------------

Popkultur

Zeitsprung: Am 6.6.2004 spielen Metallica das einzige Mal ohne Lars.

Published on

Foto: creepin Death;  Gamerscore Blog; Krousky Peutebatre

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 6.6.2004."

von Christof Leim

Castle Donington. Ein Name mit Gewicht unter Metal-Fans. Dort fanden die legendären Monsters Of Rock-Festivals der Achtziger statt, heutzutage passiert auf dem Gelände das nicht minder prestigeträchtige Download-Festival. Als Headliner sind 2004 Metallica angekündigt, die damals gerade mit dem kontroversen Album St. Anger um die Welt touren. Und selbst für die erfolgreichste Metal-Band der Welt bedeutet Donington mehr als ein weiterer Gig. Doch so einfach läuft es nicht: Lars Ulrich fehlt…

Hört hier in die besten Metallica-Songs rein:

Warum der Metallica-Drummer nicht spielen kann, weiß zunächst niemand. Fest steht, dass Ulrich noch nie in der damals 23-jährigen Karriere der Truppe auch nur ein einziges Konzert verpasst hat. Aber Absagen gilt nicht, Metallica ziehen durch. Die restlichen Mitglieder trommeln (haha) deshalb im Backstage-Bereich die Schlagwerker befreundeter Bands zusammen. Natürlich sind in Donington Profis am Werk, aber man stelle sich die Frage vor: „Ey, hast du Bock, vor 80.000 Leuten ein paar Songs mitzuspielen? Ohne große Probe, versteht sich, und die ganze Welt schaut zu. Na?“ Da schicken auch Veteranen heimliche Stoßgebete an die Metal-Götter.

Nur ein paar Kumpels…

Die beiden Weltklasse-Trommler Dave Lombardo von Slayer und Joey Jordison von Slipknot lassen sich davon nicht abschrecken und sagen zu. Mit einer halbstündigen Verspätung treten Frontmann James Hetfield, Gitarrist Kirk Hammett und Bassist Rob Trujillo vor die Zuschauer: „Lars ist im Krankenhaus, nichts Ernstes, hoffen wir. Aber wir sind hier, und wir wollen spielen. Ein paar Kumpels aus den anderen Bands haben ihre Hilfe angeboten. Das wird also ein besonderer Gig für uns, und für euch hoffentlich auch. Seid ihr dabei?“

Dave Lombardo beginnt und ballert die beiden Klassiker Battery und The Four Horsemen in die Sommernacht. Das funktioniert hervorragend, er hat die Songs im Kopf und zeigt, dass er zu den Allerbesten gehört. Dann übernimmt Joey Jordison: Der Mann scheint ein Fan zu sein und bei Metallica im Allgemeinen bzw. Lars im Speziellen sehr, sehr gut zugehört zu haben. Denn er trommelt den gesamten Rest des gekürzten Sets, natürlich in voller Slipknot-Maskerade. Einzige Ausnahme: Fade To Blackfür das sich Ulrichs langjähriger Drumtech Flemming Larsen ans Kit setzt.

Souverän, und mit Maske

Angeblich standen noch andere Drummer zur Debatte, etwa Vinnie Paul von Pantera/Damageplan, doch Jordison absolviert diesen Ritt alleine. Der damals 29-Jährige hat die Songs drauf, darunter Gassenhauer wie Wherever I May Roam und Sad But True. Er lässt sogar gelegentlich seinen technischeren Stil einfließen und verfeinert etwa Creeping Death mit zusätzlichen Doublebass-Salven.

