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Popkultur

Die musikalische DNA von Iron Maiden

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Iron Maiden-Fan sein, das ist ein Vollzeitjob. Denn natürlich können alle ernsthaften Metalheads das ikonische Gitarrenlick von Run to the Hills mitquietschen, kennen die Number of the Beast aus dem Effeff und begrüßen Eddie wie einen alten Freund, wenn sie ihn sehen. Aber wer Iron Maiden-Fan ist, kann und muss noch viel mehr. Wer Iron Maiden-Fan ist, hat eine Meinung zu den verschiedenen Frontmännern und anderen Bandmitgliedern, kennt sich in der unüberschaubaren Diskografie der Band gut aus und könnte sich nebenbei noch in einem literaturwissenschaftlichen Seminar bestens behaupten – Iron Maiden-Lyrics bilden schließlich!


Hör hier in die musikalische DNA von Iron Maiden rein:

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Um Iron Maiden ranken sich viele Missverständnisse und das nicht nur bei besorgten Christengruppen in den USA oder anderswo. Als Pioniere der New Wave of British Heavy Metal wurden sie legendär, doch viele sahen die Zeit der Band wieder und wieder abgelaufen. Doch wenn Iron Maiden einen Zenit überschritten haben, suchen sie sich die nächste Herausforderung – seit über vier Jahrzehnten schon. Kaum eine Metal-Band war dermaßen ambitioniert und dennoch so konsequent. So geschwind das Besetzungskarussell sich auch drehte, die Band blieb sich und ihren Ideen treu.

Mit ihrer Musik haben Iron Maiden die ganz Großen beeinflusst. Thrash Metal? Ohne Iron Maiden nicht denkbar. Selbst Popstars lassen sich gerne mit Iron Maiden-Shirt ablichten – aus welchen Gründen auch immer. Doch noch interessanter ist die Frage, welche Einflüsse eigentlich den Sound von Iron Maiden geprägt haben. Fans wissen das vermutlich längst, allen anderen hilft ein Blick auf die musikalische DNA der Band.


1. KISS – She’s So European

Schon bevor Iron Maiden überhaupt den allerersten Ton auf Platte bannen konnten, löste sich die Band zeitweise auf. Aber von Anfang an: Steve Harris – bis heute das einzige verbliebene Gründungsmitglied bei Maiden – rief die Band ausgerechnet an Weihnachten im Jahr 1975 ins Leben. Inspiration für den Namen lieferte die Verfilmung von Alexandre Dumas’ Roman Der Mann mit der eisernen Maske, verspätete Schützenhilfe kam fünf Jahre später allerdings von Männern mit aufgeschminkten Masken: KISS tourten 1980 gemeinsam mit der jungen Band, die gerade ihr Debütalbum veröffentlicht hatte, durch Europa, um ihr Album Unmasked zu promoten.

Gene Simmons und seine Kollegen sollen sich überraschend umgänglich gegeben haben. Schon am Anfang der Tour hat der Demon Iron Maiden angeblich einen Besuch im Backstage abgestattet haben, um ihr Debüt zu loben. Ob er es denn sogar gehört hätte, fragte barsch Paul Di‘Anno, damals noch Sänger der Band. Simmons ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und ratterte der Legende nach die gesamte Trackliste der LP herunter, Stück für Stück! Nach der Tour trennten sich die Wege beider Bands jedoch und kreuzten sich nur selten. In einem Interview allerdings rügten KISS den vor ihnen sitzenden Journalisten, weil dieser ein Iron Maiden-Shirt trug. „Du bist bei uns Zuhause, zeig etwas Respekt!“, donnerten sie. Was natürlich nicht als Affront gegen die britischen Kollegen gemeint war – vor denen haben sie schließlich fast vier Jahrzehnte nach der gemeinsamen Tour Hochachtung.


