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Popkultur

Slipknot: Von Masken-Weirdos zu globalen Superstars

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Steve Brown/Photoshot/Getty Images

Manche Geschichten funktionieren nur im Heavy Metal. Wie die von Slipknot, die von kauzigen Außenseitern in verstörenden Masken zu einer der größten Bands der harten Musik wurden. Jetzt erscheint ihr sechstes Album We Are Not Your Kind. Und in diesem Titel, findet unser Autor, steckt der Schlüssel zum Slipknot-Erfolgsgeheimnis.

von Björn Springorum

Vor genau 20 Jahren detonierten Slipknot mit der Wucht eines Meteoriten in der Metal-Szene. Für die meisten tauchte diese Kapelle aus dem Nichts auf, der böse Nachtmahr einer Band, die sich hinter verstörenden Masken versteckte und einen bis dato ungehörten, wuchtigen, chaotischen Sound entfesselte – eine Legierung aus Thrash, Nu Metal, Industrial, markanten Percussions und manischem Gesang. Schon ihr Debüt Slipknot brachte sie auf die renommierte Ozzfest-Tour, sprang auf dem Stand hoch in die US-amerikanischen Charts und wurde in den Staaten mittlerweile mit Doppelplatin ausgezeichnet.

Hört hier We Are not Your Kind während ihr weiter lest:

Grenzwertige Texte, psychotische Live-Shows, ein allumfassendes Mysterium um die Bandmitglieder und diese furchteinflößenden Masken – Amerika hatte über Nacht einen brandneuen Albtraum serviert bekommen. Doch was für die meisten so wirkte wie eine stürmische Erfolgsgeschichte, brütete in Wirklichkeit viele Jahre in den tiefen Schatten Iowas. Und sah bis zuletzt eigentlich nicht besonders erfolgversprechend aus.

Die Anfänge von Slipknot reichen deutlich weiter zurück als 1996 erschienene Demo Mate. Feed. Kill. Repeat. Gitarrist Jim Root spielte damals bei einer Band namens Atomic Opera, Originalschlagzeuger Joey Jordison prügelte bei Modifidious die Felle in Grund und Boden. Perkussionist Shan „Crown“ Crahan trommelte bei Heads On The Wall und Paul Gray spielte Bass bei Vexx. Schon mal was von denen gehört? Eben. Aus all diesen lokalen Bands aus Des Moines wurde nichts. Doch man kannte sich, hing miteinander ab, jammte. Bei einer dieser Jam-Sessions nahmen Crahan und Gray einen Song namens Slipknot auf. Es sollte jedoch noch eine ganze Weile dauern, bis aus diesem nach einem Henkersknoten benannten Stück eine der größten Metal-Bands unserer Zeit wurde.

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Die Stimme der Outsider

Davor gründeten Crahan und Gray mit Pale Ones nämlich erst mal eine weitere Band, gefühlt die zwanzigste, seit sie das erste Mal ein Instrument in die Hand nehmen. Sie holten sich Jordison, um den Drum-Sound vielfältiger zu gestalten, luden noch ein paar Kumpels ein und nannten sich erst mal Meld. Wirklich entschlussfreudig schien man damals in Iowa allerdings nicht zu sein: Gray, Crahan und Jordison schlugen sich viele Nächte in einer Tanke um die Ohren, in der Jordison nachts arbeitete (oh, dieser Glamour!). Hier träumten sie vom Durchbruch, hier überlegten sie sich, wie sie ihre stagnierenden Karrieren voranbringen konnten. Irgendwann schlug Jordison vor, sich in Slipknot umzubenennen und doch mal ein Demo aufzunehmen. Die 40.000 Dollar für die Aufnahmen stemmten sie selbst und schafften es irgendwie, Mate. Feed. Kill. Repeat. zu Halloween 1996 rauszubringen.

Dass dieses auf 1000 Stück limitierte Demo heute ein heiß begehrtes Sammlerstück ist, zeigt den kometenhaften Aufstieg, der jetzt im neuen Album We Are Not Your Kind gipfelt. Und dieser Name allein zeigt, weshalb Slipknot zu diesem unbezwingbaren Monster werden konnten. Von Anfang an waren sie die Band der Outsider, die Stimme der Weirdos, die Vertreter all jener, die sich nicht zugehörig fühlten. Eine Band der Parias, die der Welt sehr laut und mit ausgestrecktem Mittelfinger zeigte: Wir sind nicht wie ihr. Und das ist verdammt noch mal gut so!

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Der Slipknot-Fluch

Entsprechend steil verlief ihre Karriere seit der Veröffentlichung von Slipknot vor exakt 20 Jahren: Iowa (2001), Vol. 3: (The Subliminal Verses) (2004) und All Hope Is Gone (2008) sackten mehr Edelmetall ein als in Fort Knox liegt, eine Tour nach der anderen überzog den Erdball mit dieser schäumenden, kathartischen, irrsinnigen Perversion einer Metal-Show. Leicht war das alles nicht für die neun Maskenmänner. Bereits nach den Tourneen zum zweiten Album legten sie eine Pause ein, weil sie am Ende waren (oder Geld zählen mussten), weitere sollten nach jedem neuen Studioalbum folgen.

Und dann ist da natürlich noch der Fluch, der auf dieser Band liegt. Nach dem ersten zehn Jahren voller größenwahnsinniger Dimensionen schien die Liste der Katastrophen, Schicksale und Rückschläge im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrtausend plötzlich länger zu werden als die der Erfolge. 2010 verstarb Paul Gray, 2013 schied Joey Jordison aus der Band aus, 2019 musste Perkussionist Chris Fehn gehen, erst vor wenigen Wochen kam die 22-jährige Tochter von Shawn Crahan ums Leben. Das reicht für mehr als ein Leben.

Shawn Crahan bei einer Slipknot-Show 2013. Foto: Ollie Millington/WireImage

Und dennoch sind Slipknot noch da. Die Masken mögen neu sein. Der vertonte Schmerz ist auf We Are Not Your Kind derselbe. Nach dem kathartischen Tribut an den verstorbenen Gray (.5: The Gray Chapter) ist dieses sechste Studioalbum das erste seit fünf Jahren. Und man stellt fest: Diese Band ist größer als die Summe ihrer Teile. Sie ist ein selbsttätiges Wesen, nicht dazu gedacht, den Egotrip eines Einzelnen zu erfüllen. Slipknot ist für all diejenigen, die einen Heiland brauchen, aber weder in die Kirche noch vor die Glotze wollen, um ihn zu finden. Eine Kolonie der Aussätzigen, der Unsicheren, der Verletzten, ein Jahrmarkt der Freaks. Und der ist heute vielleicht noch wichtiger als vor 20 Jahren.

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