Später erzählt er im Talk Music Podcast: „Ich hatte nach unserer Show beim Download gerade mal meine Maske ausgezogen, als es hieß, James Hetfield wolle mich sprechen. Wir waren zwar schon zusammen auf Tour, aber das kam schon ein bisschen wie ein Schock. James fragte mich, ob ich einspringen kann. Ich bin innerlich ausgeflippt und habe sofort zugesagt. Ohne Metallica würde ich nicht spielen wie ich spiele. Wir haben uns dann in ihrem Proberaum zusammengesetzt und die Songs runtergezockt. Das war großartig, sie haben dafür gesorgt, dass ich mich wohl fühle. Später habe ich mich einfach ans Schlagzeug gesetzt, angezählt, und los ging’s. Und es lief besser als ich dachte. Vielleicht war das nicht die beste Show meines Lebens, aber es ist schon abgefahren und wunderbar, dass ich diese Gelegenheit bekommen habe. Ich bin sehr dankbar dafür.“

Hier die komplette Setlist des Abends:

Battery (mit Dave Lombardo)

The Four Horsemen (Lombardo)

For Whom The Bell Tolls (mit Joey Jordison)

Creeping Death (Jordison)

Seek And Destroy (Jordison)

Fade To Black (mit Flemming Larsen)

Wherever I May Roam (Jordison)

Last Caress (Jordison)

Sad But True (Jordison)

Nothing Else Matters (Jordison)

Enter Sandman (Jordison)

Natürlich bricht im Anschluss das obligatorische Gemecker an Ulrichs angeblich mangelnder spielerischer Kompetenz aus, eine Kritik, der übrigens sowohl Lombardo als auch Jordison deutlich widersprechen.

Alles zu viel

Aber was war denn nun los mit Lars? Der Trommler erklärt es ein paar Tage später in einem Video: Auf dem Weg nach England fühlt er sich plötzlich massiv unwohl. Später stellt sich heraus, dass der Drummer im Flugzeug eine Art Panikattacke erleidet als Folge des harten Tourplans mit Shows in Japan, Europa, Nordamerika und Australien sowie dem Ende seiner Ehe mit Skylar Satenstein, der Mutter seiner zwei Söhne.

Der damals 41-Jährige berichtet in einem anderen Interview: „Es gab in der Zeit eine Menge langer Nächte. Ich bin an diesem Sonntag in Kopenhagen aufgewacht, hatte Brunch mit 14 Cousins und anderen Verwandten und habe mich dann in den Flieger gesetzt. Ich war erschöpft. Was zur Hölle genau passiert ist, weiß ich nicht, aber auf halben Weg bin ich einfach ausgeflippt. Ich fand es beängstigend, in einer kleinen Metalldose in 10.000 Meter Höhe zu sitzen. Sowas hatte ich vorher noch nie, keine Panikattacken oder sonstige Stressreaktionen. Also sind wir in Hamburg gelandet. Im Krankenhaus hat man Bluttests gemacht und festgestellt, dass körperlich alles in Ordnung ist. Mich hat einfach mental eingeholt, was damals alles in meinem Leben abging. Das war der erste Metallica-Gig, den ich verpasst habe.“ Damit hat der Däne immer noch die beste Quote in der Band: Das andere Gründungsmitglied James Hetfield musste im Sommer 2000 schon drei Shows wegen einer Rückenverletzung aussetzen, alle anderen Mitglieder (Mustaine, McGovney, Burton, Hammett, Newsted, Trujillo) gehörten nicht von Anfang an oder nicht lange zur Mannschaft.

Damals gibt Lars ebenso zu Protokoll, sich die Aufnahmen und Berichte jenes Abends in Castle Donington nicht angeschaut zu haben: „Versucht ihr mal, in einem Krankenhaus in Deutschland zu liegen, wenn Dave Lombardo – der beste Drummer des Planeten – mit deiner Band spielt. Das ist nicht einfach. Auch bei Joey Jordison.“ Zwei Jahre später kann er aber schon wieder darüber scherzen in einem Gespräch mit der britischen Zeitschrift NME: „Ich bin gefragt worden, ob es stimmt, dass mich meine Frau mit zwei Prostituierten und einem Sack voll Kokain erwischt hat und ich deshalb nicht spielen konnte. Das stimmt aber nicht: Ich habe meine Frau mit zwei Prostituierten und Kokain erwischt und durfte nicht mitmachen!“

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Zeitsprung: Am 10.1.1985 gehen Metallica auf große US-Tour mit W.A.S.P.