2. Black Sabbath – Sabbath Bloody Sabbath

Die Metal-Szene kann ein eitler Haufen sein. Das mussten Iron Maiden auch auf die harte Tour lernen, als sie 2005 ihr letztes Konzert auf der Ozzfest-Tour spielten. Es hagelte Eier und Feuerzeuge auf die verdatterte Band. Wieso? Bruce Dickinson hatte etwas gegen den liebsten Zeitvertrieb von Ozzy Osbourne und seiner Familie zu sagen gewagt, Reality-TV… Naja. Jahre später sollte es sich aber noch einrenken: 2010 fanden sich unter anderem Tommy Iommi und Maiden-Drummer Nicko McBrain mit anderen Stars der Metal-Community zusammen, um den Song Out of My Mind aufzunehmen. Mit den Einnahmen aus dem Erlös sollte eine Musikschule im armenischen Gjumri zu sammeln, nachdem die Stadt 1988 von einem Erdbeben zerstört wurde.

„Ich bin ein Riesenfan von Black Sabbath. Sie waren ein großer Einfluss für uns, sie sind großartige Musiker“, sagte Maiden-Gitarrist Dave Murray außerdem 2013. Denn egal, was Ozzy und seine Familie der Band auch immer an diesem verhängnisvollen Tag im Jahr 2005 antaten: Dass er und seine Band als Metal-Pioniere für sie ungemein wichtig waren, steht außer Frage. Dickinson selbst hatte 1994 ihnen auf der Tribute-Compilation gemeinsam mit der Band Godspeed seinen Respekt mit einem Sabbath Bloody Sabbath-Cover erwiesen. Glasklarer Fall, schließlich gehörte nicht allein das legendäre Debüt der Band aus Birmingham zu den ersten LPs, die ihm den Weg in die Metal-Welt aufzeigten.


3. Deep Purple – Child In Time

Vor Black Sabbath aber waren Deep Purple die härteste Band der Welt. Noch bevor er sich Black Sabbath zulegte, lernte der Teenager Dickinson in seinem Internet in Northamptonshire den Sound von Ian Gillan – selbst im Laufe seiner langen Karriere kurzzeitig Black Sabbath-Mitglied – und seinen Kollegen kennen, als Child in Time aus dem Nebenzimmer dröhnte. „Als Kind habe ich meine ersten Erfahrungen mit Purple gemacht“, erinnerte er sich. „Damit bin ich aufgewachsen, das hat mich morgens in Sachen Rock’n‘Roll aus dem Bett geholt!“ Insbesondere der expressive Gesang von Gillan hatte es ihm natürlich angetan.

Dickinson ist nicht das einzige Maiden-Mitglied, das sich auf Purple beruft. Auch Steve Harris nannte die Band als ausschlaggebend für sein Songwriting und Gitarrist Janick Gers nennt den Stil von Ritchie Blackmore als vorbildlich für sein Spiel. Kein Wunder, hatte er doch selbst mit dessen Kollegen Gillan in der NWOBHM-Band White Spirit gespielt, bevor er in der Gruppe Gogmagog Sänger Paul Di‘Anno und den 2013 verstorbenen Clive Burr kennenlernte. So führte eins zum anderen – und um Deep Purple kein Weg vorbei!


4. UFO – Cherry

„Oh ja“, rief Steve Harris auf die vielen Stilwechsel seiner Band im Laufe der Zeit angesprochen aus. „Das ist der Einfluss von Yes, Genesis, Pink Floyd, Jethro Tull, all dieser Kram. Wir wollten deren Taktwechsel mit der Heaviness von Black Sabbath und Deep Purple mit einer Prise Led Zeppelin zusammenbringen.“ Ganz schön viele Namen und insbesondere der von Led Zeppelin überrascht in dieser Liste keineswegs. Fans kennen sicherlich Iron Maidens Coverversion vom ikonischen Led Zep-Stück Communication Breakdown! Und wer den Song je gehört hat, wird darin ganz klar die Vorlage für Harris’ galoppierendes Bassspiel ausmachen.

Gerüchteweise soll ein Musiker einen noch bleibenderen Eindruck bei Harris hinterlassen haben, der UFO-Bassist Pete Way. Angeblich soll er sein Spiel ganz nach dem des Idols ausgerichtet haben. Insbesondere der Song Cherry hat es ihm angetan. Way lachte in einem Interview, als er darauf angesprochen wurde. „Naja, Steve hat uns in Anfangszeiten oft zugeschaut“, schmunzelte er. „Er stand immer in der ersten Reihe. Er hat nette Dinge über mich gesagt und ich denke, dass ich schon behaupten darf, dass er sich von mir nicht allein die gestreiften Hosen abgeschaut hat…“ Also, bei allem Respekt vor John Paul Jones: UFO waren demnach dann doch etwas wichtiger für Iron Maiden…


