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Popkultur

Elvis Costello Live in Bochum – Wir waren dabei

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Kaum ein anderer Songwriter hat die Pop- und Rock-Landschaft in den letzten 40 Jahren dermaßen nachhaltig und stetig geprägt wie der heute 62-jährige Declan Patrick MacManus, wie Costello mit bürgerlichen Namen heißt. Auch im Jahr 2017 ist Costello mit anhaltender Spielfreude einem neuen Album und einem weiteren Jahrzehnt im Musikzirkus näher als einer Pensionierung. Am 09. März 2017 hat der ‚Crooner’ mit Trademark-Brille und -Hut die Ruhrpott-Stadt mit seinem ersten Deutschlandkonzert seit zwei Jahren beehrt.


Hört euch hier die Highlights vom Elvis Costello Konzert in Bochum in einer Playlist an und lest weiter:


Ein überdimensionaler Fernseher, wie er wohl in vielen Haushalten der 1950er Jahre flimmerte, prangt als einzige aber umso mehr Retro-Charme ausübende Requisite auf der Bühne des Bochumer Ruhrcongresses. Der Bildschirm dient mit einem wohl kuratierten und zugleich ausfallenden Mix aus autobiografischen und familiären Fotografien im Familienfotoalbum-Stil, diversen Film noir-Artworks und immer wieder eingestreuten Videos fortan als audiovisuelle Untermalung für den gesamten Abend der Elvis-Costello-Show.


Elvis-Costello


Nachdem die etwa 2.500 Besucher mit einer Auswahl offizieller Musikvideos – von Oliver’s Army aus Costellos New Wave-/Punk-Frühwerk stammenden Album Armed Forces (1979) bis hin zu Monkey To Man aus dem Spätwerk The Delivery Man (2004) – und somit mit einem ersten Abriss der beeindruckenden, mittlerweile mehr als vier Dekaden umfassenden Schaffenszeit des Songwriters eingestimmt wurden, läutet der kurzzeitig später auf die Bühne stolzierende und vom Publikum wärmstens empfangene Costello den Abend selbst ein. Mittlerweile ziert das Artwork des 1945 von US-Regisseurs Edgar G. Ulmer veröffentlichten Film Noirs Detour den Bildschirm und Costello verweist auf die Tagline des Filmes. „He went searching for love… but Fate forced a DETOUR to Revelry… Violence… Mystery!“ wird zum Quasi-Slogan für die bevorstehenden 120 Minuten Costello pur. Ein Slogan, der getrost auch als Metapher für das gesamte Leben Costellos verstanden werden darf.



Costello gibt eine grobe Vorahnung, was die Zuschauer an diesem Abend erwartet, denn diese sind Augenzeugen einer ganz besonderen Konzertreihe. Als eines von zwei exklusiven Deutschlandkonzerten lädt der Musiker an diesem Abend zu seiner seit Anfang 2015 durch die Welt ziehenden Detour. Ein zur Hälfte geskriptetes und zur Hälfte improvisiertes Showkonzept, in dem nicht nur ein Querschnitt aus 40 Jahren Costello, sondern auch sein an Anekdoten reiches Leben Platz finden. Der Brite ist schon immer ein sensationeller Storyteller gewesen, dass er aber im Rahmen dieser Tour eine besondere Betonung auf das Autobiografische legt, kann vor allem als direkter Auswuchs der literarischen Arbeit an seinen 2015 veröffentlichten Memoiren Unfaithful Music & Disappearing Ink verstanden werden. Nur konsequent also, dass die Detour als One-Man-Show angelegt ist und sich Costello witzelnd selbst als einzigen „Special Guest“ des Abends ankündigt.


Schaut euch hier eine Live-Version von Elvis Costellos Watching The Detectives an und lest weiter:

 


Dass die Detour alles andere als just another Solotour eines vermeintlich abgehalfterten Singer/Songwriters ist, der in seinem Songbook kramt und im einstigen Ruhm seines mitgealterten Publikums schwelgt, kristallisiert sich schnell heraus. Die Costello Show wird zu einer unterhaltsamen Zeitreise aus Performance und Talk-Show, einer puren Demonstration all seiner musikalischen Phasen und nach wie vor anhaltenden Kreativität. Ob Früh- oder Spätwerk, ob zeitlose Songs wie Watching The Detectives oder Allison vom Klassiker und Debüt My Aim Is True (1977), ob Hits wie Veronica oder She oder das unterschätzte The Only Flame In Town vom belächelten und von Costello selbst als sein schlechtestes Studioalbum bezeichnetes Goodbye Cruel World (1984). Costello sorgt für einen überraschend differenzierten Einsatz von Stimme und Gitarren. Mal mit Halbakustikgitarre, mal kreischend verzerrt mit seiner ikonischen Jazzmaster. Mal bedächtig mit unverstärkter Konzertgitarre, mal mit Ukulele.


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Costello spielt mit Tempi, Rhythmen, laut-/leise-Schemata und mit der gesamten Bandbreite seiner Stimme. Für unter anderem Deep Dark Truthful Mirror von Spike (1989) zieht es Costello an den Flügel. Für das aus der Kollaboration mit The Roots entstandene Viceroy’s Row lässt sich Costello reduziert von gesampelten Streichern und Synthies tragen. Obendrein streut er in sein 19-Song-starkes und abwechslungsreiches Set eine Handvoll neuer Songs ein, die er für das Musical A Face In The Crowd geschrieben hat, welches wiederum auf der Geschichte Your Arkansas Traveler von Budd Schulberg basiert und voraussichtlich 2018 in New York Premiere feiern soll. In den 120 stark autobiografisch geprägten Minuten sucht und findet Costello immer nach den passenden, überleitenden Anekdoten zwischen den einzelnen Songs. Er erzählt von ersten Liebschaften, der anfangs nicht ernst verfolgten Musikkarriere, von seinem Vater und Musiker Ross McManus, seinem Großvater. Weniger chronologisch, sondern charmant sprunghaft. Obendrein reagiert Costello gelassen auf das Publikum, welches beispielsweise einen seiner neuen Songs mit lautstarkem Applaus honoriert. Costello entgegnet nur lakonisch und zugleich lässig: „I’d blush if I knew how.“


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Costello hat Narrenfreiheit und er zahlt seinem Publikum dieses Vertrauen mit einem spielfreudigen und redseligen Auftritt zurück. Was Elvis Costello an diesem Abend unter Beweis stellt, ist nicht nur die Tatsache, dass er sich in seinen unzähligen Studioalben fortan selbst neu erfunden hat, er tut es Abend für Abend. Seine Songs erfahren live nicht nur eine liebevolle Neuinterpretation ihres Schöpfers, ohne dass der ursprüngliche Charme abhanden kommt, sondern eine Einbettung in eine ganze Geschichte, eine Performance. Ein Detour-Abend mit Costello ist mehr als nur ein Konzert eines Mannes mit Gitarre.


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