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Popkultur

„Ich bin der Mann auf dem flammenden Kuchen!“: Paul McCartney im Interview zu „Flaming Pie“

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Paul McCartney

1995 machte sich Paul McCartney, inspiriert durch seine Arbeit an der Beatles Anthology, daran, sein zehntes Solo-Album aufzunehmen. Das zwei Jahre später unter dem Namen Flaming Pie veröffentlichte Resultat kann mit einer Gästeliste aufwarten, die ihresgleichen sucht: McCartney konnte nicht nur die beiden inoffiziellen Beatles George Martin und Geoff Emerick für das Projekt gewinnen, sondern verpflichtete auch ELO-Mitbegründer Jeff Lynne als Co-Produzent. Ach ja: Steve Miller, Ex-Beatles-Kollege Ringo Starr sowie Frau Linda und Sohn James mischten auch noch mit.

Am 31. Juli erscheint Flaming Pie nun als neuestes Rerelease aus Maccas Archive Collection. Anlässlich der umfangreichen Neuauflage des Erfolgsalbums blickt der Musiker im Interview zurück auf die Entstehungszeit des Albums, die Zusammenarbeit mit Ringo Starr und die Geschichte des flammenden Kuchens.

Hört hier zur Untermalung Flaming Pie:

Paul, woher stammt die Idee mit dem Flaming Pie, und wie kam es überhaupt zu diesem Albumtitel?

Als wir damals gerade loslegten mit den Beatles, da gab es in Liverpool so eine lokale Musikzeitschrift namens Mersey Beat. John war gebeten worden, ihnen zu erläutern, wer wir waren und wofür wir damals standen – und er sagte dann in typischer Lennon-Manier: „Wir hatten diese Vision: Vor uns erschien ein Mann auf einem flammenden Kuchen und er sprach: Von diesem Tag an sollt ihr die Beatles sein, geschrieben mit einem A.“ Und das war’s dann: Von da an war das unsere Standardantwort auf die Frage „Warum heißt ihr denn nun eigentlich The Beatles“.

Und dann dachte ich irgendwann: Ich bin der Mann auf dem flammenden Kuchen! Darüber schreibe ich mal einen Song. Das alles ist also schon mit einem Augenzwinkern gemeint. Der Typ, der dieser Mann auf dem flammenden Kuchen ist, der ist ziemlich cool. Er ist ziemlich verrückt. Und alle, denen ich davon erzählt habe, mussten unweigerlich grinsen.


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Paul McCartney
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Da hängt also schon ein großes Erbe dran, weil der Titel auf diesen Mersey-Beat-Artikel zurückgeht. So viel von John steckt da drin, so viel Geschichte, viele schöne Erinnerungen, die ich damit verbinde. Überhaupt waren die Titel John und mir immer wahnsinnig wichtig: Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, Rubber Soul – darauf reagierten die Leute mit einem „What?! Wie bitte?!“ Und mir gefiel gerade dieses Schräge, Unkonventionelle an Flaming Pie.

Hattest du also die Beatles während der Arbeit am Album permanent im Hinterkopf?

Ich hatte kurz davor am Anthology-Projekt der Beatles gearbeitet und hatte nun dieses Bedürfnis, endlich wieder neue Musik zu machen. Die Anthology war spannend, weil dieser Rückblick mir die Standards der Beatles in Erinnerung rief, den Standard unserer Songs. Ein guter Auffrischungskurs war das, und indirekt war damit auch schon der Rahmen für dieses Album abgesteckt.

Die Anthology brachte all diese Erinnerungen wieder hoch, an die ich davor so lange nicht gedacht hatte, weil es nie einen Grund dazu gegeben hatte. All diese ganzen Beatles-Erinnerungen. Das war eine sehr schöne Zeit, so unbeschwert, mit Ringo und George endlose Gespräche über die ganzen Dinge zu führen, die wir gemacht hatten. Besonders die Gespräche mit George, den ich ja sogar noch länger kannte. Ich erinnerte mich an unsere alten Witze, an die ganzen alten Songs… an die kleinen Dinge. Auch aus der Zeit vor den Beatles. Als er einfach nur mein kleiner Buddy war, den ich schließlich in die Band holen sollte.

Nach dem Abschluss dieses Projekts wusste ich viel genauer, wie mein nächster Schritt aussehen könnte.

Woher wusstest du denn, wo du anfangen musstest?

Es gibt da ein paar Sachen, die ich schon mit den Beatles immer gemacht habe: Bevor ich mich zum Beispiel aufs nächste Album gestürzt habe, hab ich mir immer den Vorgänger noch einmal in Ruhe angehört. Ich nahm mir also beispielsweise Rubber Soul vor, spielte das Album in voller Länge und hörte es mir an, wie ein Fan es hören würde. Dadurch wurde mir klar, was zu tun war: Da also lag die Latte auf dem letzten Album. Dann probieren wir doch mal, jetzt noch ein Stückchen höher zu springen.

Diese Denkweise war auch bei Flaming Pie im Spiel; das Album hatte durchaus diesen Beatles-Einschlag. Solche Anklänge gibt es immer. Das lässt sich auch gar nicht vermeiden. Wenn man schreibt, steckt da automatisch die eigene Handschrift drin. Und wenn man gerade sein gesamtes bisheriges Lebenswerk überdacht hat, dann weiß man schon, wohin es als nächstes gehen soll.

