Popkultur
Zeitsprung: Am 6.6.2004 spielen Metallica das einzige Mal ohne Lars.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 6.6.2004.
von Christof Leim
Castle Donington. Ein Name mit Gewicht unter Metal-Fans. Dort fanden die legendären Monsters Of Rock-Festivals der Achtziger statt, heutzutage passiert auf dem Gelände das nicht minder prestigeträchtige Download-Festival. Als Headliner sind 2004 Metallica angekündigt, die damals gerade mit dem kontroversen Album St. Anger um die Welt touren. Und selbst für die erfolgreichste Metal-Band der Welt bedeutet Donington mehr als ein weiterer Gig. Doch so einfach läuft es nicht: Lars Ulrich fehlt…
Hört hier in die besten Metallica-Songs rein:
Warum der Metallica-Drummer nicht spielen kann, weiß zunächst niemand. Fest steht, dass Ulrich noch nie in der damals 23-jährigen Karriere der Truppe auch nur ein einziges Konzert verpasst hat. Aber Absagen gilt nicht, Metallica ziehen durch. Die restlichen Mitglieder trommeln (haha) deshalb im Backstage-Bereich die Schlagwerker befreundeter Bands zusammen. Natürlich sind in Donington Profis am Werk, aber man stelle sich die Frage vor: „Ey, hast du Bock, vor 80.000 Leuten ein paar Songs mitzuspielen? Ohne große Probe, versteht sich, und die ganze Welt schaut zu. Na?“ Da schicken auch Veteranen heimliche Stoßgebete an die Metal-Götter.
Nur ein paar Kumpels…
Die beiden Weltklasse-Trommler Dave Lombardo von Slayer und Joey Jordison von Slipknot lassen sich davon nicht abschrecken und sagen zu. Mit einer halbstündigen Verspätung treten Frontmann James Hetfield, Gitarrist Kirk Hammett und Bassist Rob Trujillo vor die Zuschauer: „Lars ist im Krankenhaus, nichts Ernstes, hoffen wir. Aber wir sind hier, und wir wollen spielen. Ein paar Kumpels aus den anderen Bands haben ihre Hilfe angeboten. Das wird also ein besonderer Gig für uns, und für euch hoffentlich auch. Seid ihr dabei?“
Dave Lombardo beginnt und ballert die beiden Klassiker Battery und The Four Horsemen in die Sommernacht. Das funktioniert hervorragend, er hat die Songs im Kopf und zeigt, dass er zu den Allerbesten gehört. Dann übernimmt Joey Jordison: Der Mann scheint ein Fan zu sein und bei Metallica im Allgemeinen bzw. Lars im Speziellen sehr, sehr gut zugehört zu haben. Denn er trommelt den gesamten Rest des gekürzten Sets, natürlich in voller Slipknot-Maskerade. Einzige Ausnahme: Fade To Black, für das sich Ulrichs langjähriger Drumtech Flemming Larsen ans Kit setzt.
Souverän, und mit Maske
Angeblich standen noch andere Drummer zur Debatte, etwa Vinnie Paul von Pantera/Damageplan, doch Jordison absolviert diesen Ritt alleine. Der damals 29-Jährige hat die Songs drauf, darunter Gassenhauer wie Wherever I May Roam und Sad But True. Er lässt sogar gelegentlich seinen technischeren Stil einfließen und verfeinert etwa Creeping Death mit zusätzlichen Doublebass-Salven.
