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Popkultur

Zeitsprung: Am 2.9.1977 veröffentlichten Thin Lizzy „Bad Reputation“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 2.9.1977.

von Christof Leim

Bad Reputation zählt zwar zu den Perlen im Vermächtnis von Thin Lizzy, doch bei den Aufnahmen läuft es nicht rund. Es ist jedenfalls kein Zufall, dass nur drei Musiker auf dem Cover zu sehen sind, und auch das sieht wegen eines 1000-Meilen-Irrtums anders aus als geplant… Am 2. September 1977 erschien die Platte.

Hier könnt ihr Bad Reputation anhören:

Heute gehen wir für den Zeitsprung mal zurück in die Siebziger. Was klassische Rockmusik angeht, stehen Thin Lizzy sicher ganz vorne. Vor allem ihre geschmackvollen zweistimmigen Gitarrenmelodien haben jede Menge Bands beeinflusst; man muss nur mal Iron Maiden oder Metallica fragen. Durchstarten konnte die irische Truppe um Phil Lynott mit 1976 mit ihrem sechsten (!) Album Jailbreak und dem immergrünen Gassenhauer The Boys Are Back In Town. Noch im gleichen Jahr folgte Johnny The Fox, denn das Eisen muss geschmiedet werden.

Einer darf nicht mitspielen

Allerdings hängt danach der Haussegen schief: Für die nächste Platte Bad Reputation stehen im Wesentlichen nur drei der vier Musiker im Studio, weil Gitarrist Brian „Robbo“ Robertson da schon nicht mehr zur Mannschaft gehört. Der schottische Heißsporn hatte schon Teile der letzten Tour verpasst, weil seiner Hand eine Kneipenschlägerei nicht gut bekommen war. Weil er zudem ständig mit Boss Lynott aneinander gerät, entscheidet der, dass Scott Gorham, der andere Klampfer, durchaus alleine klarkommt. 

Thin Lizzy 1977 mit Brian Robertson (2.v.l.), obwohl der nicht immer mitspielen darf. – Foto: Chalkie Davies/Getty Images

Der nimmt deshalb auch sämtliche Gitarrenparts für die Platte auf, lässt aber absichtlich ein paar Parts bei den Aufnahmen weg, nämlich die Soli für Opium Trail und Killer Without A Cause. So kann er Lynott überreden, den verstoßenen Kollegen einfliegen zu lassen. Der kommt tatsächlich nach Toronto ins Studio und steuert die fehlende Leadgitarre bei, fühlt sich aber immer noch beleidigt und will mit seinen früheren Kollegen nicht mal ein Bierchen trinken gehen. Eine Woche hält er sich von allen Partys fern, knickt aber dann ein. Niemand ist überrascht. Wirklich gemeinsam aufspielend hört man das legendäre Sechs-Saiten-Duo nur im Stück That Woman’s Gonna Break Your Heart.

1000 Meilen daneben

Eine fast schon Spinal-Tap-mäßige Legende rankt sich um das Album-Artwork: Thin Lizzy wollen für Bad Reputation wieder ihren angestammten Cover-Maler Jim Fitzpatrick anheuern, doch als Phil Lynott den Künstler in den USA besuchen will, um Details zu besprechen, verfliegt er sich. Statt in Madison, Connecticut landet der Sänger in Madison, Wisconsin. Dazwischen liegen etwa 1000 Meilen. Aua. Das Album ziert deshalb statt eines Gemäldes eine Schwarz-Weiß-Fotografie, die auch nur die drei offiziellen Mitglieder zeigt: Schlagzeuger Brian Downey, Scott Gorham und Phil Lynott. Das stört Robertson nicht, weil er schließlich nicht richtig mitgespielt hat. Auf ein gemeinsames Rückseitenbild verspürt er ebenfalls keine Lust („Eine meiner Launen!“, lässt sich aber ablichten.

Musikalisch geht es nach dem eher ruhigen Vorgänger Johnny The Fox wieder knackiger und härter zu, was auch dem Produzenten Tony Visconti zugesprochen wird. Das kommt an: Bad Reputation schafft Platz vier in Großbritannien und Rang 39 in den USA, eine Steigerung zum Vorjahr. Als Single wird die herrlich gut gelaunte, fingerschnippende Funk-Pop-Nummer Dancing In The Moonlight ausgekoppelt, das Saxofon darauf spielt John Helliwell von Supertramp. Bad Reputation ziert die B-Seite.

Geschmack und Stil

Überhaupt zeigen Thin Lizzy erneut die Vielseitigkeit, die sie über andere Rock’n’Roll-Kapellen erhebt: Das Titelstück geht richtig ab, auch Soldier Of Fortune und Killer Without A Cause rocken nach vorne. Auf der anderen Seite ertönen Southbound und Downtown Sundown fast fluffig-locker, hochmelodisch mit tollen zweistimmigen Gitarren sowieso. Opium Trail klingt abgedreht, That Woman’s Gonna Break Your Heart dramatisch, und immer erzählt Lynott tolle Geschichten dazu. Später werden die Songs der Platte gerne gecovert, zum Beispiel von den Foo Fighters, den Smashing Pumpkins, Raven, Phantom Blue und Europe-Gitarrist John Norum.

Auf folgenden und recht erfolgreichen World Tour spielt Brian Robertson wieder mit; dabei schneiden Thin Lizzy dann Teile ihres brillanten Konzertmanifests Live & Dangerous mit. Doch der Frieden hält nicht lange. Robbo und Philo kommen auf Dauer so nicht miteinander aus, also spielt beim nächsten Studiowerk Black Rose schon Jugendkumpel Gary Moore die zweite Gitarre. Das legendäre erste Vierer-Line-up ist damit Geschichte, aber Bad Reputation gilt weiterhin als Thin-Lizzy-Pflichtwerk. Zu Recht.

Zeitsprung: Am 4.9.1983 spielt Phil Lynott in Nürnberg zum letzten Mal mit Thin Lizzy.

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