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Popkultur

Zeitsprung: Am 26.12.1963 wird Metallica-Drummer Lars Ulrich geboren.

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Foto: NILS MEILVANG/AFP/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 26.12.1963.

von Christof Leim

Metallica-Urgestein

Lars Ulrich hat noch nie in einer anderen Band gespielt. Macht aber nichts, gleich seine erste Combo wird zur größten Metal-Kapelle des Planeten: Mit Metallica hat der Schlagzeuger Legendäres geleistet und Fantastillionen an Platten verkauft. Das hat viel mit seiner Vision und seinem Antrieb zu tun. Ein Porträt.

Wenn man James Hetfield als das Herz von Metallica bezeichnet, weil er die Musik schreibt, dann entspricht Lars Ulrich dem Hirn. Ohne den dänischen Trommler wäre aus der Band nicht das Monster geworden, das wir kennen. Denn Lars ist seit jeher Motor, Visionär, Antreiber und Sprachrohr, manchmal auch Provokateur. Er hat mit seiner Band und seinem nicht unumstrittenen Drumming den Grundstein für den Thrash Metal gelegt und sich dabei als wichtiger Songwriter und brillanter Arrangeur erweisen. Zudem ist Lars Familienvater, Filmfreak und Kunstsammler. Schauen wir uns mal an, woher das alles kommt…

Die Kindheit

Am 26. Dezember 1963 erblickt Lars Ulrich als einziges Kind von Lone und Torben Ulrich das Licht der Welt in Gentofte, einem Vorort der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Vater Torben spielt professionell Tennis und schreibt für Zeitungen und Magazine, insbesondere über Jazz und Literatur. Die Eltern leben ihm ein großes Interesse für Kunst vor, zu ihren Freunden gehört Jazz-Saxofonist Dexter Gordon, der Lars’ Patenonkel wird. „Mein Vater hatte immer Musik um sich herum“, erzählt der Schlagzeuger später. Ein paar Häuser weiter wohnt Trompeter Don Cherry, mit dessen Stieftochter Neneh Cherry der kleine Lars spielt.

Der Junge wächst sehr frei und selbständig auf, „sehr offen“, wie er 1995 in einem Interview durchblicken lässt: „Amerikaner würden das womöglich ‚verwöhnt’ nennen. Aber ich war gleichzeitig unabhängig, sie haben mich nicht zurückgehalten. Allerdings musste ich mir alles selbst verdienen. Als ich 1975 Black Sabbath sehen wollte, hätte ich das von meinen Eltern aus zwölfmal am Tag machen können, solange ich mir das Geld für das Ticket selber erarbeite und auch dafür sorge, zur Show hin- und wieder zurück zu kommen.“

Der Fan

Sein erstes Konzert sieht Lars mit neun, als ihn sein Vater mit zu Deep Purple nimmt. Das macht Eindruck: Gleicht am nächsten Tag kauft sich der Junge das Album Fireball. Ein paar Jahre später, mit 12 oder 13, bekommt er von seiner Großmutter ein Schlagzeug geschenkt. Vor allem aber beschäftigt sich der kleine Ulrich mit Tennis wie sein Vater und auch schon sein Großvater. Er schlägt sich gut in den Jugendranglisten Dänemarks und gehört zu den zehn besten Spielern seiner Altersklasse. Daraus soll eine internationale Karriere werden, weshalb die Familie im Sommer 1980 nach Newport Beach in Kalifornien übersiedelt. Dort muss er allerdings feststellen, dass er mit seinen Fähigkeiten nur noch im Mittelfeld landet und es nicht mal ins Auswahlteam seiner Schule schafft. Der Sport verliert damit rasant an Attraktivität, aber jetzt kommt die Krachmusik.

Zu Lars’ Lieblingen gehören Klassiker wie Deep Purple, Black Sabbath und Motörhead, vor allem aber hat es ihm die NWoBHM angetan, die „New Wave Of British Heavy Metal“ mit Bands wie Diamond Head, Blitzkrieg, Jaguar, Angel Witch und den frühen Iron Maiden. Es gibt die schöne Geschichte, dass er sich so viel Vinyl aus England bestellt, dass ein Versand ihm irgendwann einfach alles schickt, was bei ihnen aus diesem Genre rauskommt.

