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Popkultur

The Bates: Eine deutsche Punkrock-Tragödie

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The Bates
Titelfoto: alliance / dpa

The Bates gründen sich zu einer Zeit, in der Punkrock für tot erklärt wurde. Vor allem durch das exaltierte, queere Auftreten ihres Frontmanns Zimbl und ihren unvergleichlichen Stil werden sie in den frühen Neunzigern zum Kult. Eine deutsche Punkgeschichte mit heftigem Ende.

von Björn Springorum

1987 hält man Punk weitgehend für überwunden. Die Eskapaden der Sex Pistols liegen ein Jahrzehnt zurück, New Wave und Post Punk haben die rebellische Katharsis der Drei-Akkorde-Prediger abgelöst. Der klassische Punk steht kurz vor dem Durchbruch in den Mainstream und ist eher Modezitat als gelebte Rebellion. Ein paar jungen und desillusionierten Typen aus der hessischen Provinz ist das egal. Sie gründen 1984 erst Nuclear Graffity und 1987 dann The Bates, natürlich benannt nach Norman Bates aus „Psycho“.

Punk aus den Sechzigern

Die Urbesetzung der Bates besteht aus Markus Zimbl Zimmer, Armin Beck, Thomas Pogo Möller und Frank Klube Klubescheid. Sie verschreiben sich dem Punkrock, wiederkäuen die zuvor formulierten Regeln aber nicht einfach nur. Das liegt vor allem am exaltierten Charakter ihres Frontmanns Zimbl. Der hat zum einen eine sehr gefühlvolle, warme Stimme, singt zum anderen gern von geschundenen Herzen und Weltschmerz im Stile der Sechziger und kleidet sich eher wie ein Teil der Goth-Bewegung, schminkt sich und pfeift auf das Alphatiergebaren der Punkrockwelt.

Bela B. greift ein

Passt also nicht so recht zusammen auf den ersten Blick. Doch genau das macht die Band aus. Nach dem holprigen Debüt No Name For The Baby docken The Bates schon früh in ihrer Karriere bei Virgin an – dem damaligen Label der Toten Hosen. In die Wege geleitet wird der Coup damals offenbar von Bela B., der zu den Fans der ersten Stunde gehört. Der Erfolg, der lässt aber noch auf sich warten. Psycho Junior verfeinert diese besondere Mischung aus radikalem Punk und schwermütigen Melodien, der Durchbruch kommt aber 1994 mit ihrer Selbstbetitelten – dank ihrer Coverversion von Hello (im Original von Shakespears Sister).

Die Dorfpunks werden Rockstars

Was jetzt beginnt, ist ein deutsches Punkrock-Kammerspiel. Die Band gelangt irgendwie in den Mainstream und an die breite Öffentlichkeit, noch gesteigert vom Nachfolger Pleasure And Pain und dem Michael-Jackson-Cover Billie Jean, unvergessen rezitiert mit Zimbls bester Reibeisenstimme und jeder Menge Dampf unterm Kessel. Plötzlich wird aus der kleinen hessischen Punkband ein Phänomen, das in Heavy Rotation auf den Musiksendern läuft und es sogar aufs Cover der Bravo schafft.

Die Dorfpunks sind Rockstars geworden und wissen selbst nicht so ganz genau, wie das passieren konnte. Zu Teeniestars eignen sich die Landeier indes nur bedingt. Allein auf Pleasure And Pain enthalten drei Songtitel das Wörtchen Fuck, auf und hinter der Bühne sind sie die zügellosen Musterschüler jedes Rock’n’Roll-Suffkopfs, Sänger Zimbl hat eine Vorliebe dazu, nur in Unterhose aufzutreten.

Volle Hallen, voller Sänger

Eine Weile geht das ganz gut, die Platten verkaufen sich wie geschnitten Brot und die Hallen sind voll. Immer öfter voll ist leider auch Zimbl, dessen Alkoholsucht in den späten Neunzigern völlig außer Kontrolle gerät. Die Auftritte werden schlechter, das Verhalten unberechenbarer, die Gunst des Publikums wendet sich von ihnen ab. 2000 veröffentlichen sie ihr letztes Album 2nd Skin – bezeichnenderweise nur mit Coverversionen, um das Erfolgsrezept noch ein letztes Mal richtig zu melken. Auch Virgin muss um die Jahrtausendwende klar gewesen sein, dass das mit Zimbl nicht mehr lange gut gehen wird.

Schreckliches Ende

Die logische Konsequenz: 2000 kündigt die Band eine Kreativpause an. Zimbl soliert, konzentriert sich auf seine balladesken Chansons, kann aber längst nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen. Wie einsam sein Leben am Schluss gewesen sein muss, zeigt sein schreckliches Ende: Zimbl stirbt am 18. Juni 2006 im Alter von 41 Jahren aufgrund eines Herz- und Kreislaufversagens durch jahrelangen Alkoholkonsum in seiner Wohnung in Kassel. Erst zwei Tage später wird er gefunden.

Insbesondere in der ersten Hälfte der Neunziger haben The Bates aber tatkräftig an der deutschen Punkrock-Vita mitgeschrieben. Ihr einige Akzente beschert, die bis heute fehlen.

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