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Popkultur

Interview mit Public Enemy: „Wenn Trump wiedergewählt wird, stürzen wir in den Faschismus“

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Foto: Eitan Miskevich

Nach 22 Jahren sind Public Enemy zurück im Schoß ihres ersten Labels Def Jam. Wie 1987, als sie der Hip-Hop-Welt mit Yo! Bum Rush The Show einen frühen Meilenstein bescherten, melden sie sich jetzt mit What You Gonna Do When The Grid Goes Down? bei ihrer alten Wirkungsstätte zurück. Nicht nur der Titel ist so ikonisch lang wie sich das bei dem New Yorker Urgestein gehört; auch Sound, Inhalt und Attitüde sind so zornig, entschlossen und markant wie vor 30 Jahren. Und Chuck D, der erweist sich im Interview immer noch als großer Rap-Philosoph, als Stein in der Brandung einer extrem schnelllebigen Szene.

von Björn Springorum

Public Enemy gelten als wichtigste und eine der einflussreichsten Hip-Hop-Combos der Welt. Was bedeutet dir dieser Status?

Er bedeutet mir viel, ist für mich aber viel eher Grund genug, meine Stimme noch weiter zu verbreiten. Ich will weiterkommen, ich will, dass noch mehr Leute mitbekommen, was da draußen läuft. Es gibt einige Menschen, die der ganzen Welt die Augen öffnen konnten. Und da rede ich so von der Stufe Bob Marley oder Bob Dylan. Das meine ich.

Du bist diesen August 60 geworden. Hättet ihr es 1985, als ihr Public Enemy gegründet habt, denn überhaupt für möglich gehalten, dass man mit dieser Musik so alt werden kann?

Natürlich. Wenn ich mich einer Sache verschreibe, dann tue ich das mit vollem Einsatz. Zu jedem Preis. Wer etwas aufbauen will, muss bereit sein, Grenzen einzureißen und Neuland zu betreten. Das war ich. Und das bin ich.

Als ich anfing, waren Ray Charles oder Jerry Lee Lewis in genau dem Alter, in dem ich jetzt bin.

Dennoch war Hip-Hop so jung, dass es ja noch gar keine Präzedenzfälle gab…

Schau mal, als ich mit der Musik anfing, waren Ray Charles oder Jerry Lee Lewis in genau dem Alter, in dem ich jetzt bin. Ich schaute mir ihre Geschichte an, ihren Weg, und konnte daraus meine eigene Perspektive ableiten.Wenn die das konnten, sagte ich mir, dann kann ich das auch.

Heute sind Hip-Hop und Rap längst keine subversiven Gegenkulturen mehr, sondern millionenschwere Industrien. Kannst du dem auch was Gutes abgewinnen?

Die größte Errungenschaft ist, dass Hip-Hop mittlerweile international anerkannt ist. Das gab uns in den USA deutlich mehr Sichtbarkeit. Und somit auch eine ganz neue Hoffnung, dass unsere Stimmen gehört werden. Hip-Hop mag ja als Jugendkultur, als Gegenkultur gestartet sein, aber die Menschen werden nun mal älter. Und somit auch der Hip-Hop. Diese Kunstform ist längst Teil einer gewaltigen Evolution. Und das ist gut, denn deswegen konnte sie größer werden und überleben.

Du hast mal gesagt, die Beziehung zwischen Plattenboss und Künstler sei nichts anderes als die zwischen Besitzer und Sklave. Ist das besser geworden seit viele Künstler ihre Musik auch ohne die Hilfe großer Konzerne verbreiten können?

Das Gleichgewicht hat sich erfreulicherweise verlagert. Heute muss sich niemand mehr in dieses Abhängigkeitsverhältnis stürzen. Dennoch gibt es immer noch einige, die genau das suchen. Sie wollen möglichst weltweit gehört werden und von ihrer Musik leben. Das ist natürlich deutlich mehr Arbeit, wenn man alles allein macht. Aber wer hat schon die Zeit oder die Energie, sich um all diese Jobs zu kümmern, die bei einer internationalen Karriere wichtig sind?

Deswegen eure Rückkehr zu eurem ersten Label Def Jam nach 22 Jahren?