1981 reist er nach Großbritannien, um Diamond Head live zu sehen, und schläft bei den Musikern auf dem Sofa. Hierbei lernt er nach eigenen Aussagen viel über Arrangement und Songwriting, im Laufe ihrer Karriere spielen Metallica sage und schreibe fünf Diamond Head-Songs nach. Auf der Website Home Of Metal veröffentlicht Gitarrist Brian Tatler einen Brief, in dem Lars ihm damals von der Gründung seiner neuen Band Metallica berichtet.

Zielstrebigkeit führt doch zum Ziel

Ulrich schafft es als kleiner 16-jähriger Fanboy sogar bis in den Proberaum von Motörhead, was gut seine Zielstrebigkeit demonstriert: „Ich hatte zwei Nächte in London und habe über einen Freund den Tipp bekommen, dass sie gerade proben. Also bin ich zu diesem Studio gefahren, von dem man mir erzählt hat – und eine halbe Stunde später sitze ich bei Lemmy, Phil Taylor und Eddie Clark. Nur die Band und ich, und sie schreiben Songs für ihr nächstes Album. Einer davon hieß Iron Fist. Das muss man sich mal vorstellen.“

Mitte der Achtziger taucht Lars sogar im Innencover der Motörhead-LP Orgasmatron von 1986 auf – und zwar auf einem Foto, das ihn in seiner eigenen Kotze liegend zeigt, geschossen in Lemmys Hotelzimmer nachmittags um drei. Wie das passierte, erzählt er in einer US-Talkshow: „Lemmy kam in die Stadt, und das war das Größte in unserer Welt. Vor seinem Hotel habe ich aus lauter Nervosität ein paar Wodka gekippt, bin dann reingegangen und ein paar Stunden später aufgewacht. Dazwischen hat man mich fotografiert, und das kam dann in das nächste Motörhead-Album.“ Erkennen kann man Lars auf dem Bild leider nicht, aber wirklich unrealistisch klingt die Geschichte nicht.

 

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Happy Birthday Duder!! Here’s to another 453 years… At least!!! @papa_het_ 🎉🎂🍰🎁 #wanna #babyfaces

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Die  Bandgründung

Zurück ins Jahr 1981: Als Lars nach seinem Englandausflug wieder in Kalifornien landet, will er unbedingt eine Band gründen. Bei einem Konzert kommt er über ein Saxon-Shirt mit einem Metalhead namens Brian Slagel ins Gespräch, der später Chef des einflussreichen Labels Metal Blade werden sollte. Damals startet er gerade mit der Compilation-Reihe Metal Massacre, auf der er Hartmusik-Gruppen der lokalen Szene von Los Angeles versammelt. Da will Lars natürlich mitmachen und schwatzt Slagel seine Band auf – die es noch gar nicht gibt. Doch der umtriebige Däne erinnert sich an einen Typen, den er ein paar Monate vorher über ein Inserat im Anzeigenblatt The Recycler kennengelernt hat: James Hetfield. Ein erstes Treffen führte nicht weit, denn Hetfield zeigt sich von den Lars’ Trommelkünsten unbeeindruckt, nicht zuletzt weil ein Beckenständer ständig beim ersten Schlag umfällt. Da jetzt aber eine Veröffentlichung auf einer Vinylplatte in greifbare Nähe rückt, machen die beiden gemeinsame Sache. Damit werden am 28. Oktober 1981 Metallica geboren. Ihr erster Song Hit The Lights erscheint auf Metal Massacre I, der Rest ist Geschichte.

Metallica werden zu den Vorreitern einer neuen, härteren Gangart und zum Primus einer Szene. Das Debütalbum Kill ‘Em All von 1983 mischt den Underground auf, Ride The Lightning zeigt 1984 eine erstaunliche Reifung, mit Master Of Puppets legen sie 1986 dann einen Meilenstein des Genres hin. Spätestens mit dem 1988er-Opus …And Justice For All schafft die Band endgültig den Durchbruch. Lars ist da 25 Jahre alt. 1991 macht ihn Metallica (oder The Black Album) vor seinem 30. Geburtstag zum internationalen Rockstar und Millionär.

Zwischen diesen Bildern liegen 35 Jahre – Pic 2018: Herring  Herring

Der Musiker

Bei diesem steilen Aufstieg agiert Lars Ulrich immer als Motor und Kapitän, der die Band nach vorne treibt und lenkt. Bei allen Aspekten des Songwritings, der Arrangements und der Produktionen ist er involviert; es gibt nur zwei Stücke, für die er keinen Songwriting-Credit erhalten hat: Motorbreath und Anesthesia (Pulling Teeth) vom Debüt, letzteres ist ein Basssolo. Lars steuert sogar strukturelle Ideen zu den frühen Soli von Kirk Hammett bei. Seine Vision für Metallica zeigt sich zum Beispiel auf dem Black Album: Lars erkennt Enter Sandman als den wichtigen Song, schlägt die entscheidende Änderung am Riff vor und besteht darauf, die Nummer als erste Single auszukoppeln.

