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Popkultur

Rap-Rock-Pionier und Krabbeltier-Enthusiast: 5 Dinge, die ihr über John Lydon noch nicht wusstet

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John Lydon
Foto: Amanda Edwards/WireImage/Getty Images

John Lydon alias Johnny Rotten von den Sex Pistols und PiL hat sich über die Jahrzehnte ganz schön verändert. Stand der Brite in den Siebzigern und Achtzigern noch für Aufruhr und Rebellion, hat er sich heute im konservativen Lager eingerichtet. Einen auf Punk macht er trotzdem noch — im Dschungel-Camp zum Beispiel.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Psycho’s Path von John Lydon anhören:

1. Als Kind verbrachte er ein ganzes Jahr im Krankenhaus.

Mit gerade einmal sieben Jahren wird John Joseph Lydon eine Meningitis diagnostiziert, die ihm einen einjährigen Aufenthalt im Krankenhaus einbrockt. Behandelt wird er im St. Ann’s Hospital in London. Während seiner Zeit dort leidet er nicht nur unter Halluzinationen, sondern auch an Übelkeit, Kopfschmerzen und komatösen Zuständen. Immer wieder entnimmt das Krankenhauspersonal mit langen Nadeln Flüssigkeit aus seiner Wirbelsäule, weshalb sie heute verkrümmt ist. Im Anschluss an die Behandlungen leidet er ganze vier Jahre lang an Gedächtnisverlust. Außerdem sorgt die Krankheit für seinen legendären „Lydon stare“, also für das berühmte Starren, das ihn seine ganze Karriere lang begleitet. Im Nachhinein ordnet er die Behandlung seiner Meningitis folgendermaßen ein: „Das war der erste Schritt auf meinem Weg Richtung ‚Rotten‘.“

2. Seinen Job als Sänger der Sex Pistols bekam er vor allem wegen seiner rebellischen Persönlichkeit und seinem extravaganten Kleidungsstil.

1975 hängt Lydon oft in einem Geschäft für Fetischkleidung rum. Dessen Inhaber Malcolm McLaren beginnt zu jeber Zeit damit, eine neu gegründete Band zu promoten, die wir alle kennen: die Sex Pistols. McLaren mag Lydons orangefarbene Haare und seinen Kleidungsstil. So trägt der junge Brite zum Beispiel ein Pink-Floyd-Shirt, bei dem er die Augen der Bandmitglieder ausgeschnitten und die Aufschrift „Pink Floyd“ um ein „I Hate“ ergänzt hat. Als Feuerprobe singt Lydon eine etwas misslungene Version des Alice-Cooper-Songs I’m Eighteen. Fortan gehört er als Frontmann zu den Sex Pistols.

3. Er hat 1984 einen der ersten Rap-Rock-Songs aufgenommen — gemeinsam mit Hip-Hop-Legende Afrika Bambaataa.

Beinahe zehn Jahre später sind die Sex Pistols Geschichte und Lydon beschäftigt sich schon lange mit seiner Post-Punk-Truppe Public Image Ltd. Während dieser Zeit entsteht auch die Single World Destruction, eine Kollaboration mit Rap-Urgestein Afrika Bambaataa sowie Produzent und Bassist Bill Laswell. Dabei handelt es sich um eines der ersten Rock-Rap-Projekte der Musikgeschichte, denn 1984 nimmt die Verzahnung der beiden vermeintlich gegensätzlichen Genres gerade erst so richtig Fahrt auf.