 

Popkultur

Zeitsprung: Am 21.9.1993 erscheint Nirvanas drittes und letztes Album „In Utero“.

Published on

Nirvana In Utero Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 21.9.1993.

von Christof Leim und Timon Menge

Im Jahr 1993 haben Nirvana die Schnauze voll vom Superstar-Dasein. Sie möchten nicht länger auf ihren Megahit Smells Like Teen Spirit reduziert werden und stattdessen ein authentisches, rohes Album aufnehmen. Das Ergebnis: In Utero.

Hört hier in In Utero rein:

Mit ihrem dritten Album verfolgen Nirvana ein klares Ziel: In Utero soll sich deutlich von seinem eingängigen Vorgänger Nevermind abheben und die Extreme der Band in den Vordergrund rücken. „Einige Songs klingen härter, andere noch radiotauglicher“, gibt Songwriter, Sänger und Gitarrist Kurt Cobain im Vorfeld der Aufnahmen zu Protokoll. „Das Album wird nicht so eindimensional wie Nevermind.“

Produziert wird die Platte von Steve Albini, der bereits Erfahrung mit der US-amerikanischen Punk- und Indieszene hat. Das Album trägt zunächst den Arbeitstitel I Hate Myself And I Want To Die, benannt nach einem Stück, das während des Aufnahmeprozesses entsteht. Eigentlich hat Albini keine Lust auf Nirvana und bezeichnet sie als „R.E.M. mit Fuzzbox“. Den Job habe er nur aus Mitleid mit der Band angenommen. Seine Meinung ändert sich im Zuge der zweiwöchigen Aufnahmephase im Pachyderm Studio in Cannon Falls, Minnesota, wo die Musiker sich unter dem Namen The Simon Ritchie Bluegrass Ensemble eingemietet haben. „Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr meine Bewunderung für diese Band zugenommen hat“, korrigiert er sich. Kurt Cobain und er teilen sogar eine gemeinsame Leidenschaft: Telefonstreiche. So rufen sie während der Sessions zum Beispiel Pearl Jam-Frontmann Eddie Vedder an und geben sich als Produzent Tony Visconti aus.


Jetzt in unserem Shop erhältlich:

Nirvana - In Utero 30th Anniversary
Nirvana
In Utero 30th Anniversary
Ltd. Super Deluxe 8LP, Ltd. Super Deluxe 5CD uvm.

HIER BESTELLEN


Eigentlich soll In Utero bereits im Sommer 1992 eingespielt werden, doch die Bandmitglieder leben zu jener Zeit in verschiedenen Städten, was eine Zusammenkunft erschwert. Außerdem erwarten Cobain und seine Partnerin Courtney Love ihre gemeinsame Tochter Frances Bean. Die Plattenfirma DGC wird ungeduldig und veröffentlicht kurzerhand Incesticide, eine Compilation mit B-Seiten, Studio-Outtakes und raren Songs.

Vom Umfeld der Band hält Produzent Albini nicht viel, wie der NME in diesem Artikel berichtet. „Alle Personen, die an Nirvana beteiligt waren und nicht zur Band gehörten, waren Arschlöcher“, schimpft er. Tatsächlich stehen die Parteien während der Albumproduktion auf Kriegsfuß: auf der einen Seite Albini und die Band, auf der anderen Seite das Management und die Plattenfirma. Mehrfach stellen Albini und Nirvana klar, dass sie während der Arbeiten nicht gestört werden möchten, doch immer wieder erscheinen DGC-Abgesandte und möchten Zwischenstände hören — ein Verhalten, dass Albini bestraft, indem er alle Nichtmusiker eiskalt ignoriert. Für seine Arbeit erhält der Produzent stolze 100.000 US-Dollar, weigert sich aber, zusätzliche Royalties anzunehmen und bezeichnet derartige Beteiligungen als „Beleidigung für den Künstler“. Stark.