Das war uns allen sehr wichtig. Ich bin ein großer Fan von Unabhängigkeit, aber diese Band – und auch dieses Album – sind einfach zu wichtig, als dass wir irgendetwas aufs Spiel setzen wollen. Wir wollten wieder zu einem Major-Label, also war es von Anfang an klar, dass es nur Def Jam sein konnte. Mit ihnen fing alles an, sie öffneten uns die Türen zu dem, wo wir heute stehen. Das wollten wir würdigen.

Nichts, aber auch gar nichts auf dieser Welt rechtfertigt einen Mord.

In der Nummer Rest In Beats würdigt ihr auf dem Album auch zahlreiche verstorbene Hip-Hop-Größen. Was ist das für ein Gefühl, sie alle überlebt zu haben?

Das ist wirklich bittersüß, Mann. Wenn du als Künstler älter wirst, siehst du dich um und bemerkst, dass mehr und mehr von deinen gleichaltrigen Kolleginnen und Kollegen einfach verschwinden. Darum geht es in diesem Stück – um eine Realität, die vor niemandem halt macht, aber manche früher einholt als andere.

Viele dieser Rapper starben zudem an nicht natürlichen Todesursachen.

Das ist ja das Schlimme. Es ist immer tragisch, wenn ein Mensch stirbt, aber all diese sinnlosen Tode vieler Freunde sind einfach nur schrecklich. Nichts, aber auch gar nichts auf dieser Welt rechtfertigt einen Mord. Ganz gleich, an wem.

Auch gegen Polizeigewalt rappen Public Enemy seit 35 Jahren an. Auf den ersten Blick hat sich seit damals aber erschreckend wenig getan. Ist das frustrierend?

Natürlich ist das frustrierend. Aber man muss lernen, dass das Leben so nicht funktioniert. Der größte Unterschied zwischen 1990 und heute ist, dass nicht mehr dieselben Leute auf der Welt sind. Wir müssen also gegen systeminhärente Probleme vorgehen, und da gibt es heute schon ganz andere Bestrebungen als damals. Allein in den letzten 30 Jahren sind so viele Menschen gestorben und geboren worden, dass sich automatisch etwas geändert hat. Aber diese Veränderung passiert nicht über Nacht und auch nicht innerhalb von 30 Jahren. Sie dauert so lang, wie sie eben dauert.

Ist es als Afroamerikaner mittlerweile einfacher, in den USA zu leben?

Verallgemeinern kann man in diesen Dingen nichts, es sind alles Einzelfälle. Was mir aber auffällt, ist, dass sich die Schwarze Gemeinschaft in den USA mittlerweile deutlich besser mit dem Rest der Welt vernetzt hat. Das hat etwas getan.

Man könnte aber meinen, dass ihr das anders seht: Mit Fight The Power habt ihr eure Widerstandshymne von 1989 neu aufgenommen. Sie ist so brandaktuell, sie hätte gestern geschrieben werden können.

Es mag für uns lange her sein, dass wir die Nummer geschrieben haben, doch gemessen an der Kulturgeschichte ist das doch nur ein Wimpernschlag. Wir reden da von vielen hundert oder gar tausend Jahren. Da können ein paar Jahrzehnte nicht viel ausrichten. Der Wandel wird kommen. Aber es wird nicht schnell gehen. Deswegen ist Fight The Power immer noch gültig.

Es ist Alarmstufe rot hier in den USA.

Auch im Hinblick auf die anstehenden Wahlen in den USA?

Mann, klar. Wir leben im Notstand. Amerika steht am Abgrund. Es ist Alarmstufe rot hier in den USA. Jetzt müssen wir zeigen, auf welcher Seite wir stehen. Und wenn Trump wiedergewählt wird, stürzen wir in den Faschismus.

Wird die Black Lives Matter-Bewegung ausreichen, um einen Wandel herbeizuführen?

Diese Bewegung ist extrem wichtig. Es ist aber noch wichtiger, dass es nicht dabei bleibt. Es gibt so viele andere Bewegungen da draußen, die alle dasselbe Ziel verfolgen. Wir müssen uns als großes Kollektiv zusammentun, dann hört man uns. Der Einzelne hat keine Stimme, die laut genug ist.

Dein Kumpel Ice-T hat seine ganz eigenen Gedanken zu diesem Thema im Body-Count-Song No Lives Matter zusammengefasst. Was hältst du davon?

Ich sage nur so viel: Was auch immer Ice-T macht, ist genial.

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