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Popkultur

Make Britannia cool again: So gut ist „The Ballad Of Darren“ von Blur

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Blur
Foto: Reuben Bastienne Lewis

Cool Britannia: In den Neunzigern machen Blur, Oasis und die Spice Girls England wieder en vogue. Was ist bald 30 Jahre später davon übrig? The Ballad Of Darren, das grandiose Comeback-Album von Blur.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr The Ballad Of Darren hören:

Es gibt genau zwei Songs auf dem neuen Blur-Album, die klingen so dermaßen nach den Neunzigern, dass sich auch die härtesten Nostalgieverweiger*innen nicht gegen ein, zwei Tränchen der Rührung wehren können. Das ist einmal St. Charles Square, eine Fortführung der britischen Suburbia-Sagas, die sich auf Parklife gefunden haben. Und einmal Avalon, schon vom Titel urenglisch, das man sich auf The Great Escape vorstellen könnte. Nur eben ein wenig älter, ein wenig weiser, ein wenig desillusionierter.

Ein Blick in die eigene Vergangenheit

Blur haben mit The Ballad Of Darren kein Anknüpfungswerk an ihre (kurze) Britpop-Phase in den Neunzigern geschrieben. Sie haben eher ein Album geschrieben, das die Alben nach The Great Escape gekonnt auszublenden weiß. Ein Album, das bewusst eine gealterte Band zeigt, die sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt. Mit den Dingen, die man bedauert, die falsch gelaufen sind. Aber auch mit denen, die ganz okay waren. Für Damon Albarn sind Blur ein Gebäude, ein großes, vorzugsweise historisches, durch das er mit The Ballad Of Darren streift, in lange nicht genutzte Räume blickt, das Tuch vom alten Piano zieht und Platz nimmt in den kollektiven Erinnerungen der Neunziger.

Die Welt war eine vermeintlich bessere damals. Eine unbeschwertere. Die Neunziger sind auf ewig das Jahrzehnt des Hedonismus. Kalter Krieg vorbei, Mauer weg, Wirtschaft in Schuss, England wegen Oasis, Blur und den Spice Girls wieder en vogue. Cool Britannia sagte man damals dazu. 2023 ist davon nicht viel übrig geblieben, das zeigt schon das Titelmotiv, ein Foto des Gourock Outdoor Pools in Schottland. Düster drücken die Wolken auf die karge Landschaft, das bewusste Gegenteil zum The Great Escape-Cover mit dem strahlend blauen Himmel.

Nostalgie, aber nicht die gute

Melancholisch ist auch das Gros der Musik. Lakonisch, verhalten, manchmal hymnisch, mit hinreißend eleganten Melodien, gerne gedankenverloren, grüblerisch. Dass Blur 2023 teilweise stark nach den neuen Arctic Monkeys klingen mag ein Fehler in der Wahrnehmung sein, weil es ja eher die Arctic Monkeys sind, die von Blur beeinflusst sind. Andererseits ist Albarn ein riesiger Fan der Band. Ein Album aus der Midlife-Crisis also, ein Bedienen bei Jüngeren? Wohl kaum. Eher die Bestandsaufnahme eines halben Lebens, 33 Jahre nach der ersten Single.

Mehr denn je breiten Blur ihre Picknickdecke in der englischen Musikgeschichte aus. Graham Coxons sehr präsente Backing Vocals verleihen den Songs eine jenseitige Aura, die tatsächlich an Syd Barrett erinnert. Nostalgisch ist das alles durchaus. Aber nicht die Art von verklärter Nostalgie, die dem Früher einen goldenen Halo verleiht. Eher die Nostalgie, die zeigt, was wir alles verloren haben. Und der Unwille, sich deswegen gleich selbst verloren zu geben. Dafür leben Blur viel zu sehr im Moment, dafür läuft ihr Comeback viel zu rosig. Ihre triumphale Doppelshow von Wembley wird in die Geschichtsbücher eingehen, ihr Comeback-Album The Ballad Of Darren, das immerhin acht Jahre auf sich warten ließ, ist das kohärenteste Werk ihrer Karriere. Mit 36 Minuten auch das kürzeste. Blur wissen mittlerweile, wann sie genug gesagt haben. Und diese zehn Songs, die sind als Gesamtwerk genau richtig so.

Was wohl die Gallaghers dazu sagen?

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