Wie würdest du den Songwriting-Prozess beschreiben, auf dem die Stücke von Flaming Pie basieren?

Songs können von überall herkommen. Damals brachte ich manchmal Linda zu einem ihrer Koch-Jobs, und in einem konkreten Fall hatte ich sie zu einer Fotosession auf einer Farm in Kent gefahren. Ich wollte nicht stören, ging also ins Obergeschoss und kreierte meine eigene kleine Fantasiewelt, indem ich einen Song komponierte.

Ich wusste, dass Lindas Shooting ungefähr zwei Stunden dauern würde, also setzte ich mir diese Deadline, um den Song fertigzustellen. So entstand Somedays. Das komplette Stück schrieb ich in diesen zwei Stunden. Normalerweise steht hinterher vielleicht ein Großteil eines Stücks und man plant dann, den Rest in der Woche danach fertigzumachen, aber hier wollte ich wirklich komplett fertig werden. Wenn Linda dann nach dem Shooting fragen würde, „Was hast du getrieben? War es sehr langweilig?“, wollte ich antworten: „Ach, ich habe diesen Song geschrieben. Magst du ihn hören?“ Das alles ist nur so ein kleines Spielchen, das ich manchmal mit mir selbst spiele. John und ich haben dieses Spiel immer gespielt, und ich glaube auch nicht, dass wir je länger als drei Stunden gebraucht haben, um einen Song zu schreiben.

Bei diesem Album hast du die meisten Instrumente selbst eingespielt. Was für Gedanken gingen dir durch den Kopf, als du die Aufnahme-Sessions geplant hast?

Ich denke darüber ehrlich gesagt gar nicht so viel nach. Das Tolle daran ist, dass ich ja immer alle Optionen habe. Das absolute Extrem wäre, einfach alles alleine zu machen. Und es gibt Songs auf Flaming Pie, wo ich so vorgegangen bin. Somedays zum Beispiel: Den habe ich selbst aufgenommen, habe alles selbst eingespielt, genau wie bei McCartney davor. Doch als ich dann an der finalen Version saß, dachte ich mir, dass der Song vielleicht doch noch ein bisschen zusätzliches Arrangement vertragen könnte – also rief ich George Martin an. Wer könnte das besser als er?

Paul McCartney & Jeff Lynne

Paul McCartney mit Co-Produzent und Mitmusiker Jeff Lynne (Electric Light Orchstra).

Welche Aspekte sind anders, wenn du alles im Alleingang machst? Gibt es da konkrete Dinge, die dir aufgefallen sind?

Ich habe keine Formel, wie man ein Album aufzunehmen hat. Und das betrachte ich als Luxus, dass ich diese Formel auch gar nicht haben muss. Aber es gibt immer irgendeinen Auslöser, der mich eine bestimmte Richtung einschlagen lässt.

Es könnte zum Beispiel sein, dass ich mir gerade die Spontaneität alter Beatles-Aufnahmen anhöre… oder ich höre eine meiner Soloplatten, ja, vielleicht höre ich sogar ein wenig Stevie Wonder – der nimmt übrigens auch viele seiner Alben im Alleingang auf.

Ein anderes Beispiel wäre die Arbeit, aus der schließlich Chaos And Creation In The Backyard hervorgehen sollte, denn da sagte Nigel Godrich schließlich zu mir: „Können wir das ohne deine Band machen?“ In dem Fall war das also der Grundgedanke.

Irgendeinen Auslöser gibt es immer, irgendwas, das mich „darauf hätte ich jetzt Lust“ denken lässt. Und ich würde sagen, im Fall von Flaming Pie war dieser Auslöser wahrscheinlich Jeff Lynne.

Die Gitarre spielt eine sehr große Rolle auf dem Album. Wie bist du da herangegangen?

Ja, genau genommen spielen gerade meine Gitarren, die eher heavy klingen, auf diesem Album eine wichtigere Rolle. The World Tonight wäre da ein Beispiel. Das ist schon ein eher härteres Riff.

Als Linda und ich uns gerade erst über den Weg gelaufen waren, sagte sie mal: „Ich wusste ja gar nicht, dass du auch so harte Gitarrensachen spielst. Ich liebe das!“ Einfach nur für mich habe ich das eigentlich immer gemacht, aber wenn man etwas immer nur für sich macht, bekommt man nicht mit, dass es auch anderen Leuten gefällt. Was nun dieses Album angeht, sagte Linda dann: „Spiel mal richtig Gitarre und hol da keinen anderen dazu, um das zu machen.“ Er ist schon etwas einfältig, mein Style als Gitarrist. Nicht gerade umwerfend technisch… ein bisschen wie der Ansatz von Neil Young vielleicht. Ich sehe da durchaus Parallelen zu Neil. Ich weiß, dass wir auf ähnliche Dinge stehen.

Kannst du dich noch daran erinnern, woher die Idee kam, auch Ringo ins Boot zu holen?

Jahrelang hatte ich immer wieder zu Ringo gesagt, dass wir unbedingt mal was zusammen machen müssten, weil wir ja nie wirklich viel außerhalb von den Beatles zusammengearbeitet hatten. Eines Abends machte dann Jeff den Vorschlag – „Warum holst du eigentlich nicht Ringo dazu?“ Und ich sagte nur: OK! So kam es dann einfach so dazu.

