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Popkultur

„The Other Side Of Mars“: Solist Mick Mars lässt Mötley Crüe alt aussehen

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Mick Mars
Foto: Kevin Winter/Getty Images

Eine Überraschung ist Mick Mars’ erste Soloplatte The Other Side Of Mars zwar nicht. Dafür eine solide Konsolidierung seines Rufes als großer Gitarrist – und ein spürbarer Mittelfinger in Richtung Mötley Crüe.

von Björn Springorum

Das Ego ist eine mächtige Waffe. Anders ist es ja irgendwie auch nicht zu erklären, dass Rockstars immer dann zu Hochform auflaufen, wenn sie von ihren alten Bands geschasst wurden. Dave Mustaine legte nach seinem Rauswurf bei Metallica mit Megadeth anfangs einen Knaller nach dem anderen vor, aktuell will auch Mick Mars seinen ehemaligen Bandkollegen zeigen, dass es ein schrecklicher Fehler gewesen ist, sich von ihm zu trennen. Wie wenn der*die Ex nach der Trennung modisch und optisch generalüberholt beim nächsten Treffen auftaucht, um zu sagen: Schau mal, was du verpasst!

Erste Soloplatte mit 72 Jahren

Im Falle von Mick Mars kann man durchaus sagen, dass das Publikum von der unschönen Schlammschlacht zwischen ihm und Mötley Crüe profitiert. Denn machen wir es kurz: The Other Side Of Mars ist eine ziemlich coole Platte. Sie klingt, wie man das von jemandem erwartet, der heute 72 ist und 1981 mitgeholfen hat, die vielleicht legendärste Glam-Metal-Band aller Zeiten zu formen: durchaus nostalgisch, mit eineinhalb Beinen in den Achtzigern und jeder Menge Fokus auf sein präsentes, tightes Gitarrenspiel. Aber eben auch mit einem gewissen modernen Schliff und Biss.

Das liegt ein Stück weit natürlich auch an der Band, die Mars um sich geschart hat: Sänger Jacob Bunton (der bei den L.A. Guns war und eine herrliche Achtziger-Röhre hat), Korn-Schlagzeuger Ray Luzier und Keyboarder Paul Taylor, der unter anderem für Alice Cooper und Winger tätig ist. Mars selbst, klar, ist für Gitarre und Songwriting verantwortlich, und erfüllt beide Jobbeschreibungen anstandslos.

Alte Hunde, neue Tricks

Die Songs sitzen, sind groß, hymnisch, wie man das erwartet. Nach Mars’ Äußerungen, er wolle mit diesem Album andere Facetten zeigen (was ja letztlich auch der Titel durchschimmern lässt), könnte man das Soundbild aber fast als Enttäuschung sehen. Nicht, weil die Platte schlecht ist; aber eben, weil sie genau so vorhersehbar klingt, wie man sich das von seinem ersten Soloalbum vorstellt. Einem alten Hund kann man keine neuen Tricks beibringen, lautet ja ein englisches Sprichwort. Was The Other Side Of Mars rettet, ist aber eben, dass Mars genügend Tricks beherrscht, die noch heute funktionieren. Ready To Roll mit seinem Groove, den Gangshouts und Sound-Spielereien ist dafür ein gutes Beispiel.

Offen bleiben am Ende nur wenige Fragen: Wieso hier zwei Songs aus früheren Sessions von 2014 enthalten sind, in denen Brion Gamboa singt. Und wieso sich Mick Mars ausgerechnet die Dienste von Michael Wagener, dem Produzenten von Mötley Crües Debütalbum Too Fast For Love, sicherte, wenn er doch so anders klingen wollte als sonst. Er wird aber seine Gründe haben. Und darf auf seiner so lang geplanten und jetzt endlich veröffentlichten ersten Soloplatte natürlich eh tun, was er will.

Zurück zum Blues

Beendet wird ein kurzweiliges Album mit dem Instrumental LA Noir, das noch mal zeigt, wieso Mick Mars so ein saucooler Gitarrist ist. Die Nummer ist ein versoffener Blues, bei dem Mick zu seinen ganz frühen Wurzeln zurückkehrt. Inspiriert von „alten B-Movies über Detektive, Schnüffler, Ganoven und so weiter“, wie er sagt, und entstanden schon vor 30 Jahren. Junge, es wurde wirklich Zeit, dass Mick Mars all dieses Material veröffentlichen konnte.

Ob The Other Side Of Mars in der heutigen Rockwelt bestehen kann, wird sich zeigen müssen. Mick Mars hat sich aber absolut nichts vorzuwerfen und muss sich hinter den Songs keineswegs verstecken. Man könnte sogar so weit gehen und feststellen, dass die Platte besser ist als alles, was Mötley Crüe seit Dr. Feelgood veröffentlicht haben. Auch wenn das am Ende vielleicht gar nicht mal so viel aussagt. Der Ball, der liegt jetzt jedenfalls in der Hälfte von Mötley Crüe.

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Zeitsprung: Am 24.6.1997 verschätzen sich Mötley Crüe mit „Generation Swine“.

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