sich dem Gedenken an Joy-Division-Sänger Ian Curtis, die surreale Szenerie hebt die Stimmung ins Überweltliche.

3. Depeche Mode – World In My Eyes (1990)

Mit Depeche Mode pflegt Anton Corbijn eine so enge und langjährige künstlerische Beziehung wie sonst nur mit U2. 1986 drehte er zu A Question Of Time das erste Video mit den Synthpop-Stars und über 20 weitere sollten folgen. Also ist es schwer, sich für das beste zu entscheiden, auch weil viele einem ähnlichen Muster folgen. Da ist der Klassiker Enjoy The Silence. Oder die Reihe an Videos zum Album Music For The Masses, die mit ihren Schwarz-Weiß-Aufnahmen der einzelnen Mitglieder stark zum Image von DM beitrugen. Oder dann der – in Farbe gedrehte – Clip zu Personal Jesus: Corbijn machte aus den Pop-Lieblingen aller Gruftis eine Bande Cowboys wie die Daltons. In I Feel You inszenierte er sie, passend zum Sound, als Rockband. Wir haben uns für World In My Eyes vom Album Violator entschieden. Es hat nicht nur eine fantastische Arthouse/Film-Noir-Ästhetik, sondern fängt die Live-Performance der Band ein. Corbijn sollte in der Folge noch ganze DM-Konzertfilme filmen, Devotional (1993) wurde sogar für einen Grammy nominiert.

4. Danzig – Killer Wolf (1990)

Glenn Danzig hat schon böse in die Kamera geguckt, bevor Rap-Videos überhaupt erfunden wurden. Anton Corbijns Können in allen Ehren, aber mal ernsthaft: Wenn man den jungen, grimmig die Arme verschränkenden Sänger in Schwarz-Weiß filmen kann, dann ist das schon die halbe Miete für ein gutes Video. Killer Wolf zelebriert die Rockband als Rebellen, als einsame Wölfe in der Wildnis. Vorsicht, die beißen. Und ganz nebenbei: Eine der besten Gesangsleistungen des „Elvis From Hell“. Hätte er sein Coveralbum doch nur schon viel früher aufgenommen.

5. U2 – One (1992)

Auf der Tour zu ihrem zweiten Album October (1981) lernten U2 Anton Corbijn kennen, der von da an den visuellen Aspekt ihrer Musik prägen sollte – ob mit Fotoshootings – auch für LP-Cover wie The Joshua Tree oder Achtung Baby – oder Musikvideos. Wie bei Depeche Mode kann man ihn als Art Director von U2 bezeichnen. Dieser Zusammenarbeit setzte er 2005 mit der Buchveröffentlichung U2&I ein eigenes Denkmal. Das Video zu One, einem der besten Songs der Iren überhaupt, ist eine kuriose Geschichte, denn es gibt drei verschiedene Versionen. Das ursprüngliche Video stammt von Corbijn, es wurde in den Berliner Hansa Studios gefilmt, wo man auch das zugehörige Album Achtung Baby aufnahm. Im Clip sieht man die Band in Frauenklamotten. Der Song war allerdings als Statement zur AIDS-Krise gedacht, man befürchtete deshalb, dass das Publikum hier eine ungewollte Verbindung knüpfen könnte. Das „Crossdressing“ war laut Bono rein auf gruppeninterne Dinge bezogen, und sollte dem AIDS-Thema auf keinen Fall eine sexuelle Bedeutung geben. Also drehte man ein neues Video.

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6. Nirvana – Heart-Shaped Box (1993)

Das kontroverse Video zu Heart-Shaped Box wurde damals mit zwei MTV-Awards ausgezeichnet und gilt längst als Klassiker. Nirvana wollten eigentlich, dass Kevin Kerslake das Video dreht, wie schon mehrere zuvor für die Band. Doch es kam nicht zustande und Corbijn übernahm. Zuerst zögerlich, denn Cobain hatte schon ein sehr detailliertes Treatment zum Video verfasst, und Corbijn setzte gewöhnlich seine eigenen Ideen um. Doch er fand Cobains Vision so gut, dass er zusagte. All der Symbolismus macht Heart-Shaped Box zu einem von Corbijns anspruchsvollsten Videos.

7. Red Hot Chili Peppers – My Friends (1995)

Auch für die erfolgreichsten Künstler*innen läuft nicht immer alles wie geschmiert, je nach Perspektive. Anthony Kiedis war jedenfalls nicht zufrieden mit dem Video, das Corbijn zum RHCP-Song My Friends gedreht hatte. Der Song war als Liebeserklärung an seine Bandkollegen gedacht. Corbijn setzte das Ganze wie gewohnt teilweise skurril in Szene und verwendete verrückte Requisiten und Verkleidungen. Das war dem Sänger wohl nicht ernsthaft genug und so forderte er ein neues Video an, in dem die Band im Studio performt. Welches besser ist, brauchen wir nicht zu betonen.

8. Metallica – Mama Said (1996)

Metallica in den 1990er-Jahren: Neuerfindung oder Sinnkrise? Fans streiten darüber, ob eine Ballade wie Mama Said von Load (1996) unterbewertet oder überflüssig ist. Es war jedenfalls eines der Videos, für das sie Anton Corbijn engagierten – er konnte, er traute sich, diese Rock-Titanen auch mal anders in Szene zu setzen, als sie ein weiteres Mal als schwitzende Schwermetallarbeiter zu portraitieren. James Hetfield als einsamer Cowboy mit der Westerngitarre, darauf muss man auch erst mal kommen. Experiment geglückt? Allein schon der Versuch ist Gold wert.

9. The Killers – All These Tings That I’ve Done (2005)

Auch nach vielen Jahren im Geschäft hat Corbijn nicht vor neuen Herausforderungen zurückgeschreckt und mit Künstlern wie Coldplay, At The Drive-In und sogar Herbert Grönemeyer (seinem Nachbar in London) gearbeitet. Auch für The Killers drehte er ein Video zu ihrem bombigen Debüt Hot Fuss. Schwarz-Weiß, Cowboy-Setting – Corbijns Vorlieben sind klar erkennbar und der Clip gilt als einer seiner persönlichen Favoriten. Brandon Flowers reitet darin auf einem Esel durch seine Heimat Las Vegas. Muss man wirklich nicht alles verstehen.

10. Arcade Fire – Reflektor (2013)

Eines seiner letzten Musikvideos produzierte der Niederländer zum Titelsong von Arcade Fires viertem Album Reflektor: ein weiteres Stück typischer Corbin-Gaga-Surrealismus, aber gewohnt mit Stil weit von jedem Trash entfernt. Das ist der schmale Grat, den er immer entlang gewandert ist. Er blieb bis zuletzt ein Regisseur, der eigene Ideen vollends umsetzen wollte, und dabei doch immer der Band und dem jeweiligen Song die Hauptbühne überließ. Das ist die große Kunst des Anton Corbijn.

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