Als das Material fertig ist, halten Management und Plattenfirma es für unzureichend und werfen der Band und Albini vor, ein Album aufgenommen zu haben, das nicht veröffentlicht werden kann. Der Gesang sei nicht zu hören, das Schlagzeug viel zu laut und zu überladen mit Effekten. Zwar sind auch Nirvana selbst der Überzeugung, dass die Scheibe kein kommerzieller Erfolg werden kann, haben mit dieser Vorstellung aber keine großen Schwierigkeiten.

Die konservativen US-amerikanischen Einzelhandelsgiganten Wal-Mart und Kmart finden In Utero inhaltlich zu heiß, weshalb sie eine alternative Version fordern. Der Song Rape Me wird zu Waif Me umbenannt, die Cover-Collage von Kurt Cobain wird retuschiert und zeigt nun Frösche statt Babys und Föten. An den Song All Apologies legt R.E.M.-Produzent Scott Litt Hand an und befreit ihn von strittigen Textzeilen. Die Band stimmt den Änderungen zu, weil Cobain und Bassist Krist Novoselić in ihrer Kindheit nur zwei Möglichkeiten hatten, an neue Musik zu kommen: bei Wal-Mart und Kmart. Dass In Utero gleich auf Platz eins der Billboard-Charts landet und innerhalb der ersten Woche 180.000 Mal über die Ladentheke geht, erwartet niemand. Bis heute verkaufen sich mehr als 15 Millionen Exemplare des Albums.

In Utero zeigt Nirvana von ihrer aggressivsten Seite. Ob Scentless Apprentice, eine Vertonung des Romans Das Parfüm von Patrick Süskind, oder Pennyroyal Tea, eine Anspielung auf das als Abortivum benutzte (also einen Schwangerschaftsabbruch induzierende) Küchenkraut Polei-Minze – Nirvana wühlen in menschlichen Abgründen, dass es wehtut. Die Songs stammen alle von Kurt Cobain; lediglich Scentless Apprentice wird als Gemeinschaftswerk angegeben und maßgeblich von Dave Grohl beeinflusst, der das Riff und einige Drum-Parts für das Stück liefert. Marigold, der erste und einzige Song, den Grohl im Alleingang schreibt, schafft es zwar nicht auf das Album, wird aber als B-Seite für Heart-Shaped Box verwendet. Auch auf dem Foo Fighters-Livealbum Skin And Bones ist er zu hören. Das Cover gestaltet Cobain gemeinsam mit Robert Fisher, der schon das legendäre Nevermind-Artwork realisiert hat (alles dazu hier).

Mit Heart-Shaped Box (1993) und All Apologies/Rape Me (1993) flankieren zwei erfolgreiche Singles das Album. Letzteres zieht den Ärger zahlreicher Feministinnen auf sich, bis Cobain klarstellt, dass es sich um einen Anti-Vergewaltigungssong handelt. Hätte man auch so drauf kommen können. Überhaupt: Rape Me liefert Diskussionsstoff. Schon bei den MTV Music Awards 1992 lehnt der Musiksender die Aufführung des Songs vor einem größeren Publikum ab. Stattdessen soll die Band Smells Like Teen Spirit spielen, ein Stück, das Kurt Cobain selbst nicht mehr hören kann. MTV droht sogar damit, Amy Finnerty zu entlassen, eine enge Freundin des Frontmanns und Mitarbeiterin des Senders. Man einigt sich auf die damals aktuelle Single Lithium, doch Cobain lässt es sich nicht nehmen, den Auftritt mit den ersten Takten von Rape Me zu beginnen. Kurz bevor MTV zur Werbung schaltet, geht er wie besprochen in Lithium über, und die MTV-Verantwortlichen kommen mit einem ordentlichen Schreck davon. Die legendäre Performance endet mit Novoselić, der sich sein Instrument ins Gesicht schlägt (zu sehen hier – aua!), und ironischen Grüßen von Cobain und Grohl an Axl Rose.