Ich hatte diesen Song Beautiful Night, den ich schon ein paar Jahre zuvor geschrieben hatte. Ich mochte ihn immer, fand aber auch, dass ich noch nicht die perfekte Version davon aufgenommen hatte.

Also holte ich dieses Stück hervor, als Ringo vorbeikam, und es war sofort wie früher, wie in den guten alten Zeiten! Mir wurde da erst klar, wie lange wir das nicht mehr gemacht hatten. Aber es war echt ungezwungen, es war immer noch da. Also machten wir Beautiful Night fertig und verpassten dem Stück am Ende noch einen schnellen Part, den es vorher nicht gegeben hatte. Und wie wir dann das Studio verlassen und den Abhörraum betreten, imitiert Ringo einen Türsteher und sagt, „all right then, on your way…“ – wenn man genau hinhört, kann man das auch auf dem Album hören; wir haben es einfach drin gelassen.

Nachdem Beautiful Night also im Kasten war, reichte mir das nicht: Es hatte mir zu viel Spaß gemacht, und ich wollte, dass wir weitermachen. Ringo war also da, er war in Topform, der Sound passte, und ich sagte: „Warum machen wir nicht einfach eine Jam-Session oder so?“

Ich schnappte mir meinen Hofner-Bass, er legte los am Schlagzeug und Jeff Lynne spielte Gitarre dazu – wir drei hatten ganz spontan so ein richtiges kleines R&B-Ding am Laufen. Und dann habe ich den schlimmsten Traum eines Schauspielers wahr gemacht: Er steht auf der Bühne und weiß nicht, in welchem Stück er da gelandet ist. Wenn man so eine Session veranstaltet, ist der Gesang genau dieser Traum – weil du dich überall hinbewegen kannst, du kannst einfach alles machen mit der Stimme. Allerdings muss man dafür wirklich seinen Kopf frei bekommen, alles vergessen – obwohl man ja gerade auch noch Bass spielt – und dem Kopf erlauben, sich an irgendeinen mystischen Ort zu bewegen. Einfach alles zu improvisieren.

Na ja, als wir damit durch waren, spielte ich die Aufnahme Ringo vor und er sagte nur: „Das ist erbarmungslos.“ Und das war Really Love You.

Die meisten Schlagzeugparts dieses Albums hast du selbst eingespielt; was hat Ringo denn genau beigesteuert?

Diese Magie. Weißt du, es ist immer großartig, sich mit Ringo zusammenzusetzen. Es lohnt sich wirklich jedes Mal. Jedes Mal macht es Spaß. 2019, als ich gerade meine Tour in Los Angeles zu Ende brachte, kam Ringo zu mir auf die Bühne und wir spielten Helter Skelter zusammen. Er legte los am Schlagzeug und ich sang mit dem Gesicht zum Publikum, weil ich ja am Mikrofon stand. Aber immer, wenn ich gerade nicht am Mic stehen musste, also während der Solo-Passagen und so, habe ich mich jedes Mal zu ihm umgedreht, einfach um mir anzuschauen, wie dieser Typ Schlagzeug spielt. Und ich denke nur bei mir: Oh Gott, wie viele Erinnerungen in diesen zehn Metern zwischen uns hier zu finden sind… Er am Schlagzeug und ich am Bass. Wie viel gemeinsame Lebenszeit hier gerade im Spiel ist.

Also, ja, das ist schon eine Art Magie. Inzwischen werden wir beide richtig emotional, was das angeht – was auch richtig ist! Wir sollten so fühlen. Das ist eine verdammt emotionale Angelegenheit, diese Zeitspanne. Zumindest das ist sie.

Paul McCartney

Kann man sagen, dass du auf Mehrdeutigkeit setzt, wenn du Songs über emotionale Themen schreibst, die einen Bezug zur Realität haben?

Das stimmt. Selbst wenn ich über eine ganz konkrete Angelegenheit schreibe, verschleiere ich die Sache. Das ist halt meine Art, so habe ich mich einfach entwickelt als Songwriter. Wenn ich über Einsamkeit schreiben will, dann ist es bei mir eine Eleanor Rigby, die das für mich ausbaden muss; bei Little Willow war es der Tod von Maureen Starkey. Ich weiß noch, wie ich mich in ein Zimmer zurückgezogen habe und meine Gefühle in diesen Song gesteckt habe. Die ganze Zerbrechlichkeit des Lebens steckt in diesem Song – nur nannte ich ihn dann eben nicht Maureen, wenn du weißt, was ich meine: Er heißt Little Willow. Ich bevorzuge es immer, eine Erzählung, eine Geschichte zu erfinden, die Dinge mit etwas Fantasie zu verpacken. Denn so kann ich meine Gefühle zeigen, aber alles ist nicht ganz so direkt. Auch für die Leute ist es einfacher damit umzugehen, wenn ich das Stück Little Willow nenne. Schließlich haben wir alle unsere Little Willow, man kann sich damit identifizieren.

Calico Skies ist noch so ein Song, mit dem sich die Menschen identifizieren können. Mir gefällt das. Ich habe die Zuhörer*innen nämlich immer im Hinterkopf, wenn ich schreibe, aber manchmal passieren einfach Dinge, auf die ich unbedingt mit einem Song reagieren muss. Das fühlt sich jedes Mal gut an: Alles fühlt sich dadurch irgendwie realer an. Man stellt dann wirklich die eigenen Gefühle zur Schau.

Welche Stücke sind deine Lieblingssongs von Flaming Pie?

