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Popkultur

Zeitsprung: Am 2.11.1944 kommt Keith Emerson zur Welt.

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Foto: Michael Putland/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 2.11.1944.

von Timon Menge und Christof Leim

Er hat nicht nur der Hammond-Orgel und dem Synthesizer zur Berühmtheit verholfen, sondern auch seinen Kollegen Greg Lake und Carl Palmer. Mit seinem musikalischen Genie, seiner Begeisterung für die Klassik und seiner animalischen Bühnenpräsenz hat er insbesondere die Welt des Progressive Rock begeistert. Heute hätte Keith Emerson Geburtstag gefeiert.

Hier könnt ihr euch die bekanntesten Songs von Emerson, Lake & Palmer anhören: 

Das Licht der Welt erblickt Keith Noel Emerson am 2. November 1944 im britischen Todmorden. Seine Mutter spielt kein Instrument, doch Vater Noel klimpert gerne auf dem Klavier. So hat er großes Verständnis, als sein Sohnemann im Alter von acht Jahren ebenfalls Gefallen an dem Instrument findet und Unterricht nehmen möchte. Die ersten Stunden nimmt der Junge bei „kleinen alten Damen aus der Gegend“, die ihn in die Welt der klassischen Musik einführen. Diese Schule soll Emerson seine ganze Karriere hindurch begleiten.

Jazz & Jerry Lee Lewis

In seiner Jugend widmet er sich dem Jazz, stundenlang hängt er am Radio. Die Musik begeistert ihn so sehr, dass er damit beginnt, sie auf dem Klavier zu lernen. Auch an Boogie-Woogie, Country und Rock’n’Roll findet er Gefallen. Später sagt er in einem Interview über sich selbst: „Ich war ein sehr ernstes Kind. Ich lief üblicherweise mit Beethovens Sonaten unter dem Arm durch die Gegend. Und trotzdem habe ich es immer geschafft, in der Schule nicht verprügelt zu werden. Das hat vermutlich daran gelegen, dass ich auch Jerry Lee Lewis und Little Richard spielen konnte.“

Die Hammond-Orgel entdeckt Emerson bei Jazzpianist Jack McDuff und beschließt, dass sie auch sein Instrument sein soll. Sein erstes Modell kauft er als Jugendlicher auf Raten. Eine Karriere als Berufsmusiker strebt er zunächst nicht an, doch dann kommt alles ganz anders. Nach einem Nebenjob als Barpianist erhält er das Angebot, bei den T-Bones einzusteigen, der Hintergrundband des britischen Folk- und Bluessängers Gary Farr. Mit der Gruppe tourt Emerson durch Großbritannien und Frankreich.

Maschinengewehrfeuer aus der Orgel

Eine seiner ersten experimentellen Liveerfahrungen erlebt er bei The V.I.P.’s: Während eines Konzerts in Frankreich kommt es zu einer Prügelei, doch seine Kollegen fordern Emerson dazu auf, einfach weiterzuspielen. Der entlockt seiner Hammond-Orgel Maschinengewehr- und Explosionsgeräusche und unterbricht den Kampf damit. Die anderen Bandmitglieder finden das so cool, dass sie ihn darum bitten, die Showeinlage beim nächsten Konzert zu wiederholen. 

Erste kommerzielle Erfolge gelingen Emerson mit The Nice. Die Gruppe gründet er gemeinsam mit Lee Jackson von den T-Bones sowie mit David O’List und Ian Hague. Der Auslöser: Soulsänger P. P. Arnold bittet Emerson darum, eine Begleitband für ihn zusammenzustellen. An Hagues Stelle tritt noch Brian Davison, und es kann losgehen: Statt sich wie üblich auf den Frontmann zu konzentrieren, stehen Emerson und seine Hammond-Orgel im Zentrum der Geschehnisse. Er schlägt sein Instrument auf der Bühne mit einer Peitsche, reitet es wie ein Pferd, spielt es im Liegen und steckt Messer hinein. Dabei entstehen unter anderem Explosionsgeräusche und Rückkopplungen, später entdeckt er auch noch den damals neuen Synthesizer.