Dass Lars mit seinem Spiel insbesondere auf den frühen Alben tausendfach kopierte Maßstäbe im Metal gesetzt hat, steht außer Frage. Einen besonders guten Ruf als Drummer genießt er trotzdem nicht, wie jede Dienststelle der Musikpolizei gerne bestätigt. Es gehört in der Welt der harten Mucke sogar zum guten Ton, über Ulrichs technische Mängel herzuziehen. „Ich bin kein besonders versierter Schlagzeuger“, sagt er über sich selbst, „aber ich verstehe sehr, sehr, sehr gut die Rolle der Drums neben der Rhythmusgitarre von James Hetfield. Ich garantiere euch, dass ich dafür der Beste auf der ganzen Welt bin. Und das ist gut genug für mich.“ Virtuosen wie der ehemalige Dream Theater-Schlagwerker Mike Portnoy bestätigen das: „Man muss nicht großartig trommeln, um der wichtigste Typ in der Band zu sein.“ Man kann festhalten: Lars spielt besser als sein Ruf, aber seine Leistung für Metallica liegt statt in instrumentaler Brillanz eher woanders. Und das kann man nicht einfach üben. Wie die Band indes mit anderen Taktgebern klingt, konnten 2004 die Besucher des Download Festivals hören, als unser Mann aus gesundheitlichen Gründen von Dave Lombardo (Slayer) und Joey Jordison (Slipknot) ersetzt werden musste. Ob das mehr oder weniger Groove hat oder besser oder schlecht klingt, darf sich jeder selbst überlegen. Anhören kann man es hier.

Seinerseits Gastauftritte spielt Lars übrigens fast nie: 1993 trommelt er für Mercyful Fate eine Neuaufnahme ihres Songs Return Of The Vampire ein, 2018 hört man ihn auf der neuen Liveplatte von Volbeat bei den Songs Guitar Gangsters & Cadillac Blood und Enter Sandman.

Der Kommunikator

Lars Ulrich lebt nach seinen eigenen Regeln, seit er als 19-Jähriger begann, im Namen der Krachmusik durch die Welt zu ziehen. Er erweist sich in seinen Äußerungen als liberaler, weltoffener Geist, was ihn in späteren Jahren deutlich von Hetfield unterscheidet. Der Dokumentarfilm Some Kind Of Monster zeigt 2004, dass die beiden Alpha-Rocker auch ganz ordentlich aneinander geraten können. Grundsätzlich wissen Lars und James aber, wie sie miteinander umzugehen haben, und bilden heute noch den Kern von Metallica.

Dabei lassen sie sich überhaupt nicht gerne reinreden oder durch Erwartungen einschränken: Schon 1984 bekommen Metallica Schimpfe von den Szenewächtern für die Metal-Ballade Fade To Black, doch Lars will sich nicht auf die „erlaubte“ Formel des Thrash Metal reduzieren lassen und sagt das in Interviews deutlich. Das Gleiche wiederholt sich 1991 mit dem Black Album, und als die Band Mitte der Neunziger mit Load und Reload in eine Alternative Rock-Ecke abdriftet, legt Lars mit Kajalstift und künstlerischen Fotos noch einen drauf und hält auch sonst mit seiner Meinung zur kreativen Weiterentwicklung nicht hinter dem Berg. Damit verstößt er mehr als einmal gegen die „Gesetze“ des Heavy Metal und verärgert die konservative Headbangerschaft.

Lars ist es auch, der im Sommer 2000 vor den US-Senat tritt und sich öffentlich gegen die Musiktauschbörse Napster stellt. Diese Attitüde dürften damals 99% aller Musiker und Musikerinnen geteilt haben, doch kaum einer wagt es, das offen auszusprechen. Dass Ulrich und Metallica in der Sache völlig richtig lagen, sollte Dekaden später jedem klar sein. Er selbst gibt jedoch bereitwillig zu, wie sehr das in Sachen Eigen-PR in die Hose ging und dem Ruf von Metallica geschadet tat.

Der Vielbeschäftigte

Daneben führt der Mann natürlich noch ein Privatleben: Seine erste Ehe 1988 mit einer Britin hält nicht lange, 1997 heiratet er eine kalifornische Ärztin und wird Vater zweier Söhne. Mit der dänischen Schauspielerin Connie Nielsen hat er einen weiteren Sohn, heute ist er verheiratet mit Jessica Miller, einem US-amerikanischen Model.