Souvenir ist ein kleines bisschen ein Favorit. Den hätte ich echt gerne als Single veröffentlicht, dabei wusste ich, dass kein Mensch auf diesem Planeten die Nummer jemals zur Single gemacht hätte…

Ich war gerade in Jamaika im Urlaub, als ich den geschrieben habe. Es war ein entspannter Nachmittag zum Faulenzen. Und ich dachte an Wilson Pickett. An echten R&B. Ich mag dieses Gefühl, dieses Faulenz-Ferien-Feeling. Als ich dann eine Demoversion aufnahm, klingelte mittendrin plötzlich das Telefon. Ich ließ es klingeln. Dann fing es an zu regnen, so ein richtiger Tropenschauer – alles während der Aufnahme! Ich liebte diese Demoversion, hätte sie auch fast so aufs Album genommen, weil die Stimmung so einzigartig war und man hören konnte, was da vor sich ging.

Bei der Arbeit mit Jeff haben wir diese Demoaufnahme dann als Leitfaden genommen und das Stück exakt nachgebaut: Phrase für Phrase, indem wir einfach qualitativ bessere Aufnahmen darübergelegt haben. Das Gewitter haben wir zwar nicht neu aufgenommen, aber wir haben dafür gesorgt, dass die neue Version mindestens so gut ist – und auch das Feeling vom Originaldemo erhalten bleibt.

10 Songs, die jeder Paul McCartney-Fan kennen muss

Popkultur

Zeitsprung: Am 25.9.1965 bekommen die Beatles ihre eigene Zeichentrickserie.

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Foto: Mark And Colleen Hayward/Redferns/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.9.1965.

von Timon Menge und Christof Leim

Mitte der Sechziger gehört den Beatles bereits die Welt. Überall verkaufen John, Paul, George und Ringo Platten ohne Ende, deshalb soll der sagenhafte Erfolg der „Fab Four“ auch auf das Fernsehen ausgeweitet werden. Am 25. September 1965 flimmert zum ersten Mal die Cartoon-Serie The Beatles über die Mattscheiben.

Hier könnt ihr euch die bekanntesten Songs der Beatles anhören:

Wenn man sich die Beatles als Zeichentrickfiguren vorstellt, denkt man vor allem an den legendären Kinostreifen Yellow Submarine. Drei Jahre zuvor läuft allerdings bereits The Beatles an; ein Cartoon im Samstagmorgenprogramm des US-Fernsehsenders ABC. Wenig überraschend: Die Serie fährt aus dem Stand sagenhafte Erfolge ein.

Die Musiker zeigen wenig Begeisterung

Hierbei erleben die gezeichneten Versionen von John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr frei erfundene, 30-minütige Abenteuer, die mit der Musik der vier Briten untermalt werden. Die Synchronstimmen stammen nicht etwa von der Band selbst, sondern von Paul Frees (John Lennon, George Harrison) und Lance Percival (Paul McCartney, Ringo Starr). 

39 Episoden werden von 1965 bis 1967 gesendet. Zum ersten Mal handeln Zeichentrickfilmchen von Menschen, die tatsächlich existieren. Das Buch Beatletoons: The Real Story Behind The Cartoon Beatles analysiert die Serie; hier wird erzählt, dass die „Fab Four“ ihre animierten Alter Egos zu Beginn schrecklich finden, sich über die Jahre aber damit anfreunden. „Ich habe immer noch großen Spaß daran, mir die Beatles-Cartoons anzuschauen“, beichtet John Lennon 1972.

„So dumm und schlecht, dass sie schon wieder gut waren.“

1980 und 1987 läuft The Beatles (der Cartoon) noch einmal auf MTV, später strahlt der Disney Channel die Serie ein weiteres Mal aus. „Ich mochte die Cartoons irgendwie“, sagt George Harrison 1999. „Die waren so dumm und schlecht, dass sie schon wieder gut waren, wenn Sie wissen, was ich meine. Und ich glaube, dass die Serie mit dem Alter besser geworden ist.“

Die Produktion der Reihe hatte neben einem Herren namens Al Brodax auch ein gewisser George Dunning übernommen. Und den kennen wir doch von irgendwoher? Genau. Drei Jahre später fungiert er als Regisseur und Produzent für Yellow Submarine. Al Brodax gehört hier ebenfalls wieder zum Team, diesmal als Drehbuchautor. Doch diese Geschichte erzählen wir in einem anderen Zeitsprung.

Zeitsprung: Am 11.9.1971 bekommen die Jackson 5 ihre eigene Zeichentrick-TV-Show.

 

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Popkultur

Zeitsprung: Am 24.9.1991 zelebrieren die Red Hot Chili Peppers „Blood Sugar Sex Magik“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 24.9.1991.

von Christof Leim

Kontrollierter Wahnsinn: Als die Red Hot Chili Peppers sich auf die Essenz ihres Sounds besinnen, passt plötzlich alles zusammen. Mit Blood Sugar Sex Magik schafft das kalifornische Quartett 1991 den höchst erfolgreichen Spagat zwischen hartem Groove und großen Songs. Eine Geschichte über Funk, Punk, Drogen und die Reduktion aufs Wesentliche.


Hört hier in Blood Sugar Sex Magik rein:

Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.