Afrika Bambaataa kommentiert die Zusammenarbeit mit Lydon mit den Worten: „Ich habe mich damals mit Bill Laswell unterhalten und sagte zu ihm, dass ich jemanden suche, der so richtig verrückt ist. Also kam er mit John Lydon um die Ecke. Ich wusste sofort, dass er perfekt ist, weil ich diesen Film mit ihm gesehen hatte [Copkiller, Anm. d. A.] und alles von den Sex Pistols und von Public Image Ltd kannte. Also trafen wir uns und nahmen eine völlig abgedrehte Version auf und noch eine, in der er die Queen auf’s Übelste beleidigte. Die wurde aber nie veröffentlicht.“ Auch Lydon selbst hat gute Erinnerungen an die Zusammenarbeit: „Wir gingen ins Studio, programmierten einen Drumbeat und hatten nach etwa viereinhalb Stunden alles erledigt. Es ging sehr, sehr schnell.“

4. 2004 nahm er an der britischen Version von Ich bin ein Star — Holt mich hier raus! teil.

Dass der australische Dschungel nicht nur die giftigsten Tiere der Welt, sondern auch das letzte bisschen Würde zahlreicher in die Jahre gekommener Stars beherbergt, wissen wir auch in Deutschland. Erfunden wurde das Format Ich bin ein Star — Holt mich hier raus! allerdings im stets geschmackssicheren Großbritannien. 2004 hat sich John Lydons Bekanntheitsgrad drastisch verringert, weshalb auch er die Reise ins Camp der kaputten Karrieren antritt. Dort schlägt er sich mit allerlei Ungeziefer, metertiefen Fallgruben und stinkigen Vogelstraußen herum. Autsch.

Die Zuschauer*innen des Formats bezeichnet er charmant als „verdammte Fotzen“; beim Sender ITV gehen allerdings nur 91 Beschwerden über Lydons Fäkalsprache ein. Ein Trauerspiel: Im 21. Jahrhundert gelingt es Lydon noch nicht einmal mehr, Englands Omis zu schocken. Im Anschluss an seine Zeit im Dschungel-Camp moderiert die ehemalige Sexpistole die Sendung John Lydon’s Megabugs im Discovery Channel, wo er unterschiedliche Insekten und Spinnen vorstellt. Naturwissenschaftlich begabtere Vertreter*innen bescheinigen ihm allerdings eher einen gesunden Enthusiasmus denn einen ausgeprägten Sachverstand. Später sucht er in John Lydon Goes Ape Gorillas in Afrika und schwimmt in John Lydon’s Shark Attack mit Haifischen.

5. Früher war er ein Punk — heute kritisiert er die gleichgeschlechtliche Ehe, spricht sich für den Brexit aus und stimmt für Trump.

Spätestens seit 2005 fällt Lydon in der Öffentlichkeit nicht nur als Dschungel-Camper und Experte für die Tierwelt auf, sondern auch durch politische Aussagen, die so gar nicht zu seiner Punk-Vergangenheit zu  passen scheinen. So äußert er in der religiösen BBC-Sendung The Heaven And Earth Show: „Ich mag es nicht, wenn Eltern alleinerziehend sind. Das ist hart für die Kinder. Ihnen fehlt beim Aufwachsen etwas. Das Gleiche denke ich über gleichgeschlechtliche Ehen; da fehlt was. Es gibt einen Grund dafür, dass es männlich und weiblich gibt — und für die Entwicklung eines Kindes braucht es beide Seiten.“

Was den Brexit betrifft, ändert der Engländer seine Meinung von extremer Ablehnung zu Befürwortung. So erklärt er im Juni 2016 noch, dass der Brexit „verrückt und selbstmörderisch“ sei. Im März 2017 schwenkt er um zu: „Nun, los geht’s. Die Arbeiterklasse hat gesprochen und ich gehöre zu ihnen und halte zu ihnen.“

Einen ähnlichen Sinneswandel vollzieht er beim Thema Donald Trump. Zu Beginn nimmt Lydon dessen Wählerschaft noch nicht ernst und bezeichnet sie als „hasserfüllt und ignorant“. 2017 findet er ganz andere Worte: „Mir ist jeder recht, der die abgestumpfte Politikwelt aufmischt.“ 2018 wird Lydon schließlich mit einem „Make America Great Again“-T-Shirt fotografiert, bevor er im Oktober 2020 stolz erklärt: „Natürlich wähle ich Trump.“ Punk’s not dead? Offenbar doch.

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