Außer für Musik begeistert sich Lars Ulrich schon lange für Kunst, insbesondere für abstrakte Maler, und gibt dafür eine Menge Taschengeld aus. In Some Kind Of Monster sieht man, wie bei einer Auktion für ein Bild mehrere Millionen Dollar den Besitzer wechselt. Film gehört ebenfalls zu den Leidenschaften des Dänen, weswegen er in einigen kleineren Cameos zu sehen ist. Zwischen 1998 und 2002 versucht er sich sogar als Boss seiner eigenen Plattenfirma The Music Company, muss aber einsehen, dass hier nicht viel zu holen ist. In jüngster Zeit betreibt er die Radioshow It’s Electric!, in der er andere Musikgrößen interviewt.

Ans Aufhören denkt er nicht, sondern hofft, „noch 20 oder 25 Jahre“ weiterzumachen, wenn die Gesetze der Natur da keinen Strich durch die Rechnung machen. Und so spielt Lars Ulrich weiter in seiner allerersten Band…

Credit: Raph_PH/WikiCommons

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„…And Justice For All“ von Metallica: Track für Track!

Popkultur

„Please Please Me“: Vor 60 Jahren erscheint das schlüpfrige Debüt der Beatles

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The Beatles Header
Foto: Mirrorpix/Getty Images

Am 22. März 1963 erscheint das erste Beatles-Album Please Please Me. Es beginnt mit einer frechen Aufforderung zum Oralverkehr, endet mit dem Orkan Twist And Shout – und macht die Beatles endgültig zu Stars.

von Björn Springorum

Heute kennt man sie ja alle, die Geschichten. So gut, dass es sich manchmal fast so anfühlt, als wäre man damals dabei gewesen. Auf der Reeperbahn. Im Cavern Club. Als Astrid Kirchherr aus den vier unscheinbaren Liverpooler Jungs die coolen Beatles macht. Bei ihrem vergeigten Vorspielen für Decca am Neujahrsmorgen 1962. Im Van von Gig zu Gig im kalten Großbritannien. Damals kennen diese Geschichten aber eben nur die wenigsten. Auch weiß niemand, dass hinter den Kulissen der Popmusik, hinter den in Großbritannien so angesagten Stammhaltern wie Cliff Richard und den Shadows eine Wachablösung vorbereitet wird. Eine neue Zeitrechnung. Gut, niemand außer Brian Epstein vielleicht.

George Martin hat den richtigen Riecher

Im März 1963 ist die Welt noch weit von einer Beatlemania entfernt. Seit 1961 besteht die Band aus John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und dem glücklosen Drummer Pete Best, der ja bekanntlich kurz vor ihrem großen Durchbruch gefeuert werden. Im Mai 1962 unterschreiben sie bei EMI und arbeiten fortan mit Produzent George Martin zusammen. Auch das weiß damals niemand: Die Band und ihr Produzent werden gemeinsam Musikgeschichte schreiben. Selbst wenn er ihnen anfangs nicht zutraut, jemals einen Hit zu komponieren. Seine Meinung ändert er schnell, als nach Love Me Do auch die zweite Beatles-Single Please Please Me einschlägt und in verschiedenen Hitparaden sogar bis an die Spitze klettert.

Das Rätselhafte ist: Nach den frühen Erfolgen ihrer ersten Singles will Martin ein ganzes Album mit den Beatles aufnehmen. Ein Album, von einer eher bei Teenagern beliebten Band? Ein absolutes Novum und nach Ansicht vieler ein vorprogrammierter Reinfall. Erwachsene kaufen Alben mit langweiliger Musik, die Kids Singles mit dem heißen Scheiß. So läuft das damals. Ist Martin aber egal. Der wittert Anfang 1963 etwas in der Luft, das die Welt für immer verändern wird.

Das Debüt wird an einem Tag aufgenommen

Recht zackig geht es damals noch in den Studios zu, viel Zeit für Experimente ist nicht vorgesehen. Ihr allererstes Album Please Please Me nehmen die Beatles dann auch an einem einzigen Tag auf – am 11. Februar 1963. Pete Best musste auf George Martins Anraten da schon seine Koffer packen und Platz machen für Ringo Starr. Wie wir aus der Peter-Jackson-Doku Get Back wissen, ist ein Studiotag zum Ende ihrer Karriere nicht mal genug Zeit, in der man die eine oder andere Meinungsverschiedenheit aus der Welt zu räumen. Man sieht also: Am Anfang der kurzen und dafür unerreicht steilen der Karriere soll alles noch ganz anders sein als am Ende knapp sieben Jahre später.