1991 war ein wichtiges Jahr für harte Musik. Alternative und Crossover vertreiben damals den pompösen Hard Rock der Achtziger vom Thron, eine Zeitenwende, die vor allem drei wichtige Werke begleiten: Nevermind von Nirvana inspiriert all das schöne Geschrammel der Neunziger. Metallica schießen mit ihrem schwarzen Album den Metal in den Mainstream, was viele ihrer Kollegen zu härteren Sounds im Untergrund inspiriert. Für den groovigen Stoff mit Crossover-Qualitäten schließlich legt vor allem Blood Sugar Sex Magik von den Red Hot Chili Peppers einen immens wichtigen Grundstein. Alle drei Platten erscheinen innerhalb von wenigen Wochen, zwei sogar am gleichen Tag, und allesamt werden sie zu Millionensellern. Dies ist die Geschichte des verrücktesten, wildesten und buntesten Albums der drei.

Strategisch platzierte Socken

Bis zu diesem Album hatten die 1983 in Los Angeles gegründeten Red Hot Chili Peppers als wildes Punk-Funk-Acid-Rock-Quartett lediglich Achtungserfolge einfahren können, immerhin aber mit der Angewohnheit geglänzt, sich nur mit einer Socke zu kleiden – und zwar nicht an den Füßen. Sänger Anthony Kiedis und Bassist Michael „Flea Balzary” kennen sich schon aus der High School und legen mit Gitarrist Hillel Slovak die stilistischen Grundlagen, die harten Rock mit Funk und schrägen Tönen kombiniert. Leider gehören harte Drogen bei der durchgeknallten Bande zum Alltag: Slovak stirbt am 25. Juni 1988 mit 26 Jahren an einer Heroin-Überdosis. Das wiederum stürzt Drummer Jack Irons in eine tiefe Depression. Er verlässt die Band und taucht erst Jahre später wieder bei Pearl Jam auf. Für ihn kommt Chad Smith.

Immer gut gekleidet und ernsthaft bei der Sache: Die Red Hot Chili Peppers

Die Gitarre übernimmt der gerade mal 18-jährige John Frusciante, ein begnadeter Musiker und großer Peppers-Fan, aber auch ein schwieriger Charakter, wie sich noch rausstellen sollte. Über sich selbst sagt er: „Bevor ich zur Band gekommen bin, war ich kein Funk-Gitarrist. Wie ich gut mit Flea zusammenspiele, habe ich komplett von Hillel gelernt – und das habe ich dann auf den Kopf gestellt.“ Mit Smith und Frusciante steht das Line-up, mit dem die Red Hot Chili Peppers ihre größten Erfolge feiern würde. Auf dem vierten Album Mother‘s Milk (1989) zündet das zunächst nicht, vielleicht auch, weil Produzent Michael Beinhorn (Soundgarden) der Scheibe einen breiten, verzerrten Gitarrenton mit wenig eigener Note verordnet.



Der wahre Pfeffersound

Erst zwei Jahre später findet der Vierer seinen Sound: Vorher mögen sie ungestüm geklungen haben, später zu poppig und beliebig. Blood Sugar Sex Magik jedoch explodiert punktgenau, knackig, groovig, wild, aber doch melodisch lecker. Das liegt vor allem an Produzent Rick Rubin, der das tut, womit er noch vielen Musikern helfen sollte: Er reduziert die Band auf ihre Essenz. Zudem schätzen die Peppers ihn im Gegensatz zu seinen Vorgängern genug, um ihn nach Ideen und Rat zu fragen, wenn es nicht weiter geht. Wie Kiedis in seiner Biografie Scar Tissue schreibt, hilft Rubin oft bei den Schlagzeugarrangements, Gitarrenmelodien und sogar Texten. Das Ergebnis zeichnet sich insbesondere durch einen wesentlich aufgeräumteren, gerade zu furztrockenen Klang aus, der auf Reverb und Distortion verzichtet. Zum anderen entdecken die vier Musiker die Welt der Melodien und Hooklines. Kiedis erinnert sich: „Wir waren nie so produktiv wie mit Rick. Meistens haben wir den ganzen Tag gejammt, irgendwann kam er dann vorbei, legte sich stundenlang auf‘s Sofa und machte Notizen.“ Die Maxime lautet klar: Weniger ist mehr. „Sein wichtigster Einfluss lag darin, uns zu sagen, was wir nicht machen sollten“, fasst Flea zusammen. „Er hat uns beigebracht, uns auf den Song zu fokussieren.“ Vor allem bei Frusciante rennt Rubin offene Türen ein: Der Gitarrist spielt fast clean und sagenhaft reduziert, aber nie zu wenig oder gar zu viel.



Losgelassen

Blood Sugar Sex Magik erscheint am 24. September 1991, am gleichen Tag wie Nevermind, und stellt satte 17 Songs lang eine offensichtliche Weiterentwicklung des Chili-Sounds dar. Inhaltlich dreht sich alles um Sex, Drogen, Tod, aber auch Hedonismus, Lust und Ausgelassenheit. Die Sause beginnt mit dem vehementen The Power Of Equality, das auf einem bemerkenswert einfachen und komplett unverzerrten Riff basiert, das wie ein Sample durchläuft und zusammen mit der ballernden Rhythmusfraktion eine vehemente Wirkung entfaltet. Zusammen erinnert das an die Unnachgiebigkeit von Hip Hop-Grooves und sollte typisch für Crossover werden. If You Have To Ask lässt mit furztrockenem Midtempo-Rhythmus unerbittlich jeden Kopf nicken, mit knackig akzentuierter Gitarre links im Mix und mitreißenden Bassläufen rechts. Kiedis kommt mit Sprechgesang aus, im Chorus tönt ein Falsett-Background mit Ohrwurmqualitäten, und Frusciante spendiert ein fuzzbetontes Solo aus der Hendrix-Schule.


