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Popkultur

Mick Ronson – Gitarrenvirtuoso mit grünem Daumen

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von Flickr user mickeydb [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Yin und Yang, Mann und Frau, Erde und Luft – so kann man das Funktionsprinzip hinter David Bowie und seinem Gitarristen Mick „Ronno“ Ronson beschreiben. Der eine ein ätherischer Flattergeist, stets etwas entrückt, die androgyne und weibliche Seite mit üppiger Kostümierung und dem Alter Ego Ziggy Stardust betonend. Der andere ein grundsätzlich bodenständiger Typ, gelernter Mechaniker und als Gärtner tätig, eher so ein Mannesmann, mit Bedürfnis nach Sicherheit und Ruhe: Mick Ronson.

Wahrscheinlich wusste Ronson nicht so richtig, was eigentlich in ihm steckte, als sein ehemaliger Bandkollege John Cambridge ihn in ihrer englischen Heimatstadt an einem kalten Wintertag im Jahr 1970 abpasst. Ronson ist 24 Jahre alt und gerade dabei, ein Rugby-Feld abzustecken, eine seiner Aufgaben als Gärtner beim Grünflächenamt der Stadt Hull. Cambridge und Ronson hatten zusammen in mehreren Bands gespielt und der Drummer will Ronson für David Bowies neue Backingband rekrutieren. Er solle sofort nach London kommen.


Hör hier in The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars an:

Zum ganzen Album klick auf “Listen”.

Man kann sich die Szene ganz gut vorstellen: Ronson, im grünen Overall und skeptischer Miene – seine Versuche, in London als Musiker Fuß zu fassen, waren zuvor ziemlich in die Hose gegangen – und Cambridge, voller Enthusiasmus ob des neuen Projekts. “It’s David Bowie, for Christ’s sake!“ Zwei Tage später hat Ronson seinen Overall gegen einen schillernden Fummel getauscht und tritt mit Bowie in einer BBC Radioshow auf.

Es kommen die glamourösen Jahre, in denen Bowie als Ziggy Stardust zusammen mit seiner Band, den Spiders on Mars, große Erfolge feiert. Ronson, der Gärtner aus der Kleinstadt, blüht auf. Die Outfits werden gewagter, die Schminke dicker und die Performances provokanter. Ronson und Bowie, beide mit unverkennbarem 70er-Fokuhila, simulieren die ein oder andere sexuelle Anspielung auf der Bühne und auch Ronson, ein Junge aus gutem Hause, wird in seinen Auftritten experimentierfreudiger. Man sieht ihn nun auf Aufnahmen gerne mit entrückter Miene und in orgiastischer Verzückung seine Gitarre bearbeiten.

Ronson und Bowie

Auch inhaltlich übernimmt Ronson wichtige Aufgaben: Gemeinsam mit Bowie ist er für das Arrangement vieler Songs auf den bekannten Alben verantwortlich. Kritiker und Bowie selbst sind sich einig, dass es The Man Who Sold The World, Aladdin Sane, Hunky Dory oder Pin Ups ohne Ronson so nicht gegeben hätte.

Bowie sagte über seinen Freund und Bandkollegen nach dessen Tod einmal, er sei die perfekte Ergänzung zu seinem Ziggy Charakter gewesen. „Mick war überaus bodenständig, sehr nordeuropäisch männlich. Wir waren als Rockduo genau so gut wie Mick (Jagger) und Keith (Richards) oder wie Axl und Slash: der ideale Rock-Dualismus.“



Wie es wohl gewesen sein muss, die Bühne mit Bowie zu teilen? Sicher nicht ganz einfach, sich neben diesem flirrenden Energiebündel zu behaupten. Die am 6. Juli 2018 erscheinende Doku namens Beside Bowie: The Mick Ronson Story ist diesem Umstand gewidmet und beschäftigt sich mit dem kreativen Schaffen von Ronson, der zu Unrecht langsam etwas in Vergessenheit gerät.

Wenn Bowie nämlich einen Meter zurücktrat und Ronson die Bühne für ein Gitarrensolo überlies, zeigen noch die uralten Filmaufnahmen eines Konzerts im Jahr 1973, wie sehr Ronson das Publikum in seinen Bann zu ziehen vermochte.

Im Londoner Hammersmith Odeon bietet Ronson mit goldenem Fummel und Ausschnitt bis zum Bauchnabel in einem siebenminütigen Gitarrensolo zum Song Width of a Circle eine kleine Kostprobe seiner Virtuosität an der Gitarre. Man ahnt, es ist lange noch nicht alles. In kürzester Zeit hangelt er sich von einhändigem Gitarrenspiel, nur durch Feedback und die linke Hand gesteuert, über ekstatische Improsequenzen und rasend schnellen Triolen im Liegen schließlich zu einer Art musikalischen Klimax. Wenn schließlich Bowie wieder das Mikro übernimmt, ist das Publikum mit Ronnos Bann belegt.



Nach den Erfolgen an Bowies Seite ist Ronson auch solo erfolgreich. Und er wird als Sessionmusiker viele der ganz Großen begleiten. Bob Dylan, Elton John, Lou Reed, Morrissey, John Mellencamp: Sie alle schätzten Ronson als Gitarristen und loyalen Freund und Begleiter. Er schreibt für viele von ihnen Songs oder macht sich als Arrangeur, Komponist und Producer verdient. Ronson sang lediglich auf seinen Soloarbeiten selbst, was angesichts seiner rauen Classic Rock Stimme ein Jammer ist.



Was sein Privatleben anbelangte, ging es eher geruhsam zu. Drei Frauen gab es, mit einer war er verheiratet, mit allen drei hatte er Kinder. Und auch sonst lebte Ronson vor allem in seiner Musik auf und ansonsten eher zurückgezogen.

Von großen Künstlern erhofft man sich stets, sie mögen ewig leben und kreativ sein. Doch Ronsons Tod kam ohne Zweifel viel zu früh. Er starb mit nur 46 Jahren im April 1993 an Leberkrebs. Sein Talent an der Gitarre wird ihm noch posthum bestätigt: Im Ranking des „Rolling Stone“ belegt er 2012 den 41. Platz der größten Gitarristen aller Zeiten.

Die nun erscheinende Doku Beside Bowie setzt dem Gitarrenvirtuoso mit grünem Daumen endlich ein gebührendes Denkmal.


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