„Es war eine sehr geradlinige Angelegenheit, eher wie eine Aufführung“, so sagte George Martin mal zu den legendären Debüt-Aufnahmen der Beatles. „Wir buchten eine Morgen- und eine Nachmittags-Session und fügten dann noch die Abend-Session hinzu.“ Darüber schreibt der Beatles-Chronist Mark Lewisohn später: „In der Geschichte der aufgenommenen Musik gab es wohl nie wieder derart 585 produktive Minuten.“ Neben Chef George Martin sind Norman Smith und Richard Langham als Tontechniker dabei, als im Studio 2 der Abbey Road Studios (damals noch EMI-Studios) Musikgeschichte auf Tape gebannt wird. „Wir probten unser erstes Album nicht“, erinnerte sich Ringo Starr einst. „Wir nahmen es live auf.“ Davon profitiert das schnörkellose, direkte Material bis heute. Please Please Me klingt als einziges Beatles-Album wie eines ihrer Konzerte in Hamburg oder Liverpool – wo der Schweiß von der Decke tropft und alles nach Bier und Zigaretten riecht.

John Lennon ist heftig erkältet

Um zehn Uhr morgens geht es los, John Lennon schleppt eine üble Erkältung mit ins Studio, (McCartney schnieft auch, kein Wunder, das schreckliche englische Wetter…), und lutscht eine Halspastille nach der anderen. Sie nehmen den ganzen Tag auf, bis sie um zehn Uhr abends ihr Cover von Twist And Shout im Kasten haben. Die Nummer muss solange warten, weil Lennons Stimmbänder nach dem rachenzerfetzenden Gebrüll der Nummer vollkommen ruiniert sein würden. Denkt zumindest George Martin. Und zeigt sich beeindruckt: „Ich weiß nicht, wie die das machen. Wir nahmen den ganzen Tag auf, doch je später es wurde, desto besser wurden sie.“ Lennon sieht das etwas anders: Er kann danach wochenlang nicht schlucken. Alles für den Ruhm eben.

Und der kommt. Mit großen Schritten. Zwar wird das Debüt dann doch Please Please Me genannt und nicht Off The Beatle Track, wie McCartney vorschlägt; die Gottwerdung der vier Protagonisten ist von da an aber nicht mehr aufzuhalten. Das Album, das damals für gerade mal 400 Pfund (heute umgerechnet 9000 Pfund) aufgenommen wird, erscheint vor 60 Jahren am 22. März 1963, ist im Mai auf Rang eins der britischen Charts geklettert und bleibt dort satte 30 Wochen, bis es vom Nachfolger With The Beatles abgelöst wird. Da ist die Beatlemania längst ausgebrochen. Und die vier Jungs aus Liverpool auf dem Expressweg zur größten Band der Welt.

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Zeitsprung: Am 26.2.1970 erscheint in den USA ein halbherziges Beatles-Album.

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Popkultur

Zeitsprung: Am 22.3.1987 brillieren Anthrax mit „Among The Living“.

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Foto: Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 22.3.1987.

von Christof Leim

Bunte Shorts und schnelle Riffs: Mit „Among The Living“ legen Anthrax am 22. März 1987 einen Klassiker des Thrash Metal hin. Dabei wäre die Sache beinahe beim Mix gehörig schief gegangen. Für den „Zeitsprung“ blickt Scott Ian zurück auf Comics und Sozialkritik, Hetfields Segen und die zufällige Erfindung des Rap-Metal.

Hier könnt ihr euch die Thrash-Granate ganz anhören:

Mit ihrem zweiten Album Spreading The Disease hatten Anthrax 1985 ihren Stil gefunden. Thrash Metal als Genre explodiert, und die New Yorker reiten ganz vorne mit. Die fünf blutjungen Headbanger touren was das Zeug hält, eine Pause gibt es nicht: „Als es mit den Shows für Spreading The Disease losging, haben wir mit dem Songwriting einfach weitergemacht“, erinnert sich Gitarrist Scott Ian im Gespräch mit dem Autor. „Uns war klar, dass wir in einem Jahr eine neue Platte abliefern müssen.“ 