If You Have To Ask wird als letzte von fünf Singles veröffentlicht und sollte fortan an so ziemlich jeder Tour zum Einsatz kommen. In eine ähnliche Kerbe schlagen viele der Nummern, etwa Mellowship Slinky In B Major oder der herrliche Off-Beat-Stampfer Funky Monks. Hier lohnt es sich, den clever verzahnten Einsätzen von Bass und Drums Gehör zu schenken. Doch die Chili Peppers wissen neuerdings auch mit Melodie umzugehen: Das akustische Breaking The Girl könnte genauso gut von Led Zeppelin stammen. Kiedis singt dazu von seinem unsteten Liebesleben und der Befürchtung, als Womanizer in Einsamkeit zu enden. Der Song wird die vierte Single und verkauft dank der einprägsamen Gesangsmelodie ausgesprochen gut. Ganz zart klingt auch I Could Have Lied, eine Akustiknummer über die kurze Beziehung des Sängers zur irischen Musikerin Sinéad O’Connor.



Nina Hagen hilft

Doch das Quartett langt auf der Scheibe vor allem kräftig hin: So sorgt Suck My Kiss für richtig Druck. Erwartungsgemäß handelt das ebenfalls ausgekoppelte Stück von geschlechtlichem Nahkampf und gehört zu den bekanntesten Nummern der Band. Noch dicker kommt‘s mit der Vorabveröffentlichung Give It Away: Wer hier nicht hüpft, kopfnickt oder zumindest den Fuß bewegt, kommt vermutlich lebenslang mit Yoga-Ambient-Sounds aus. Die Nummer basiert auf einem zappeligen Bass-Riff von Flea und schiebt in der Strophe wie ein Traktor. Entstanden war die Nummer aus einer Jam-Session, der Kiedis spontan die Zeile „Give it away, give it away, give it away, give it away now“ beisteuerte. Wie er es schafft, dabei das „R“ zu rollen, obwohl in der Zeile keines vorkommt, wird wohl ein Mysterium bleiben. Textlich stand hier übrigens die deutsche Punk-Ikone Nina Hagen Pate, die ihrem zeitweiligen Lover Kiedis neue Einblicke in den Wert von Selbstlosigkeit und der Nutzlosigkeit materieller Besitztümer eröffnete. In den Strophen singt der dann noch über seinen langjährigen Kumpel River Phoenix, über Bob Marley und natürlich über Sex. Im Mainstream findet Give It Away  zunächst kaum Beachtung. Angeblich ließen mehrere Radiostationen durchblicken, dass die Band sich doch bitte wieder melden solle, wenn es eine Melodie in dem Song gäbe. Ein Sender aus Los Angeles namens KROQ beginnt allerdings, das Lied gleich mehrmals am Tag zu spielen und sorgt damit für den Durchbruch. Noch heute gehört Give It Away zu den beliebtesten Nummern im Werk der Band.



Die von Rick Rubin heraufbeschworene Macht der Reduktion zeigt sich schließlich im Titelstück Blood Sugar Sex Magik, das groovt wie Hölle. Es fehlt nichts, es ist alles da und lässt die Köpfe nicken. Man kann sich fast vorstellen, dass das sogar den Jungs von AC/DC gefallen könnte.

Die Brücke zur Hitsingle

Doch wirklich durch die Decke geht es mit Under The Bridge, der Megaballade und zweiten Single des Albums. Dabei hegt die Band zunächst so große Zweifel am Potenzial der Nummer, dass Mitarbeiter von Warner Records ein Peppers-Konzert besuchen, um die beste Auskopplung zu finden. Ausgerechnet bei Under The Bridge verpasst Kiedis seinen Einsatz – und das gesamte Publikum übernimmt. Der Sänger entschuldigt sich hinterher, doch die Warner-Leute lachen nur: „Wenn jeder einzelne Zuschauer einen Song singt, dann ist das unsere nächste Single.“ Die Entscheidung zahlt sich aus: Ab Mai 1992 kann man Under The Bridge auf MTV und im Rockradio nicht aus dem Weg gehen. Das Ding explodiert, und die Red Hot Chili Peppers haben es endgültig an die Spitze und in den Mainstream geschafft.



Die Nummer ist aber auch zu schön: Hinter der bittersüßen Melodie steckt ein Gefühl der Einsamkeit, das Kiedis zu Beginn der Aufnahmen beschleicht, weil er sich – mittlerweile clean von Drogen – von den dauerkiffenden Flea und Frusciante entfremdet fühlt. Lediglich seine Heimatstadt scheint noch sein Freund zu sein, was ihn an seine schlimmsten Junkie-Zeiten und die gescheiterte Beziehung zur britischen Schauspielerin Ione Skye erinnert: „Ein wundervolles Mädchen. Doch anstatt bei ihr zu sein, habe ich unter einer Brücke gestanden und mir mit irgendwelchen verdammten Gangstern Heroin gespritzt.“ Der Song bleibt besinnlich und endet auf Rubins Anraten mit einem epischen Chor, den Frusciantes Mama Gail und ihre Freunde einsingen. Wo genau die besagte Drogen-Brücke allerdings steht, hat Kiedis nie verraten, zu sehr beschämt und schmerzt ihn diese Episode. Aus Interviews und Hinweisen in Kiedis Autobiografie Scar Tissue hat der Autor Mark Haskell Smith jedoch geschlossen, dass es sich um die Brücke im übel beleumdeten MacArthur Park in Downtown Los Angeles handeln soll. Wer übrigens regelmäßig auf Partys an der Akustikgitarre brilliert, sollte Under The Bridge lernen und mal die Strophe von Green Days When I Came Around darüber singen. Die passt nämlich auch – zwei Songs in einem, sehr praktisch.