Später erzählt er im Talk Music Podcast: „Ich hatte nach unserer Show beim Download gerade mal meine Maske ausgezogen, als es hieß, James Hetfield wolle mich sprechen. Wir waren zwar schon zusammen auf Tour, aber das kam schon ein bisschen wie ein Schock. James fragte mich, ob ich einspringen kann. Ich bin innerlich ausgeflippt und habe sofort zugesagt. Ohne Metallica würde ich nicht spielen wie ich spiele. Wir haben uns dann in ihrem Proberaum zusammengesetzt und die Songs runtergezockt. Das war großartig, sie haben dafür gesorgt, dass ich mich wohl fühle. Später habe ich mich einfach ans Schlagzeug gesetzt, angezählt, und los ging’s. Und es lief besser als ich dachte. Vielleicht war das nicht die beste Show meines Lebens, aber es ist schon abgefahren und wunderbar, dass ich diese Gelegenheit bekommen habe. Ich bin sehr dankbar dafür.“
Hier die komplette Setlist des Abends:
Battery (mit Dave Lombardo)
The Four Horsemen (Lombardo)
For Whom The Bell Tolls (mit Joey Jordison)
Creeping Death (Jordison)
Seek And Destroy (Jordison)
Fade To Black (mit Flemming Larsen)
Wherever I May Roam (Jordison)
Last Caress (Jordison)
Sad But True (Jordison)
Nothing Else Matters (Jordison)
Enter Sandman (Jordison)
Natürlich bricht im Anschluss das obligatorische Gemecker an Ulrichs angeblich mangelnder spielerischer Kompetenz aus, eine Kritik, der übrigens sowohl Lombardo als auch Jordison deutlich widersprechen.
Alles zu viel
Aber was war denn nun los mit Lars? Der Trommler erklärt es ein paar Tage später in einem Video: Auf dem Weg nach England fühlt er sich plötzlich massiv unwohl. Später stellt sich heraus, dass der Drummer im Flugzeug eine Art Panikattacke erleidet als Folge des harten Tourplans mit Shows in Japan, Europa, Nordamerika und Australien sowie dem Ende seiner Ehe mit Skylar Satenstein, der Mutter seiner zwei Söhne.
Der damals 41-Jährige berichtet in einem anderen Interview: „Es gab in der Zeit eine Menge langer Nächte. Ich bin an diesem Sonntag in Kopenhagen aufgewacht, hatte Brunch mit 14 Cousins und anderen Verwandten und habe mich dann in den Flieger gesetzt. Ich war erschöpft. Was zur Hölle genau passiert ist, weiß ich nicht, aber auf halben Weg bin ich einfach ausgeflippt. Ich fand es beängstigend, in einer kleinen Metalldose in 10.000 Meter Höhe zu sitzen. Sowas hatte ich vorher noch nie, keine Panikattacken oder sonstige Stressreaktionen. Also sind wir in Hamburg gelandet. Im Krankenhaus hat man Bluttests gemacht und festgestellt, dass körperlich alles in Ordnung ist. Mich hat einfach mental eingeholt, was damals alles in meinem Leben abging. Das war der erste Metallica-Gig, den ich verpasst habe.“ Damit hat der Däne immer noch die beste Quote in der Band: Das andere Gründungsmitglied James Hetfield musste im Sommer 2000 schon drei Shows wegen einer Rückenverletzung aussetzen, alle anderen Mitglieder (Mustaine, McGovney, Burton, Hammett, Newsted, Trujillo) gehörten nicht von Anfang an oder nicht lange zur Mannschaft.
Damals gibt Lars ebenso zu Protokoll, sich die Aufnahmen und Berichte jenes Abends in Castle Donington nicht angeschaut zu haben: „Versucht ihr mal, in einem Krankenhaus in Deutschland zu liegen, wenn Dave Lombardo – der beste Drummer des Planeten – mit deiner Band spielt. Das ist nicht einfach. Auch bei Joey Jordison.“ Zwei Jahre später kann er aber schon wieder darüber scherzen in einem Gespräch mit der britischen Zeitschrift NME: „Ich bin gefragt worden, ob es stimmt, dass mich meine Frau mit zwei Prostituierten und einem Sack voll Kokain erwischt hat und ich deshalb nicht spielen konnte. Das stimmt aber nicht: Ich habe meine Frau mit zwei Prostituierten und Kokain erwischt und durfte nicht mitmachen!“
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Zeitsprung: Am 10.1.1985 gehen Metallica auf große US-Tour mit W.A.S.P.

Popkultur
Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.
von Christof Leim
Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.
Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:
Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.
Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“
Längt beschlossene Sache
Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“
Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.
Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.
Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.
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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.
Popkultur
„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?
Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr euch The Record anhören:
Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.
Wie einst Nirvana
Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.
Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.
Die Avengers der Indie-Welt
Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.
Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.
Musste Rick Rubin draußen bleiben?
Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.
The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.
von Christof Leim
Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.
Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.
Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry
Aus dem Stand ein Hit
Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.
Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.
Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.
Da kommt noch mehr
Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.
Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.
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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.
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