Die Message von Nirvana, eingefangen in einem Pressefoto.

Legendär sind auch die Entstehungsgeschichten zu Cobains Songs. So gibt seine Witwe Courtney Love zu Protokoll, dass er Heart-Shaped Box innerhalb von fünf Minuten in einem Kleiderschrank geschrieben habe. Die Inspiration für die Nummer, die ursprünglich Heart-Shaped Coffin heißen soll, liefert eine herzförmige Schachtel, der Sänger von seiner Partnerin erhält. Love behauptet, der Text handele von ihrer Vagina. Für die Geduldigen hält In Utero einen Hidden Track namens Gallons Of Rubbing Alcohol Flow Through The Strip bereit, der etwa 20 Minuten nach All Apologies einsetzt. Sowas gibt’s heute gar nicht mehr. Der verborgene Song ist ein spontaner Jam, der im Januar 1993 in Rio de Janeiro entsteht.

Im Anschluss an die Albumveröffentlichung gehen Nirvana mit dem heutigen Foo Fighters-Mann Pat Smear an der zweiten Gitarre auf die Welttournee, in deren Rahmen auch das Livealbum MTV Unplugged in New York (1994) entsteht. Am 1. März 1994 spielen Nirvana in München ihr letztes Konzert. Die dritte In Utero-Single Pennyroyal Tea (1994) wird kurz nach Auslieferung an den Handel zurückgezogen, weil Kurt Cobain sich am 5. April 1994 das Leben nimmt. Nur wenige hundert Exemplare gelangen in den Verkauf und sind bis heute gefragte Sammlerstücke. In Utero setzt damit ein krachiges, schräges, selbstbewusstes Ausrufezeichen an das tragische Ende von Nirvana.

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Zeitsprung: Am 18.11.1993 nehmen Nirvana ihr legendäres „MTV Unplugged“ auf.

Continue Reading

Popkultur

Zeitsprung: Am 20.9.1973 verschwindet die Leiche von Byrds-Gitarrist Gram Parsons.

Published on

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 20.9.1973.

von Christof Leim

Die vielversprechende Karriere von Gram Parsons endet leider typisch für viele der zu wilden Musiker der Siebziger: Der Country Rock-Pionier und zeitweilige Byrds-Gitarrist stirbt im September 1973 mit nur 26 Jahren an einer Überdosis. Sein Leichnam soll nach Louisiana zu seiner Familie überführt werden, doch seine Kumpels haben da ganz andere Pläne – immerhin aus ehrenhaften Gründen…

Hört hier in Sweetheart Of The Rodeo rein, Parsons Album mit The Byrds:

Unter Eingeweihten genießt Gram Parsons einen hervorragenden Ruf: Als Gitarrist hat er seit Ende der Sechziger maßgeblich die Genres Country und Rock zusammengebracht. Einem größeren Publikum wird er wegen seinen kurzer Zeit bei den Byrds bekannt, deren Album Sweetheart Of The Rodeo (1968) er prägte. Nach einem ebenfalls kurzen Intermezzo bei den Flying Burrito Brothers startet er eine Solokarriere und hängt mit vielen hochkarätigen Freunden rum, etwa mit einem gewissen Keith Richards in dessen Villa im französischen Villa Nellcôte. Für sein Soloalbum GP entdeckt Parsons die Sängerin Emmylou Harris.

Gram Parsons auf dem Cover seines Soloalbums „GP“

Oft und gerne verbringt der Musiker seine Zeit im Joshua Tree National Park östlich von Los Angeles. Am 17. September 1973 begibt sich der Gitarrist mit ein paar Freunden wieder dorthin, um sich vor einer anstehenden Tour noch ein wenig zu erholen. Und selbstredend wird ordentlich gefeiert: Gram Parsons trinkt Alkohol in rauen Mengen und wirft Drogen ein, dass es nur so eine Art hat. (Später sagt sogar Keith Richards, dass sein Kumpel es hätte besser wissen müssen, was die Kombination von Opiaten und Schnaps angeht.)

