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Popkultur

Rory Gallaghers Neffe Daniel im Interview: „Rory war ein riesiger Guns N’Roses-Fan“

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Rory Gallagher
Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Als der große Rory Gallagher 1995 stirbt, ist sein Neffe Daniel gerade mal 13 Jahre alt. Dennoch spielte er Fußball mit seinem berühmten Onkel, besuchte seine Konzerte oder ließ sich Gitarre von ihm beibringen. Zur fulminanten und definitiven Neuauflage anlässlich des 50. Geburtstags seines Solo-Debüts Rory Gallagher blickt Daniel zurück auf ein besonderes Leben und berichtet von seiner Arbeit als Gallagher-Archivar.

 von Björn Springorum

Was ist deine früheste Erinnerung an Rory?

Er war viel bei uns, als ich aufwuchs. Er wohnte nicht weit von meinen Eltern entfernt, vielleicht 15 Minuten zu Fuß oder so. Wenn er und mein Vater nicht auf Tour waren, kam er eigentlich jeden Sonntagmittag zu uns zum Sunday Roast. Danach würden er und mein Dad Fußball schauen oder in den Pub gehen. Manchmal spielten wir auch Fußball.

Du sahst ihn also regelmäßig, obwohl er so viel unterwegs war?

Ja, ich weiß, dass ihm das wichtig war. Aber natürlich waren er und mein Dad oft weg. Irgendwann gingen sie auf Tournee in Japan und Australien, das muss so um 1990 oder 1991 gewesen sein. Mir kam es vor, als wären sie jahrelang weg mgewesen. (lacht) Dafür gab es auch immer die tollsten und wundersamsten Mitbringsel von all ihren Reisen.

War dir denn damals schon klar, wie berühmt er eigentlich war?

Nicht als ich jünger war. Mein Schulweg führte an seiner Wohnung vorbei und ich klingelte auf dem Heimweg öfter mal bei ihm, um mal zu schauen, ob er zuhause war. Ich ließ mir dann gern was auf der Gitarre von ihm zeigen – noch ohne zu wissen, wie besonders das eigentlich war, dass ich als Schulkind einfach mal so bei Rory Gallagher klingen konnte.

Du warst also schon als Schulkind an Musik interessiert?

Oh ja. Das Witzige war, dass wir uns über eine gemeinsame Lieblingsband näherkamen.

Welche war das?

Guns N’Roses. Rory war ein riesiger Guns N’Roses-Fan, ebenso wie ich. Als er 1991 durch die USA tourte und Slash bei seinem Konzert im Roxy zu ihm auf die Bühne kam, war das nicht nur für ihn ein Highlight: Als mir mein Vater die Fotos dieses Auftritts zeigte, war ich vollkommen von den Socken. Wir redeten ständig über Slash und Izzy und er kaufte mir bald darauf sogar meine erste Gitarre. Das erste, das er mir darauf beibrachte, war Bruder Jakob. Nicht unbedingt das, was man von einem Blues-Rock-Typen erwartet.

Hast du diese Gitarre noch?

Wenn sie mein kleiner Bruder nicht zertrümmert hat, müsste die noch irgendwo sein.

Wie wirst du dich an Rory erinnern?

Ich werde nie vergessen, wie ich ihn das erste Mal live sah. Das war 1987 und mein Vater lud uns einfach in ein Auto ohne uns zu sagen, wohin wir fuhren. Wir gingen durchs Backstage an den Bühnenrand und sahen plötzlich Rory, wie er da vorn auf der Bühne stand und sein Ding durchzog. Als er uns sah, hüpfte er plötzlich auf einem Bein auf uns zu und imitierte mit seiner Gitarre ein Maschinengewehr. Dieser Moment, wie er sich vom Publikum wegdrehte und mich und meinen Bruder anstrahlte… das war Rory! Er liebte sein Publikum über alles, aber Familie war ihm noch wichtiger.

Was für ein Mensch war er?

Ich war 13, als er uns verließ, aber was ich sagen kann, ist, dass er ein außergewöhnlich großzügiger, sanfter Mensch war. Ein Gentleman, ruhig und mit guten Manieren, der immer lieber gab als zu empfangen. Er hatte Geduld mit allen und allem – selbst mit mir, einem frechen lauten Jungen, der einfach ständig bei ihm klingelte, aber auch mit allen Menschen, mit denen er im Business oder on the road zu tun hatte. Er war sehr ruhig, sehr still. Bis er auf die Bühne ging.