Hetfield findet es gut

Vor allem Drummer und Hauptsongwriter Charlie Benante hat jede Menge Ideen, die die Band bei Soundchecks und im Bus ausarbeitet. Anthrax verfolgen vor allem die mit dem Song A.I.R. von Spreading The Disease eingeschlagene Richtung, legen aber noch einen drauf. Schon während der Europatour im Herbst 1986 als Vorgruppe von Metallica haben sie die beiden späteren Klassiker I‘m The Law und Indians am Start. „Ich kann mich erinnern, dass wir James Hetfield die Songs im Bus vorgespielt haben. Er fand die Riffs großartig. Und auch wir wussten, dass das Zeug einschlagen würde. Es klang noch besser als A.I.R., mit besseren Riffs und schnelleren Parts.“ Leider kommt bei dieser legendären Konzertreise Cliff Burton ums Leben, der Bassist von Metallica und ein Freund von Anthrax. 

Thrash Metal ist eine ernste Angelegenheit. Not. – Foto: Brian Rasic/Getty Images

Zurück in den USA können Anthrax mit Hilfe von Island Records sogar Eddie Kramer als Produzenten gewinnen, der mit einigen der größten Namen im Rock gearbeitet hatte, darunter Jimi Hendrix, Led Zeppelin und The Rolling Stones. Für die Musiker zählt aber eine andere Referenz: „Wir wollten ihn vor allem, weil er einige der besten Kiss-Platten produziert hatte, nämlich Alive! und Rock And Roll Over“, stellt Scott klar. Die Band steht auf die Liveatmosphäre, die Kramer seinen Aufnahmen zu verleihen vermag. Die Produktion im Quadradial Studio in Miami läuft hervorragend, es „herrscht eine Energie wie in einem Football-Stadion“. 

Ersoffen in Hall und Echo

Doch beim Mix in den Compass Point Studios auf den Bahamas, in dem schon Iron Maiden reihenweise Klassiker geschaffen hatten, kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Beeindruckt vom Megaerfolg des Def Leppard-Meilensteins Hysteria (1987) und seiner poppigen Produktion von Robert „Mutt“ Lange ertränkt Kramer die Anthrax-Songs in Hall und Echo. Das klingt nicht nur weicher, sondern lässt angesichts der rasenden Geschwindigkeit der Stücke sämtliche Details verschwimmen. Kurz: eine Katastrophe. Die Band fällt aus allen Wolken und macht – Kiss-Fans hin, Legende her – deutliche Ansagen. Vor allem Scott bleibt stur, weil er weiß, dass die Zukunft seiner Gruppe von dieser Platte abhängt. Glücklicherweise einigen sich die Parteien und kreieren einen trocknen, megafett drückenden, heute klassischen Thrash-Sound.

Textlich schwanken Anthrax auf Among The Living zwischen ernsthaft, lustig und Nerdkram: Während Indians die Vertreibung der nordamerikanischen Ureinwohner anprangert, vertont Scott gleich zweifach seine Liebe zu den Horror-Thrillern von Stephen King. Dessen Bücher The Stand (deutscher Titel: Das letzte Gefecht) und Apt Pupil (verfilmt als Der Musterschüler) standen Pate für die Stücke Among The Living und Skeletons In The Closet

Comics und Sozialkritik

Efilnikufesin (N.F.L.) thematisiert den Drogentod des Schauspielers John Belushi von den Blues Brothers, während Caught In The Mosh den Umgang mit dummen, nervigen Mitmenschen mit einem Moshpit vergleicht, dem man nicht entkommen kann. „Ich habe über die Themen gar nicht groß nachgedacht“, meint Scott dazu. „Ich würde euch ja gerne erzählen, dass I Am The Law als Metapher für irgendwas steht, eine schlechte Regierung oder böse Cops. Aber nein: Der Song handelt von Judge Dredd, weil ich auf Comics stehe. Damals wusste ich es auch gar nicht besser, ich war gerade mal 22 Jahre alt. Für mein Hirn ergab I Am The Law genauso viel Sinn wie Horror Of It All, in dem es um den Tod von Cliff geht. Ich wurde zum Texter der Band und musste mich anstrengen, damit nicht unterzugehen.“

Dass Anthrax nicht immer alles bierernst sehen, zeigt sich in einem musikalischen Experiment: Weil die Musiker auf Run-DMC und die Beastie Boys stehen, schreibt Scott mit seinem Gitarrentechniker John Rooney einen nach eigenen Worten „blödsinnigen“ Rap-Song, spielt dazu das jüdische Folk-Stück Hava Nagila als Metal-Riff – und fertig ist I‘m The Man, der erste (erfolgreiche) Rap-Metal-Crossover

Die zufällige Erfindung des Rap-Metal

So haben Anthrax nach der Hardcore-Thrash-Vermählung bei S.O.D. zum zweiten Mal musikalische Grenzen eingerissen. Dabei war die Nummer »ein totaler Witz«, wie Scott auch drei Dekaden später noch betont. I‘m The Man wird zunächst auf der B-Seite von I Am The Law versteckt, findet aber großen Gefallen, gehört fortan zum Liveset und wird später sogar auf einer eigenen EP veröffentlicht.

