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Popkultur

Quadrophenia – Die geteilte Persönlichkeit

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Quadrophenia erschien 1973 als sechstes Studioalbum von The Who, der vielleicht erfolgreichsten Band der „British Invasion“ und der Mod-Bewegung der 60er Jahre. Songwriter und kreativer Kopf Pete Townshend verwirklichte damit zum zweiten Mal seine Idee des Konzeptalbums, nachdem Vorgänger Tommy zu einem unvergleichlichen kommerziellen Erfolg geworden war. Das Album, einige Jahre später von Franc Roddam verfilmt, gab einer ganzen Subkultur und deren Suche nach Zugehörigkeit eine Stimme.

 
Quadrophenia – live in London – 2013

 

Mods oder Modernists nannten sich seit den späten 50er Jahren Jugendliche, die der Londoner Arbeiterklasse entstammten und in ihrer Freizeit die Abgrenzung vom verstaubten und konservativen Alltag ihrer Elternhäuser suchten. Extravagante und teure Kleidung wie maßgeschneiderte Anzüge, ein äußerst apartes Äußeres und ein überhebliches und teils aggressives Auftreten, waren Merkmale der Bewegung und sollten die oft ärmliche Herkunft verschleiern. Grüne Parkas und ikonische Motorroller, die in Scharen vor den Londoner Clubs zu sehen waren, gehörten genauso zum Selbstbild wie die hasserfüllte Rivalität zu den Rockern, einer anderen Jugendkultur der Zeit.

Quadrophenia erzählt die Geschichte des fiktiven Londoner Jugendlichen Jimmy, der sich von seiner Familie und der Gesellschaft missverstanden fühlt und deshalb Teil der Mod-Bewegung wird, in der er sein Ideal der Selbstbestimmung verwirklicht sieht („The Real Me“). Er versucht verzweifelt, ein perfekter Mod zu werden und sich anzupassen („Cut My Hair“), wird sich dabei aber seiner besonderen Persönlichkeitsstörung bewusst, die der Platte ihren außergewöhnlichen Namen gibt: Quadrophenia ist abgeleitet vom englischen „Schizophrenia“ und bezeichnet die psychische Störung Jimmys, der vier unterschiedliche Persönlichkeiten in sich trägt. Diese symbolisieren wiederum die vier Musiker von The Who, von denen jedem ein Song auf dem Album gewidmet ist: Leader Pete Townshend zeigt sich im epischen „Love Reign O’er Me“, Gitarrist Roger Daltrey ist der „Helpless Dancer“, Drummer Keith Moon macht den „Bell Boy“ und Bassist John Entwistle fragt „Is It Me?“. Im 1979 veröffentlichten Film äußert sich Jimmys mentale Störung deutlich in exzessivem Drogenkonsum, langen Partynächten, halsbrecherischen Selbstdarstellungen, epileptischen Tanzstilen, cholerischen Ausbrüchen oder leidenschaftlichen Liebeserklärungen.

 
The Real Me – live in London – 2013

 

Die Mods orientierten sich zunächst an afroamerikanischen Musikstilen wie Jazz, Rhythm & Blues und Soul, die durch US-Soldaten nach London gebracht wurden. Auch britische Bands der Beatmusik wie die Rolling Stones spielten teilweise in den von Mods bevorzugten Clubs, allerdings waren es erst Gruppen wie „The Kinks“, „The Small Faces“ oder „The Who“, die sich aus der Mod-Bewegung entwickelten und Rock und Beat mit R&B und Soul verbanden und den einzigartigen Soundtrack zur Mod-Bewegung lieferten. Es entstanden neue Musikstile, mit denen sich die britischen Jugendlichen auf ganz authentische Weise identifizierten.

1964 gegründet, avancierte The Who schnell zu einer der einflussreichsten Rockbands ihrer Zeit, die es selbst mit dem Erfolg der Rolling Stones aufnehmen konnten. Sie näherten sich ganz bewusst der Mod-Kultur an und wurden zur Stimme der Jugendlichen, die ihre Lebensentwürfe und Sehnsüchte in den Texten der Band wiederfanden. So ist ihr Song „My Generation“ nicht weniger als der Ausdruck der Jugendrebellion gegen das Establishment und wurde mit dem berühmten Stotter-Gesang Roger Daltreys zur Hymne der Mods. Bezeichnet man The Whos Musik jedoch als Rock greift man sicher viel zu kurz. Vielmehr sprengten sie die Grenzen des Konventionellen mit Townshends wildem Gitarrenspiel (aka Windmill Motion), Daltreys unverwechselbar kraftvollem Gesang, Entwistles hyperaktiven Bassläufen und Moons virtuosem und oftmals aggressivem Drumming. Townshend bezeichnete ihren Stil einmal als „Maximum Rhythm and Blues“ und zeigte damit deutlich, wie hoch die Latte ihres eigenen Anspruchs lag.

Auch wenn Quadrophenia kein großer kommerzieller Erfolg war, so kann es doch als künstlerisch anspruchsvollstes und prägendstes Werk der Band gesehen werden. Pete Townshend jedenfalls findet: „The music is the best music that I’ve ever written, I think, and it’s the best album that I will ever write. We never really ever made a truly great album again.”

 
Sea and Sand – live in London – 2013

 

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