Heute verwaltest du seinen Nachlass. Wie kam es dazu?

Mein Vater regelte Rorys Angelegenheiten, war schon zu Taste-Zeiten sein Manager wie auch sein Tour-Manager. Über die Jahre übernahm mein Vater immer mehr Aufgaben, bis er am Ende praktisch Rorys Label führte. 2005 begann ich, meinem Vater bei dieser Label-Arbeit zu helfen, insbesondere beim Kompilieren von Neuauflagen. Damit verbringe ich heute den Großteil meiner Zeit.

Was bedeutet dir die Pflege dieses Erbes?

Einerseits macht es mich sehr stolz, andererseits erstaunt es mich immer wieder, wie viele Menschen mein Onkel heute noch fesselt. Mittlerweile hat eine vollkommen andere Generation von Gitarrist*innen seine Musik für sich entdeckt, und es wird wahrscheinlich auch nicht die letzte sein. Das haut mich um!

Gutes Stichwort: Jetzt wurde Rory Gallaghers legendäres Debüt neu aufgelegt – rechtzeitig zum 50. Geburtstag. Was bedeutet dir dieses Album?

Ich habe es erst relativ spät für mich entdeckt, obwohl es ja Rorys erstes war. Wenn man erst seine späteren Sachen kennt, ist man überrascht, wie sanft er hier spielt. Es sind so viele umwerfende Stücke auf diesem Album, angehaucht von Folk und Jazz, die aber zugleich so weit von dem erst kurz zuvor erschienenen Taste-Album On The Boards entfernt waren, dass er mit seinem ersten Soloalbum sicherlich nicht wenige verschreckt hat. (lacht)

Und dann dieses Cover. Rory lächelt wie eine Art Mona Lisa des Blues und man würde doch zu gerne wissen, was er gerade denkt, oder?

Sehe ich genauso! Für die Neuauflage habe ich wie ein Besessener nach weiteren Bildern von dieser Session gesucht. Es gibt nur das Cover, nichts sonst. Es kann doch nicht sein, dass es nur dieses eine Bild mit seinem feinen Lächeln gibt. Und nichts anderes! Uns fehlt komplett der Kontext.

Aber natürlich macht es das auch geheimnisvoll.

Klar. Cameron Crowe erzählte mir mal, dass er dieses Album nur aus der Plattensammlung seiner Schwester gezogen hat, weil er das Cover so genial fand. Vielleicht muss es also so sein.

Hast du einen Lieblingssong?

Es könnte I Fall Apart sein. Die Nummer wurde schon mal zu einem der schönsten irischen Liebeslieder ernannt. Und ich denke, ich weiß, warum.

Wie fühlt es sich an, in den Archiven von Rory Gallagher zu graben und zu forschen?

Es ist immer eine Schatzsuche. Manchmal schnappe ich etwas auf, höre etwas, und suche dann gezielt danach. Manchmal stößt man aber auch ganz überraschend auf etwas. Früher war alles recht chaotisch, mit ungeordneten Boxen voller handgeschriebener Zettelchen. 2017 haben wir das gesamte Archiv zu Universal nach London verlegt und es endlich mal anständig archiviert und katalogisiert – alle 1100 Boxen mit Tapes! Das bedeutete die eine oder andere Nachtschicht, macht es uns jetzt aber natürlich leichter, wenn wir beispielsweise Material von seiner San-Diego-Show 1974 suchen. Es ist, sagen wir, professioneller.

Was war die Vision hinter der Neuauflage seines Debüts? Welchen Rory wolltet ihr der Welt zeigen?

Wenn ein Rory-Album diese Behandlung verdient, dann ist es sein Debüt. Wir wollten bewusst keine Mühen scheuen, um das Beste herauszuholen: Ein neuer Mix, basierend auf den original Tapes gehört da natürlich dazu. Und ein Boxset, das die Geschichte rund um dieses Album vollständig und in aller gebührenden Tiefe erzählt. Auf den Tapes fanden wir so viele Goldschätze, die wir jetzt endlich mal zeigen können. Umwerfende alternative Takes bei denen man sich fragt, warum sie es nicht auf das Album geschafft haben, aber auch das Material von seinem allerersten Soloauftritt. Jetzt kommt alles zusammen, was es über dieses Album zu erzählen, zu zeigen und zu hören gibt. Diese Edition zeigt seine Gedankengänge und seine Visionen auf. Ich könnte nicht zufriedener damit sein.


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