5. Wishbone Ash – The King Will Come

Und an der Gitarrenfront? Keine Frage, die zuweilen drei Gitarristen von Iron Maiden haben sich viel von den Helden der Doppel-Gitarre abgeschaut: Wishbone Ash zum einen und des Weiteren Thin Lizzy. „Ich denke, wenn irgendjemand Iron Maidens Frühwerk verstehen will, vor allem die Gitarrenharmonien, hilft nur der Griff zu Wishbone Ashs Argus-Album“, sagte Harris in einem Interview. „Thin Lizzy waren auch wichtig, aber nicht so sehr.“

Okay, aber was sagen die Gitarristen der Band denn dazu? Harris ist zwar ein Hansdampf in allen Gassen, beschränkt sich aber zumeist auf den Viersaiter. In einem Interview über ihr Zusammenspiel erzählten Adrian Smith und Dave Murray davon, wie sie den Wishbone Ash-Sound weiterentwickelten. „Wir haben uns diesem Doppel-Gitarren-Ding angenommen und waren nach Wishbone Ash eine der ersten Bands, die das getan haben“, sagte Smith. „Wir ergänzen uns, es ist echtes Teamwork“, stimmte Murray zu. Wobei natürlich auch andere Gruppen schon ähnliche Stilmittel eingesetzt hatten, etwa die Allman Brothers Band.


6. Jimi Hendrix – Voodoo Chile (Slight Return)

Es ist bei Iron Maiden nicht immer leicht, herauszuhören, wer da gerade spielt. Murray, Smith und Gers aber haben eine jeweils sehr bestimmte Art, zu spielen. Murray beispielsweise ist für seine Legato-Technik bekannt, er zieht die Töne auch gerne mal genüsslich lang und lässt sie voll ausklingen. Anders als seine Kollegen, die lieber Vollgas geben! Seine Wurzeln hat dieser Stil natürlich im Blues, perfektioniert aber wurde er Ende der sechziger Jahre.

Von wem? Von keinem Geringeren als vom besten Gitarristen aller Zeiten natürlich! „Ich habe Jimi Hendrix legato spielen gehört, als ich ein Teenager war, und mochte es auf Anhieb“, erinnerte sich Murray. Als das erste Mal Voodoo Chile (Slight Return) im Radio ertönte, war er sofort gepackt. „Du weißt, du hörst da etwas – ein Instrument – und du kannst nicht genau sagen, was es ist. Und das war das Wah Wah-Pedal für mich!“, erinnerte er sich an die rätselhafte, aber prägende erste Begegnung mit Hendrix’ Musik.


7. Genesis – Dancing With the Moonlit Knight

Der Psychedelic Rock von Hendrix ist nicht der einzige Einfluss Iron Maidens, der auf den ersten Blick ungewöhnlich wirkt. Auch vom Prog Rock, wie ihn Bands wie Genesis, Yes oder später Pink Floyd perfektioniert hatten, schnitten sie sich eine dicke Scheibe ab. Das Resultat waren nicht immer ewig lange Songs, zumindest aber komplexe Strukturen und fantastische Erzählmotive. Eine Band wie Genesis legte dafür einerseits mit theatralischen Bühnenshows und andererseits einer Musik vor, die insbesondere zur legendären Peter Gabriel-Phase alle Konventionen sprengte.

„Es war einfach nicht mehr dasselbe, nachdem Gabriel die Band verließ“, seufzte der erklärte Fan Harris in einem Interview über den markanten Bruch in der Karriere der Band. „Ich erinnere mich noch genau an den Tag. Ich kaufte mir den Melody Maker und es stand auf der Titelseite, ich war fix und fertig. Sie waren zu der Zeit meine absolute Lieblingsband!“ Alben wie Selling England by the Pound stehen bei ihm aber nach wie vor ganz oben auf der Liste. „Bei den frühen Genesis kriege ich Gänsehaut!“ Wer nicht?