Among The Living erscheint am 22. März 1987 und knackt mit einem Platz 62 die Top 100 in den USA. Die Scheibe zählt nicht nur zu den wichtigsten Alben von Anthrax, sondern eines ganzen Genres. Die neun Songs bersten förmlich vor Thrash-Energie und klingen dabei größer, eingängiger und vielseitiger als auf dem Vorgänger. „Sechs der Stücke könnten wir noch heute jeden Abend spielen“, findet Scott und hat Recht. „Das sagt schon was. Sie sind so gut.“ 

Bunte Shorts sind Metal!

Das Quintett begleitet nach der Veröffentlichung erneut Metallica in Europa, die mit neuem Bassisten Jason Newsted ihre Master Of Puppets-Tour beenden. In den USA sind Anthrax da bereits als Headliner unterwegs. Dabei gibt sich die Band bei allem ernsthaften Geriffe locker auf der Bühne: Die Zeiten von Nieten und Leder sind endgültig vorbei, unfassbar bunte Shorts und Shirts setzen einen deutlichen Kontrapunkt zum vorherrschenden Stil in der Welt der harten Musik.

Mit der Platte beschleunigt sich das Leben im Anthrax-Lager noch mehr: „Alles passierte richtig schnell! Man muss sich das mal vor Augen führen: Among The Living erschien nur drei Jahre nach Fistful Of Metal. „Im Mai 1987, am Anfang der Tour, haben wir kleine Clubs mit 500 Leuten ausverkauft. Im Dezember standen wir in den USA jeden Abend vor 7000 Fans. Ich war gerade mal 24.“

Zeitsprung: Am 23.2.1992 treffen Anthrax auf Al Bundy.

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Popkultur

35 Jahre „Surfer Rosa“: Wie die Pixies quasi Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ schrieben

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Foto: Rob Verhorst/Getty Images

Zu punkig für Grunge, zu arty für Punk: Schon mit ihrem Debüt Surfer Rosa setzt sich das Alternative-Rock-Kuriosum Pixies 1988 genüsslich zwischen alle Stühle. Der Erfolg kommt dennoch und beeinflusst alles von Nirvana bis Radiohead – auch wegen der großartigen Selbstverlusthymne Where Is My Mind.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Surfer Rosa anhören:

Als Punk noch nicht ganz tot und Grunge noch nicht ganz da ist, finden die Pixies zusammen. Allerdings nicht in Seattle, wo der Grunge geboren wurde, sondern in Boston an der Ostküste der USA, dem Epizentrum des US-amerikanischen Hardcore Punk. Okay, und der Heimat von Aerosmith, aber die dürften für die Pixies jetzt weniger eine Rolle gespielt haben.

Lang bevor Kurt Cobain und seine Truppe auf die Idee kam, dass die Dynamik einer zurückhaltenden Strophe und eines wild um sich schlagenden Refrains vielleicht auch für Nirvana eine gute Idee wäre, kultivieren die Kommilitonen Joey Santiago und Black Francis während ihres Nebenjobs in einer Lagerhalle die Idee einer Band. Zwei sind dafür aber in der Regel zu wenig, also schalten sie im Januar 1986 eine der wahrscheinlich kuriosesten Stellengesuche in der Welt des Rock’n’Roll: Gesucht wurde jemand für den Bass mit Vorlieben für sowohl den Folk-Act Peter, Paul And Mary als auch für die seltsamen Alternative Punks von Hüsker Dü. Nur eine Person meldet sich auf die Annonce – und sie spielt nicht mal Bass: Kim Deal. Scheint kein Hindernis zu sein, die beiden nehmen sie mit offenen Armen in ihre Mitte auf.

