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Popkultur

30 Jahre „Leisure“: Blurs erschwerlicher Aufbruch in den Pop-Olymp

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Blur
Foto: Mick Hutson/Redferns/Getty Images

Auch Rockstars fangen mal klein an: Als Blur vor genau 30 Jahren mit ihrem Debüt Leisure auftauchen, glaubt noch niemand an eine Weltkarriere oder an so etwas Neumodisches wie Britpop…

von Björn Springorum

Hier könnt ihr Leisure hören:

1995 rufen die US-Medien den Battle Of Britpop aus. Auf dem Schlachtfeld stehen sich Oasis und Blur gegenüber, die musikalischen Schwergewichte der Zeit. Entscheiden wird die Schlacht, welche der beiden gleichzeitig veröffentlichten Singles (Oasis’ Roll With It und Blurs Country House) mehr verkaufen wird. Am Ende gewinnen Blur knapp – nur um dem Britpop in einer fast schon trotzigen Geste kurz danach eh den Rücken zu kehren.

Madchester-Coolness und Geschrammel

So waren Blur immer. Unberechenbar, egozentrisch, fluide. Auch ihre Karriere begann so. Und war entsprechend schwierig zu vermarkten. 1988 gegründet, veröffentlichen Damon Albarn, Graham Coxon, Alex James und Dave Rowntree im Oktober 1990 die erste Single unter dem von der Plattenfirma Food vorgeschlagenen Namen Blur. She’s So High schafft es zwar in die britischen Top 50, der Nachfolger fällt ihnen aber verteufelt schwer. Irgendwann ist There Is No Other Way dann doch endlich fertig – und knackt sogar die Top 10. Die jungen Blur generieren Aufmerksamkeit mit ihrem schrammelnden Sound zwischen Madchester-Coolness und The Smiths.

Cool genug

Eine besonders coole Gang englischer Bands, die gern im Syndrome Club auf der Oxford Street in London herumhängt und sich naturgemäß für den heißesten Scheiß seit Erfindung des Dosenbiers hält, nimmt Blur gönnerhaft in ihre Reihen auf. Ein Ritterschlag aus Coolness, Verve und Zeitgeist, der auch den New Musical Express dazu hinreißt, Blur als „das annehmbare hübsche Gesicht eines ganzen Büschels an Bands“ zu bezeichnen, die Anfang der Neunziger an der Themse rumdümpeln und sich für die nächsten The Kinks halten. Mindestens.

Ausgerechnet die nächste Single, Bang, kann nicht an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen, was natürlich nichts Gutes für das erste Album bedeutet, das bitteschön einschlagen und die Syndrome-Trendsetter bestätigen soll. Das Problem schon damals: Das Label drängt Blur in die Madchester-Ecke, aus der sie viel lieber eigentlich heraushuschen würden, Produzenten reden ihnen rein, Damon Albarn kommt ohne Lyrics ins Studio. Jede Menge üble Vorzeichen also.

Zwischen Syd Barrett und The Kinks

Dass Leisure, veröffentlicht vor 30 Jahren am 26. August 1991, dann doch auf Anhieb auf Platz sieben in die britischen Charts rauscht, ist da durchaus als Überraschung zu werten; wirklich goutiert wird Blurs Erste nicht. Die Presse spricht nach dem künstlich aufgeblähten Hype um Albarn und seine Gang aus unkategorisierbaren Misfits von einem Antiklimax, auch die Lyrics werden zerrissen – in der Tat sind sie simpel und weit von späteren Albarn‘schen Charakterstudien entfernt. Zwar gibt es auch positive, fast schon euphorische Reaktionen, doch für einen Blur-Craze reicht es mit derart durchwachsenen Reaktionen natürlich (noch) nicht.

Dabei hat das ungeschliffene Album eine ganze Menge zu bieten und lässt schon damals durchschimmern, was wenige Jahre Wirklichkeit werden wird: Im Nukleus haben wir es hier mit cleveren, archetypisch englischen Songs zu tun, die alle zur Single taugen würden, bisweilen aber unter der unausgereiften Produktion leiden. Exzentrisch und verschroben, irgendwo zwischen Syd Barrett und den Kinks, noch unreif und nicht zu Ende gedacht, aber bereits versehen mit diesem Händchen für unfassbare Harmonien und herrlich verqueren Melodien, die schon bald das Vereinigte Königreich erobern werden.

Eine Oase am Horizont

Damon Albarn sieht das anders. Für ihn ist Leisure eine der zwei „miesen Platten“, die er in seiner Karriere veröffentlicht hat. Und die andere? Ausgerechnet The Great Escape. Dieser Mann hält wirklich nichts von Denkmalpflege. Er hat jedoch Gründe für seine Antipathie: Man habe sich damals zu sehr vom Label reinreden lassen. Die findigen Marketing-Gurus wollten aus Blur am liebsten die neuen Stone Roses machen, was die sich aber nicht mehr lang gefallen ließen.

Angestachelt durch Schulden, mieses Management und den frechen Erfolg von Grunge auf der ganzen Welt, ließen Blur die schwere Geburt namens Leisure hinter sich zurück, tourten in den USA und schrieben eigens für den Start der Tour einen unauffälligen kleinen Sing namens Popscene. Damals kommerziell weitgehend unauffällig, gilt die Nummer heute als Eizelle des Britpop – geboren aus Frustration und typisch britischer Verhöhnung dieses ganzen Grunge-Dings. Blur, das ist schon ganz zu Beginn der Neunziger klar, brauchen einen Gegner in den eigenen Reihen, sonst gehen sie entweder auf Nirvana oder gleich auch sich selbst los.

Gut, dass in Manchester eine unbekannte Band namens Oasis gerade ihre ersten Konzerte gespielt hat…

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