Es kommt, wie es kommen muss: Der erst 26-Jährige erleidet nach einem Schuss Morphin eine Überdosis. Seine geschockten Freunde können ihn nicht wiederbeleben, kurz nach Mitternacht des 19. September wird Gram Parsons für tot erklärt.

Bis hierhin klingt das wie eine typische Live-fast-die-young-Geschichte des Rock’n’Roll, aber dann wird es bizarr: Schon vor seinem Tod hatte Parsons erklärt, dass seine Asche über die Felsformation Cap Rock im geliebten Joshua Tree Park verstreut werden soll. Allerdings plant seine Familie, ihn nach Hause, nach Louisiana zu bringen. Deswegen befindet sich der Sarg mit dem Leichnam am 20. September am Los Angeles Airport.

Von den Überführungsplänen halten Parsons Kumpels Phil Kaufman und Michael Martin nichts. Sie wollen dem Verstorbenen lieber seinen letzten Wunsch erfüllen, zumal zum privaten Familienbegräbnis in New Orleans kein einziger Wegbegleiter aus der Musikwelt eingeladen wurde. Die beiden verfolgen also noble Beweggründe für die folgende Aktion, doch vielleicht, ganz vielleicht schießen sie ein bisschen über das Ziel hinaus.

Kaufman und Martin fahren in einem Leichenwagen am Flughafen vor, erzählen dort einem Mitarbeiter ein Märchen von „geänderten Plänen“ und laden den Sarg ein. Die entsprechenden Papiere unterschreiben sie mit „Jeremy Nobody“. Auf dem Weg ins 150 Meilen entfernte Joshua Tree kaufen sie mehrere Liter Benzin und halten an einer Bar, um auf ihren Freund zu trinken. Am Ziel angekommen, schleppen sie ihre Fracht bis Cap Rock, angeblich sogar im Mondschein (wenn schon, denn schon). Dort öffnen sie den Sarg, in dem der nackte Leichnam von Gram Parsons liegt, schütten das Benzin darüber und werfen ein brennendes Streichholz hinein. Den resultierenden Feuerball kann man über Kilometer sehen.

Das erregt die Aufmerksamkeit der Polizei, die die beiden Kollegen jedoch nicht zu fassen bekommt. Erst zwei Tage später werden sie gestellt. Allerdings gibt es verblüffenderweise kein Gesetz, dass den Diebstahl eines Leichnams verbietet. Kaufman und Martin erhalten eine kurze Bewährungsstrafe und müssen eine Stange Geld zahlen für die Entwendung des Sarges. Von ihrem Freund bleiben nur 16 Kilogramm an verbrannten Überresten zurück, die schlussendlich in New Orleans ihre letzte Ruhe finden.

Kaufman und Martin verteidigen sich damit, nur den letzten Wunsch Parsons ausgeführt zu haben. Das ist ehrenvoll. Und eigentlich bietet diese Episode ein aufsehenerregenderes Ende für die Lebensgeschichte des Musikers als eine einsame Überdosis in einem Hotelzimmer.

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Zeitsprung: Am 10.11.1969 erscheint „Ballad Of Easy Rider“ der Byrds.

Continue Reading

Popkultur

Zeitsprung: Am 18.9.1978 veröffentlichen die Kiss-Musiker am gleichen Tag Soloalben.

