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Popkultur

„Psycho‘s Path“: Das bizarre einzige Soloalbum von Sex-Pistols-Querulant Johnny Rotten

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Johnny Rotten
Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Das Ding war von Anfang an zum Rohrkrepierer verdammt: Als die einstige Punk-Ikone John Lydon 1997 seine erste (und einzige) Soloplatte Psycho‘s Path vorlegt, hat die Welt ihn praktisch vergessen. Da können auch Moby oder die Chemical Brothers nichts ändern.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch „Psycho‘s Path“ anhören:

 

1997 ist nicht mehr viel von Punk übrig. Was als Aufruhr und Waffenruf gegen das Establishment, die Politik und Monarchie begann, ist rund 20 Jahre später zur millionenschweren Industrie geworden – wenn es denn jemals mehr war als das. Green Day oder The Offspring haben Punk endgültig zur Stadionmusik gemacht, die einstigen Aufstachler und Revoluzzer aus den Siebzigern sind entweder tot, brav oder in der Versenkung verschwunden.

Krasser als die Sex Pistols

Die Figur des Johnny Rotten auch. Dessen Erfinder, Sex-Pistols-Sänger John Lydon, ist musikalisch immer schon offener als der Rest seiner Kollegen. Wo sich andere mit drei Akkorden und vier Dosenbier zufriedengeben, ist Lydon begeistert von Bands wie Van der Graaf Generator, Can oder Magma. Nur konsequent, dass Lydon nach dem unrühmlichen Ende der Sex Pistols 1978 viel vorhat. Er gründet Public Image Ltd, eine kompromisslose Anti-Rock-Band, die subversiver, anarchischer und krasser war als es doch letztlich doch relativ handzahmen Sex Pistols jemals waren.

Er arbeitet mit Afrika Bambaataa, versucht sich als Schauspieler, verprasst seine Tantiemen. In den frühen Neunzigern kommt er an eine Wasserscheide in seinem Leben. Seine erste Autobiografie

No Irish, No Blacks, No Dogs erscheint 1993 und beschließt ganz offiziell eine Ära, die ersten 20 Jahre seines Schaffens. „Ich habe keine Zeit für Lügen oder Märchen, und ihr auch nicht. Habt Spaß daran oder sterbt“, so macht er damals Lust auf die Lektüre.

Gesungen durch Klopapier

Viel wichtiger ist aber: Der Weg ist endlich frei für sein Soloalbum Psycho‘s Path. Mit dem will er es allen zeigen. Er verzichtet bewusst auf eine Band, schreibt alle Songs selbst und spielt das Album komplett im Alleingang ein – eine krude, aber bisweilen faszinierende Mischung aus Rock, Dance und Avantgarde. Verstehen muss man das nicht, aber: Die Nummer Sun singt er durch eine Rolle Klopapier ein. Ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung glattgebügelte Produktionen? Oder eine versteckte Botschaft, was er von all dem hält, was er hier gerade fabriziert? Man weiß es nicht.

Auf dem Album befindet sich mit Open Up auch ein Song von Leftfield, auf dem Lydon als Sänger in Erscheinung tritt. Die Nummer ist in den USA und Großbritannien ein großer Hit, die Kritik preist den Sex-Pistols-Sänger für seine Performance. Lydon und sein Label müssen recht wenig Hoffnung in seine erste Soloplatte gesteckt haben, wenn sie eine vier Jahre alte Nummer draufpacken, um wenigstens einen Hit im Angebot zu haben.

Das Album wird zum Desaster

In der Tat wird Psycho‘s Path zum Desaster an gleich mehreren Levels: Trotz mehrerer Remixe von den Chemical Brothers oder Moby, die dem Album ein wenig Auftrieb verleihen sollen, rühren Virgin Records keinen Finger in Sachen Promotion. Das Album bleibt weitgehend unbemerkt, eine Tournee dazu wird sogar nach einigen Dates von einem schäumenden John Lydon abgebrochen: Kaum jemand tauchte bei den Shows auf.

Die Frustration über diesen Rohrkrepierer ist so groß, dass ein zweites, vollständig aufgenommenes Soloalbum gar nicht erst erscheint. Der erhoffte Befreiungsschlag, die Rekognition als ernstzunehmender Songwriter, Sänger und Multiinstrumentalist bleibt aus. Lydon, auf ewig der trockene Zyniker, macht seinen Frieden damit und tritt 2008 in einem Werbespot für Country-Life-Butter auf. Es gibt mehr Honorar dafür als für seine Soloplatte. Punk, so kann man dann so langsam wirklich sagen, is dead.

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