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Popkultur

Smokey Robinson: Der Miracle-Man aus der Hitfabrik Motown

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Keine Sorge, wir werden uns ausnahmsweise das umstrittene Zitat sparen, mit dem Bob Dylan einst Smokey Robinson geadelt haben soll. Und genau genommen braucht ein Songwriter-Genie wie Smokey auch keine andere Ikone, die seine Größe bekundet – denn die vielen, vielen Hits aus seiner Feder sprechen für sich. Ob nun für sich selbst, mit The Miracles oder für die vielen anderen Motown-Künstler, die er mit Songideen versorgt hat – Mr. Robinson war ganz klar ein Pionier: Auch wenn häufiger behauptet wird, dass sich die Motown-Künstler erst in den Siebzigern emanzipierten und ihre eigenen Songs schrieben, traf das auf Smokey Robinson noch nie zu. Er komponierte schon Ende der Fünfziger, als alles anfing, seine eigenen Songs. Hier ein kleiner Rückblick auf die größten Sternstunden des Allrounders, der dieser Tage seinen 79. Geburtstag feiert…

von Ian McCann

Hört hier in die größten Hits von Smokey Robinson rein – auf der Motown Songbook-Playlist:

Klickt auf “Listen” für das volle Programm.


Das Hit-Mirakel

Man sagt, Smokey Robinson habe 100 Songs geschrieben, bis Berry Gordy, der Gründer und Boss von Motown, auch nur einen einzigen davon für gut befunden und durchgewinkt hätte. Dabei dürfte diese Zahl sogar noch höher liegen: Schließlich hatte der am 19. Februar 1940 Geborene schon im zarten Alter von sieben Jahren angefangen, als er für ein Schultheaterstück einen eigenen Song beisteuerte. Wenig später kaufte er bereits regelmäßig die Zeitschrift Hit Parader, in der er den Aufbau von erfolgreichen Hit-Songtexten studierte. Auf Gordys Anraten konzentrierte sich Smokey schließlich noch intensiver auf den Aufbau seiner Songs, weshalb er schon 1960, also mit gerade mal 20, ein paar Hit-Singles mit The Miracles landen konnte – allen voran die Auskopplung Shop Around, die inzwischen auch in der Grammy Hall of Fame angekommen ist.



Zwei Jahre später war es ein Klassiker wie You’ve Really Got A Hold On Me, der nicht nur die Charts überrollen, sondern auch eine gewisse aufstrebende Band aus Liverpool dermaßen inspirieren sollte, dass sie wiederum eine Coverversion davon anfertigten: Keine schlechte Visitenkarte, so ein Autoren-Credit auf dem Album With The Beatles – und in der Tat schauten ab diesem Punkt viele Künstler ganz genau hin, wenn ein Demovorschlag aus Smokeys Feder stammte.



Alle singen Smokey

Im Hause Motown klopften nun alle regelmäßig bei Smokey Robinson an, wenn sie auf der Suche nach neuen Hits waren: Mal klang das romantisch aus der Perspektive der Dame (My Guy für Mary Wells), mal umgekehrt – daher My Girl, der sich gleichermaßen für die Temptations wie für Otis Redding als Hit entpuppten sollte. Ersteren schrieb Smokey sogar so viele Songs auf den Leib, dass daraus ein ganzes Album hervorgehen sollte: The Temptations Sing Smokey.

Ob nun für Sängerinnen oder Sänger, Smokey wechselte Rollen und Perspektiven, schnitzte Melodien für Brenda Holloway und die grandiosen Marvelettes (The Hunter Gets Captured By The Game) genauso wie für Marvin Gaye, der zwar selbst ein begnadeter Schreiber war, aber ein Stück wie Ain’t That Peculiar trotzdem mit Handkuss annahm und in einen Klassiker verwandelte.