Mit ELP in die Rock-Geschichtsbücher

1970 verlässt Emerson The Nice und gründet stattdessen eine eigene Gruppe, deren Namen wir alle kennen: Emerson, Lake & Palmer, kurz ELP. Dafür holt er Greg Lake von King Crimson und Carl Palmer von Atomic Rooster an Bord. Innerhalb weniger Monate nehmen die Musiker ihr erstes Album auf und spielen zahlreiche Konzerte. Der Durchbruch gelingt mithilfe der Show beim Isle Of Wight Festival 1970. Den finden zu jener Zeit nicht alle gut, so bezeichnet DJ-Legende John Peel den Auftritt zum Beispiel als  „Verschwendung von Talent und Elektrizität“. 

Revolutionäre des Progressive Rock: Emerson, Lake & Palmer.

Dennoch: Emerson, Lake & Palmer entwickeln sich in den folgenden neun Jahren zu einer der wichtigsten Progressive-Rock-Bands aller Zeiten, veröffentlichen Ausnahmeplatten wie Tarkus (1971), Trilogy (1972) sowie Brain Salad Surgery (1973) und spielen sich ohne Umwege auf den Rockolymp. Das liegt nicht zuletzt an Emersons Person. So vermischt er Rock und Klassik auf respektvolle Art und Weise und zeigt sich auf der Bühne als waschechter „Showman“. Doch Ende der Siebziger ist die Luft bei Emerson, Lake & Palmer weggeatmet: 1979 kommt es zur Auflösung, erst von 1990 bis 1998 findet das Trio noch einmal für längere Zeit zusammen. Das letzte Studioalbum In The Hot Seat erscheint 1994.

Der Mann und seine Dämonen

Nach der ersten Auflösung von ELP widmet sich Emerson zahlreichen Soloprojekten, arbeitet an Soundtracks und gründet Supergroups wie Emerson, Lake & Powell. Auch später bleibt der Vollblutmusiker aktiv, kollaboriert mit Orchestern, gründet die Keith Emerson Band und veröffentlicht eine Autobiografie. Dabei sah es 1993 kurzzeitig so aus, als müsse er die Musik aufgeben: Ein nervenbedingtes Leiden macht seiner rechten Hand zu schaffen, Emerson selbst nennt die Verletzung „writer’s cramp“, also „Komponistenkrampf“. Überhaupt läuft es zu jener Zeit nicht gut für den Briten: Er macht eine Scheidung durch, sein Haus in Sussex brennt ab, und finanzielle Probleme hat er auch.

Zwar kann Emerson ab 2002 wieder unbedarft in die Tasten hauen, doch das Nervenleiden setzt ihm auch in den Jahren danach zu. Und zwar so sehr, dass er sich am 11. März 2016 das Leben nimmt. Seine Partnerin Mari Kawaguchi gibt später zu Protokoll, dass er aufgrund seines Leidens depressiv und nervös geworden sei. Er habe Angst gehabt, seine japanischen Fans auf der anstehenden Tour zu enttäuschen. Die Ärzte stellen darüber hinaus ein Herzleiden sowie alkoholbedingte Depressionen fest. Emerson wurde 71 Jahre alt und hinterlässt zwei Kinder aus seiner jahrzehntelangen Ehe mit Jugendfreundin Elinor.

Was Emerson geschaffen hat, wird auf ewig in den Geschichtsbüchern der Rockmusik stehen. Sein musikalisches Geschick und scheuklappenloses Denken, seine energiegeladenen Bühnenshows und die zahlreichen Jahrhundertalben, an denen er mitgewirkt hat, werden (hoffentlich) noch in 50 Jahren Gegenstand jedes ernstzunehmenden Musikunterrichts sein. Zwar haben auch Kollegen wie Jon Lord die Klassik mit dem Rock verschmolzen, doch kaum jemand war dabei so konsequent, einfallsreich und leidenschaftlich wie Keith Emerson.

Zeitsprung: Am 30.12.1978 gehen Emerson, Lake & Palmer getrennte Wege.

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