Die restlichen sechs Stücke der Platte bieten dann mehr vom gleichen Stoff. Interessant ist zumindest das lyrische Konzept hinter The Greeting Song, für den Rubin einen Text ausschließlich über Autos und Mädels fordert. Was für Mötley Crüe ein normales Tageswerk darstellt, findet bei Kiedis jedoch überhaupt keinen Anklang. Den Abschluss bildet They‘re Red Hot, ein von Blues-Urvater Robert Johnson adaptierter Ragtime, den die Band morgens um zwei auf einem Hügel in der Nähe des Studios aufnimmt.

Probleme auf Tour

Nach Veröffentlichung geht es natürlich auf die Straße: Die Blood Sugar Sex Magik-Tour zieht äußerst erfolgreich durch volle Hallen und sorgt durch die Wahl der Vorgruppen – Pearl Jam, The Smashing Pumpkins und Nirvana – für Sternstunden des Alternative Rock. Alle drei Support Acts sollten binnen Jahresfrist selbst zu Stars des Genres werden. Doch für John Frusciante ist das alles zu groß, zu erfolgreich, zu viel. Der exzentrische Gitarrist verärgert seinen Sänger, weil er während eines TV-Auftritts bei Saturday Night Live – angeblich – absichtlich schief spielt und singt. Am 7. Mai 1992 schmeißt Frusciante nach einer Show im japanischen Saitama dann endgültig hin.

„Wir haben die ganzen Achtziger damit verbracht, irgendwie ein paar Platten zu verkaufen“, erinnert sich Kiedis später. „Sobald John dabei war, hat das auch geklappt, aber er hat das anders wahrgenommen als der Rest. Wir waren dicke Freunde, aber letztlich endete das alles im Streit wie bei einem Liebespaar. John stand damals vor einer sehr düsteren und verdrogten Phase seines Lebens, und das kann keiner aufhalten. Wenn die Seele das verlangt, passiert es.“ Während Frusciante für sechs Jahre von der Bildfläche verschwindet und droht, ein weiteres Heroinopfer zu werden, macht die Band kurzzeitig mit dem Gitarristen Arik Marshall weiter, engagiert aber schon im September 1993 Dave Navarro von Jane‘s Addiction. Erst Ende der Neunziger stößt Frusciante wieder zur Band und bleibt nochmal zehn Jahre. Californication (1999) und weitere Bestseller etablieren die Chili Peppers als eine der größten Rockbands der Welt mit 80 Millionen verkauften Alben weltweit. Die ehemalige kalifornische Chaotentruppe gewinnt sogar sieben Grammys und wird 2012 in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen. Den Grundstein für diesen Siegeszug haben sie mit Blood Sugar Sex Magik gelegt.


Zeitsprung: Am 10.8.1984 veröffentlichen die Red Hot Chili Peppers ihr Debüt.

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Popkultur

Zeitsprung: Am 23.9.1930 wird der Hohepriester des Soul geboren: Ray Charles.

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Ray Charles
Ray Charles auf der Bühne, 1988 - Foto: Rita Barros/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 23.9.1930.

von Jana Böhm und Christof Leim

Am 23. September 1930 erblickt Raymond Charles Robinson das Licht der Welt, bis es für ihn im Alter von sieben Jahren durch eine Glaukom-Erkrankung für immer erlischt. Seine Mutter hält ihn zur Unabhängigkeit an, denn als blinder Schwarzer Mensch ist man im Amerika der Dreißiger Jahre verloren. Ray verinnerlicht die Worte seiner Mutter. Der Multiinstrumentalist wird zum Hohepriester des Soul und sein musikalischer Einfluss prägend für Blues, Country und Soul-Musik. Blicken wir auf sein beeindruckendes Leben zurück.

Hört euch hier Ray Charles’ Greatest Hits an: 

Als Raymond Charles Robinson im September 1930 in Albany, Georgia auf die Welt kommt, ist der Staat von der Rassentrennung zerfurcht. Die Schwarze Bevölkerung hat wenig Rechte und lebt in meist sehr ärmlichen Verhältnissen. Ray und seine Mutter Aretha ziehen bald nach Greenville in Florida, dort wächst er dann zusammen mit seinem jüngeren Bruder George auf. 

Das Schicksal schlägt zu

Mit Rays fünftem Lebensjahr legt sich ein Schatten über sein Leben, der bald zu tiefster Dunkelheit wird. Durch ein angeborenes Glaukom, auch Grüner Star genannt, beginnt er, sein Augenlicht zu verlieren. Im selben Jahr muss Ray hilflos mit ansehen, wie sein jüngerer Bruder George ertrinkt. Trotz der Armut und herben Schicksalsschlägen drängt seine Mutter ihn zur Selbstständigkeit, denn ihr ist sehr wohl bewusst, dass man schwarz, blind und hilflos in diesem Land kaum eine Chance hat. „Lass dich durch nichts und niemandem zu einem Krüppel machen“, impft sie ihm immer wieder ein. Mit sieben Jahren ist Ray Charles vollständig erblindet.