Tears Of A Clown

Doch es genügte Smokey Robinson nicht, immer nur andere Künstler mit Ideen zu versorgen – weshalb er seine eigene Gruppe wiederholt an die Spitze der Charts führte: Tracks Of My Tears zählt zu den vielen Balladen, gewissermaßen ihrer Spezialität (man denke auch an Ooo Baby Baby), während The Tears Of A Clown im Jahr 1970 mit deutlich mehr Tempo daherkam. So viel zu den berühmten Songs, die noch heute rauf und runter laufen; weniger bekannt, aber um so beeindruckender gestrickt waren viele B-Seiten – allen voran Save Me, in dessen Arrangement Mr. Robinson echte Abgründe versteckt hat, wenn er das Ende einer Beziehung besingt.



Der Motown-Tausendsassa

Gefragt als Songwriter hinter den Kulissen, dazu selbst Künstler auf dem Label, das wäre schon viel – dabei war Smokey Robinson noch mehr in den Anfangstagen von Motown: Auch im Management hatte er ein Wörtchen mitzureden. Dazu die Produktionen für die Kollegen. Die Tour-Verpflichtungen mit den Miracles. Gegen Ende der Sechziger waren es schließlich die Live-Auftritte, die er als überflüssig bewertete und als erstes von der Liste strich: Er wollte Smokey Robinson And The Miracles aufgeben. Allerdings kam der Erfolg von The Tears Of A Clown dazwischen; die Sache lief einfach zu gut, um sie aufzugeben. Er machte also weiter. Und dann gab es da ja noch eine andere Gruppe, bei der es auch gerade richtig gut lief – auch dank deren Songwriter Smokey Robinson: The Supremes.

The Composer

Bereits in den Anfangsjahren des Labels hatten The Supremes etliche Songs von Smokey aufgenommen (einen bereits Genannten allerdings erst nach den Beatles), und bei Motown wurden auch gerne ältere Ideen und Melodien wieder aufgegriffen und neu interpretiert. The Composer war ein fast schon autobiografischer Titel aus dem Jahr 1969, aber nachdem Diana Ross sich losgesagt hatte von der Gruppe, konzentrierte sich der Songschreiber auf das vierte Album der verbleibenden Supremes: Floy Joy (1972) hieß das Ergebnis – für viele die Essenz des Motown-Sounds jener Jahre. Danach jedoch machte er denselben Schritt wie Diana Ross und kehrte „seinen“ Miracles noch im selben Jahr den Rücken.



Pure Smokey

Auch als Solokünstler ging es gut los für den damals erst 33-Jährigen: Das Album Smokey hatte mit Baby Come Close eine sehr erfolgreiche Single, und der Nachfolger Pure Smokey inspirierte sogar den Ex-Beatle George Harrison dazu, einen gleichnamigen Song zu Ehren des US-Kollegen zu schreiben. Noch prägender waren Titel und Sound des dritten Solowerks: A Quiet Storm – wobei der (Genre-)Begriff Quiet Storm seither für eine eigene, sehr viel reifer klingende Spielart des R&B steht, in der auch dezente Jazzanflüge ihren Platz haben.

Sidekicks und Songwriter-Buddies

Viele seiner bekannten Songs entstanden zusammen mit einem Partner: Oftmals war das Marv Tarplin, der Gitarrist von The Miracles, mit dem er auch das späte Quiet-Storm-Stück Cruisin’ verfasste. Im Jahrzehnt davor war es vor allem Al Cleveland, ein weiterer Hitsville-Hitmaker, der Meilensteine wie beispielsweise Smokeys I Second That Emotion mit ihm verfasste. Auch Stevie Wonder hatte gelegentlich seine Finger im Spiel – so z.B. bei The Tears Of A Clown.



Auch in diesem Jahr, in dem Smokey Robinson seinen 79. Geburtstag feiert, begegnen einem die zahlreichen Klassiker aus seiner Feder andauernd – ob nun als Coverversion oder im Original. Viele Kollegen haben ihn als begnadeten Sänger gefeiert, und das war er ja auch: eine jener Ausnahmestimmen, die den Motown-Sound in den Anfangsjahren geprägt haben. Aber erst mit dem Stift in der Hand sollte er zur Legende avancieren. Tatsächlich hat sich daran seit der Grundschule nichts geändert, denn Mr. Robinson schreibt noch immer jeden Tag an neuen Songideen.



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