8. Jethro Tull – Aqualung

Ein ganz eigener Gänsehautgarant steht seit geraumer Zeit (wieder) in Harris’ Band am Mikrofon. Quälende sechs Jahre war Dickinson, der erstmals auf The Number of the Beast den Gesang übernommen hatte, nicht Teil der Band, bevor er zurückkehrte. Mit ihm kam das Charisma auf die Bühne zurück, denn sein operettenhafter Stil fügt der Band erst das gewisse Etwas hinzu. Gelernt hat er das schon früh und zwar nur von den Besten: Jethro Tull waren eine der Bands, die er bereits zu Schulzeiten live erleben durfte. Das hinterließ Spuren!

Neben Arthur Brown, Peter Hammill von Van der Graaf Generator sowie natürlich Ian Gillan nennt Dickinson Ian Anderson von Jethro Tull als eines seiner großen Vorbilder. „Vor allem in Hinsicht auf die Lyrics!“, betonte er. Neben großen Poeten wie William Blake gehört der Aqualung-Komponist zu seinen Haupteinflüssen beim Texteschreiben. Umso schöner, dass die beiden sich 2011 sogar die Bühne teilen durften: Um Geld für den Wiederaufbau der berühmten Canterbury-Kathedrale zu sammeln, standen sie für zwei Duette – Jerusalem und Revelations – gemeinsam auf der Bühne.


9. Wolfsbane – Killing Machine

Doch vergessen wir nicht, dass neben Di‘Anno und Dickinson noch jemand anderes am Mikro stand. Gut, die fünf Jahre mit Blaze Bayley sind bei Fans umstritten – viele meinen, er könne Dickinson niemals das Wasser reichen. Der Arme hatte allerdings kein gutes Los gezogen. Nachdem mit Dickinson die Fetzen flogen, suchte die Band einen neuen Sänger und erhielt auch ein Tape von dem Briten. Die Band kannte Bayley noch seiner Gruppe Wolfsbane, mit der sie 1990 auf Tour gewesen waren. Obwohl er stimmlich lange nicht dasselbe Register bedienen konnte wie Dickinson, heuerten sie ihn an.

Wie wohl Bayleys Karriere verlaufen wäre, hätte er dafür seinen Job bei Wolfsbane nicht an den Nagel gehängt? Nur wenig später nämlich war er wieder arbeitslos. Die offizielle Begründung lautete, dass Bayley während der Virtual XI World-Tour Stimmprobleme erlebt hätte. Gers aber gab zerknirscht zu, dass die Band einen Fehler gemacht hatte, als sie ihn dazu bringen wollte, mehr zu leisten, als sein natürliches Talent es zuließ. Schade eigentlich, denn obwohl Bayley der Theatralik eines Dickinsons nicht das Wasser reichen konnte, so brachte er doch den schnoddrigen Punkrock-Flair mit, der auch schon immer Teil von Iron Maidens musikalischer DNA war.


10. Avenged Sevenfold – Hail to the King

Mit ihrer atemberaubenden Geschwindigkeit, ihrem technischen Können und ihren fantastischen Lyrics haben Iron Maiden die Metal-Welt geprägt wie keine zweite Band. Die Big Four der Thrash-Ära? Nicht auszumalen ohne die Vorarbeit von Iron Maiden! Bis heute hält der Einfluss der Band an und noch immer gehört eine kleine Grundausbildung in Sachen Iron Maiden unbedingt auf den Lehrplan jedes angehenden Metalheads.

Auch die jüngeren Generationen haben nichts als Respekt für die hart arbeitende Band übrig. Avenged Sevenfold beispielsweise gründeten sich 1999 unter dem Einfluss der Platten von Dickinson und seinen Kollegen. Sänger M. Shadows erinnerte sich gegenüber dem Rolling Stone an seine erste Berührung mit der Band. „Als ich sie mit 12 Jahren entdeckte, waren sie nun wirklich nicht die bekannteste Metal-Band in Amerika. Dann aber kaufte ich mir Piece of Mind und konnte kaum fassen, wie lang die Songs waren, mit so vielen Soli!“ Bald schon fraß er sich durch den Backkatalog und wurde ein Die-Hard-Fan. Seine Band übernahm den Doppel-Gitarren-Stil und wurde damit weltweit erfolgreich. Sogar Harris konnten sie überzeugen. Neben Biffy Clyro nannte er sie als eine der zwei Rock-Bands, die ihm dieser Tage die meiste Hoffnung für die Zukunft des Genres geben. Wenn das mal kein Kompliment ist!


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