Published on

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 18.9.1978.

von Christof Leim

Wenn schon dicke Hose, dann richtig: Ende der Siebziger läuft es bei Kiss. Die Schminkemonster sind vor allem in den USA zu einem Phänomen geworden, das wirklich jeder kennt. Insbesondere der legendäre Konzertmitschnitt Alive! von 1975 hat die Truppe zu Stars gemacht. In den fünf Jahren nach der ersten Probe der Urbesetzung sind sechs Studioalben und zwei Liveplatten erschienen, dank üppiger Verkäufe, ausverkaufter Hallen und eines lukrativen Merch-Imperiums inklusive Kiss-Comics haben die vier New Yorker Millionen auf dem Konto. Und erst einer von ihnen ist über 30. Allerdings lässt die Stimmung in der Band zu wünschen übrig…

Hört hier in die vier Kiss-Soloalben rein:

Kiss mögen 1978 auf ihrem kommerziellen Höhepunkt angekommen sein, doch Paul Stanley, Gene Simmons, Ace Frehley und Peter Criss streiten sich über die kreative Ausrichtung, Kontrolle und Drogenkonsum, und vermutlich haben sie nach etlichen Jahren ununterbrochenen Arbeitens einfach die Nase voll voneinander. Um die Spannungen zu entschärfen, fassen die Kollegen zusammen mit ihrem Manager Bill Aucoin den Entschluss, dass jeder der Musiker völlig frei und unabhängig von den anderen ein Soloalben veröffentlicht. So lautet zumindest die am häufigsten kommunizierte und durchaus einleuchtende Begründung. Tatsächlich sieht manchen Quellen zufolge der Plattenvertrag von 1976 solche Einzelveröffentlichungen explizit vor.

Gene, Ace, Paul und Peter können so ihre musikalischen Vorlieben ausleben und komponieren, was immer sie wollen. Die Ergebnisse fallen durchaus unterschiedlich aus: Paul Stanleys Solowerk klingt am meisten nach den Kiss der Siebziger, vielleicht sogar noch ein bisschen dramatischer. Gene Simmons lässt die Beatles, Siebziger-Disco-Funk und Disney-Soundtracks durchklingen. Auf seiner Scheibe, der „buntesten“ der vier, spielen Joe Perry von Aerosmith, Donna Summer und seine Freundin Cher mit. Bei den Background-Vocals singt auch eine unbekannte Schauspielerin namens Katey Sagal, die später als Peggy Bundy aus Eine schrecklich nette Familie berühmt werden sollte.

Ace Frehley haut ein kräftiges Hard Rock-Scheibchen raus und kann sogar entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten als Sänger punkten. Mit seinem Cover der Siebziger-Disco-Nummer New York Groove, im Original von der Band Hello, schafft er als einziger einen Single-Hit. Drummer Peter Criss hingegen überrascht mit vergleichsweise entspannten Nummern zwischen Soul und frühem Rock’n’Roll.

Natürlich hauen Kiss für die ganze Aktion mit beiden Händen auf die Sahne: Alle vier Soloalben erscheinen unter großem Getöse am gleichen Tag, dem 18. September 1978. Das hat es bis dahin nicht gegeben, und nachher auch nicht. Jede Platte ziert ein ähnliches Cover, nämlich ein Gemälde des jeweiligen Musikers im vollen Make-up.

Das Label fährt dazu eine megafette Werbekampagne für einen siebenstelligen Dollar-Betrag und stellt von jeder Platte über eine Million Exemplare in die Läden. Das heißt, die Alben erhalten quasi von Tag eins an eine Platinauszeichnung. Ein voller Erfolg? Nicht ganz.

Denn „Platin ausliefern“ und „Platin verkaufen“ sind zwei verschiedene Dinge. Da der Markt ohnehin von Kiss-Produkten überflutet ist, kommen viele der Soloalben nach einer Weile wieder zurück zum Label oder landen preisreduziert auf Wühltischen. Insgesamt sollen sich die vier Scheiben zusammen so gut verkauft haben wie das letzte Studiowerk Love Gun von 1977. Das lief allerdings beachtlich gut, und in Sachen PR und öffentlichkeitswirksamer Kackehauerei liegen Kiss mit der Aktion natürlich weit vorne. Und schlecht sind die Platten tatsächlich nicht…

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert! 

Zeitsprung: Am 12.3.1999 zünden Kiss in Bremen alle Pyros auf einmal.

Continue Reading

Don't Miss