Die Musik gibt dem jungen Ray Charles Halt. Beim Singen von Gospels in der Kirche fühlt er sich sicher. An einem alten Klavier im Red Wing Café eröffnet ihm der Besitzer, der alte Wylie Pitman, eine neue Welt. Ray lernt schnell, selbst zu spielen. „Klavierspielen kann man lernen, aber nicht das Gefühl dafür. Das ist da oder nicht. Ich glaube, dass ich damit geboren wurde“, erzählt er Jahrzehnte später. Eine umfassende musikalische Ausbildung wird ihm an der St.-Augustine-Schule für Gehörlose und Blinde zuteil. Ray lernt, Musik zu lesen und Frederic Chopin, Ludwig van Beethoven und Johann Strauss zu spielen. Er besucht die Schule bis zum Tod seiner Mutter. Ihr Tod bringt Ray seelisch ins Wanken.

Der eigene Stil

Als er fünfzehn Jahre alt ist, verlässt der Junge die Schule. Er will professioneller Musiker werden. Zuerst macht er sich im nahegelegenen Jacksonville einen Namen, dann in Orlando, Florida. Ray gilt als ein vielseitiger Arrangeur, Pianist und Saxofonist, der neben Blues, Jazz, Boogie-Woogie und Swing auch Hillbilly drauf hat. Charles imitiert den sanften Gesang von Größen wie Nat King Cole und Charles Brown. Einen eigenen Gesangsstil entwickelt er erst über ein Jahrzehnt später.

1947 zieht Ray Charles nach Seattle, er verspricht sich bessere Karrierechancen an der Westküste. In der neuen Heimat beginnt Raymond Charles Robinson an seiner Show Business-Persönlichkeit zu feilen. Um nicht mit dem Boxer „Sugar“ Ray Robinson verwechselt zu werden, nennt er sich fortan nur Ray Charles und beginnt, stets eine schwarze Sonnenbrille zu tragen, die zu seinem Markenzeichen wird. Außerdem und viel wichtiger: Als Mitglied des Maxin Trios nimmt er seine erste Schallplatte auf. Die Single Confession Blues erreicht 1949 Platz zwei der Rhythm & Blues-Hitparade. Im selben Jahr ändert die Band ihren Namen in Ray Charles Trio und mausert sich ein Jahr später zum Ray Charles Orchestra.

Der Durchbruch

1952 erhält der aufstrebende Musiker einen Vertrag bei Atlantic Records, dem bis dato größten Rhythm & Blues-Label. Mit seiner Band findet er nun auch seinen eigenen Stil. Er wird zum Prediger der Lebenslust, auf die Melodie eines alten Gospelsongs schreibt er I’ve Got A Woman – ein Lied über die Liebe. Das kommt bei vielen schwarzen Gläubigen nicht besonders gut an, man wirft ihm sogar Gotteslästerung vor. Doch Ray Charles hat damit Erfolg, sogar die Weißen finden seine Musik gut, und das ist damals eine Seltenheit. 

Ray Charles Welthit „What’d I Say“

Mit What’d I Say landet er einen Welthit, Klassiker wie Hit The Road, Jack und I Can’t Stop Loving folgen. Ab 1955 beginnt Charles im Stile der Gospelgruppen mit weiblichen Backgroundstimmen zu experimentieren und ergänzt seine Truppe um einen Frauenchor: die Raeletts. Der eigene Stil ist gefunden: eine schroffe Stimme, ein ausdrucksstarkes Piano, hervorragende musikalische Begleitung und Frauengesang im Hintergrund.

Prediger der Lebenslust

Das Ekstatische seiner Auftritte spiegelt sich in Rays Privatleben wieder: Den vielen Frauen kann er einfach nicht widerstehen. Zwar ist Ray verheiratet und hat drei Kinder, doch mit all den Geliebten setzt er mindestens neun uneheliche Kinder in die Welt. Man kann sagen, Ray Charles genießt das Leben in vollen Zügen und ist auch Alkohol und Marihuana nicht abgeneigt. In den Fünfzigern gerät er jedoch an härteren Stoff. Heroin wird ihm zum Verhängnis und führt in den kommenden zwanzig Jahren auch mehrfach zu Verhaftungen. Ab 1970 lebt er clean.

Ray Charles wird als erster Kulturschaffender in die Georgia Music Hall Of Fame (1979) aufgenommen. Außerdem ehren ihn die Blues Hall Of Fame und die Rock And Roll Hall Of Fame geehrt. Seine musikalischen Einflüsse sind stilprägend für die Entwicklung von Rhythm And Blues, Blues, Country und Soul. 

1980 setzt der Weltstar seinem Ruhm noch einen drauf: Mit seiner Rolle im legendären Film Blues Brothers erreicht er im Jahre 1980 eine neue und junge Generation von Fans. 2004 stirbt Ray Charles in Beverly Hills. Niemand Geringeres als Frank Sinatra erweist ihm die letzte Ehre.

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Zeitsprung: Am 26.3.1944 wird Soul-Legende Diana Ross geboren.

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