Hinterlistige kleine Kobolde

Wenn eine Band schon so anfängt, ist entweder gar nichts oder eben doch Großes zu erwarten. Rasch noch einen Schlagzeuger gefunden, das Wörterbuch zufällig auf irgendeiner Seite aufgeschlagen und sich für den Namen Pixies entschieden – also diese hinterlistigen kleinen Kobolde aus der englischen Fabelwelt. Man probt in einer Garage, man spielt in Bostoner Bars, man entwickelt einen Sound, der an der anderen Küste der USA sehr bald zu einer Blaupause für das werden soll, was unter dem Namen Grunge in den Mainstream kracht wie eine schlechtgekleidete Rakete mit fettigen Haaren.

Nach einem Demo und einem Plattenvertrag beim angesehenen Alternative-Pulsmacher 4AD geht es für die Pixies Ende 1987 ins Studio. Das Vorhaben: Ein Debüt aufnehmen. Der Produzent: Steve Albini. Den kennt man in der Szene kaum, zuvor hat er kaum als Produzent gearbeitet. Später, klar, wird er mit Nirvana an In Utero arbeiten, aber 1987 sind es erneut die Pixies, die ihn bekannt machen sollen. Was in zwei verschiedenen Studios in Massachusetts entsteht, ist ein körperlicher, viszeraler, schroffer Sound voller anatomischer Referenzen und Anspielungen auf Selbstverletzung: Bone Machine, Break My Body oder Broken Face heißen die Songs, die die junge Band in diesen Tagen auf die Tape-Maschinen bannt. In Cactus geht es um einen Sträfling, der seine Freundin bittet, ihre Hand an einem Kaktus aufzuspießen, ihr Kleid mit Blut zu beschmieren und es ihm zu senden. Ganz normales Zeug also.

Gesangsaufnahmen im Badezimmer

Der karge, trockene Sound der Drums wird von metallisch sägenden Gitarren und einer Vielzahl menschlicher Laute kontrastiert – singen, schreien, krächzen, würgen, jaulen. Nicht oft harmonisch und melodisch, aber dann (wie bei Where Is My Mind?) so richtig. Laut/leise, hart/sanft, eingängig/abgefahren lauten die Devisen, auf die sich Band und Produzent sofort einigen können. Steve Albini erinnerte sich mal an das erste Treffen mit der Band, bei dem sie über den Sound der Platte sprachen: „Und am nächsten Tag waren wir auch schon im Studio.“

Zehn Tage hat man Zeit, 10.000 US-Dollar ist das Budget. 1.500 davon bekommt Steve Albini, der in alter DIY-Manier auf Royalties verzichtet. Allein in den USA soll sich die Platte über 700.000 Mal verkaufen – das nennt man dann wohl nackten Idealismus. Dafür erweist sich Steve Albini sozusagen als fünfter Pixie und lebt sich bei den Aufnahmen voll in seinen unorthodoxen Produktionsmethoden aus. Ist ja auch fair. Kim Deals Gesang auf Where Is My Mind? wird im Badezimmer aufgenommen, um mehr Echo zu bekommen, Black Francis nimmt seinen Gesang auch mal durch einen Gitarrenverstärker auf. Außerdem erlaubt er sich, Gespräche im Studio mitzuschneiden und unter die Songs zu legen. Ein genialer Kauz eben.

Urmutter des Grunge

Als das Album erscheint, wird es in den USA erst mal gepflegt ignoriert, während es sich in Großbritannien zum echten Hit mausert. Skurrilerweise war die Platte in den USA zunächst nur als UK-Import zu bekommen, wird dann aber auch in den Staaten nach und nach zu einem verehrten Underground-Juwel – klar, spätestens als MTV seine Klauen in den Grunge gräbt und alle langsam checken, was schon einige Jahre zuvor in Boston vor sich ging. Und dann ist da natürlich noch Where is My Mind?, diese geniale, schleppende, jenseitige Hymne an dissoziatives Verhalten, weltberühmt gemacht durch den Film Fight Club.

Heute gilt Surfer Rosa als Grunge-Blaupause. Kurt Cobain gab zu, dass Surfer Rosa der mit Abstand größte Einfluss auf Smells Like Teen Spirit war. „Ich wollte einen Pixies-Song schreiben“, sagte er mal. Auch das Verpflichten von Steve Albini geht auf diese Platte zurück. Ähnlich geht es PJ Harvey, die danach sofort mit Albini arbeiten will.

Und die Pixies? Machen es wie jede gute Band: Fangen an, ihre Stadt und sich selbst zu hassen, halten aber noch bis 1993 durch. Es reicht, um die Alternative-Rock-Welt für immer zu verändern.

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24. September 1991: Der beste Tag der Musikgeschichte

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