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Popkultur

25 Jahre „Wannabe“: Die irrwitzige Geschichte der ersten Spice-Girls-Single

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Foto: Tim Roney/Getty Images

Es ist offiziell der eingängigste Pop-Song der letzten 60 Jahre: Schon mit ihrer ersten Single Wannabe entfesseln die Spice Girls einen Hype, den Großbritannien seit den Beatles nicht mehr erlebt hat.

von Björn Springorum

England im Jahr 1996. Das Land ist fest in der Hand des Britpop. Oasis, Blur und andere reine Männer-Bands dominieren die Charts und die Gazetten, Cool Britannia ist seit der Wiederentdeckung Londons als aufregende Weltstadt der Kultur, der Mode und der Kunst in aller Munde. Musikalisch ist die Insel, wie so oft seit den Beatles, fest in männlicher Hand. Doch verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit braut sich ein Sturm zusammen, der noch im Sommer 1996 einen kataklysmischen, feministischen Wandel heraufbeschwören wird.

Das Cover verbreitet 90s Vibes

Ein Sturm braut sich zusammen

Seit 1994 bereiten vier junge Frauen hinter den Kulissen einen Eroberungszug vor, den die Welt seit den Beatles nicht mehr erlebt hat. Zunächst als Touch, dann als Spice, bald darauf als Spice Girls arbeiten Mel B, Mel C, Emma Bunton, Geri Halliwell und Victoria Beckham an Songs, die die Popwelt für immer verändern werden. Und an einer feministischen Attitüde, die der musikalische Mainstream in dieser coolen Konsequenz noch nicht zu spüren bekommen hat.


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Musikgeschichte in 30 Minuten

Stichtag ist der 8. Juli 1996. Ein warmer Sommertag in London. Wenige Wochen zuvor ist England bei der Europameisterschaft im eigenen Land ausgeschieden. Cool Britannia ist das egal. Die personifizierte Nationalheilige weiß längst, dass eine Wachablösung bevorsteht. Schon im Dezember 1995 nehmen die Spice Girls eine flotte Pop-Nummer auf, eine Hymne auf sich selbst, die sie binnen einer halben Stunde in einem plötzlichen kreativen Flash auf Band bringen – Wannabe ist geboren. Die Band ist zufrieden damit, für sie ist das Stück weniger ein Pop-Song als ein Manifest dessen, wofür sie stehen, veredelt von typischem Gang-Slang, den man nur als Eingeweihte versteht.

Girl-Power-Manifest

Geri Halliwell erinnert sich: „Wannabe war entweder ein Volltreffer oder ein Flop, lieben oder hassen. Der Song würde uns entweder alles ermöglichen oder gar nichts. Wir wussten zwar, dass wir noch andere Songs im Ärmel hatten, aber dieses eine Stück wollten wir unbedingt als allererstes veröffentlichen.“ Sie setzen sich gegen ihr Label durch, das damals noch vollkommen unsicher ist, wie man eine All-Girl-Group denn jetzt genau vermarkten will. Die Spice Girls wissen es anscheinend viel besser: In Wannabe steckt ihre Persönlichkeit, vor allem aber ist der Song das stärkste Girl-Power-Statement, das der Mainstream-Pop jemals vernommen hat.

Der Flächenbrand, den die Single auslöst, ist vorprogrammiert. Im Mai 1996 flimmert das Musikvideo erstmals über die Bildschirme, bald darauf läuft es bei manchen Sendern bis zu 70 Mal am Tag. Das Radio und die Presse folgen, in der Juli-Ausgabe des Magazins Smash Hits taucht eine ganzseitige Anzeige auf: Wanted: Anyone with a sense of fun, freedom and adventure. Hold tight, get ready! Girl Power is comin’ at you. Frei übersetzt: Gesucht: Jede*r mit Sinn für Humor, Freiheit und Abenteuer. Festhalten, bereitmachen für Girl Power.

So viel kann Pop

Und England ist bereit: Am 8. Juli 1996 erscheint Wannabe und erobert von England aus in Windeseile die Welt. Time nennt sie das „prägendste Gesicht“ von Cool Britannia, quasi im Alleingang lösen die Spice Girls den Sinkflug des Britpop-Männerclans ein. Plötzlich ist es nicht nur cool, englisch zu sein, sondern vor allem cool, weiblich zu sein. Was zuvor Bros und Dudes vorbehalten schien, erobern die Spice Girls in zwei Minuten und 52 Sekunden zurück: Freundschaft, Zusammenhalt, Spaß am Leben – eine Botschaft des female empowerment, die es mit dieser Sprengkraft noch nicht gab und von jungen Mädchen bis zu erwachsenen Frauen alle vereint. So viel kann Pop.

Der Song wird zum Selbstläufer, räumt bei den Ivor Novello Awards und den Brit Awards ab. Sieben Wochen lang residiert Wannabe an der Spitze der britischen Charts, den ganzen Sommer über hört man aus geöffneten Fenstern, Autos, Discmans, Shops und Cafés nur dieses eine Mantra:

If you wanna be my lover, you gotta get with my friends

Make it last forever, friendship never ends

If you wanna be my lover, you have got to give

Taking is too easy, but that’s the way it is

Spicemania

Bis Ende 1996 klettert der Song an die Chartspitze in 22 Ländern, bis März 1997 in 37. Sieben Millionen Exemplare werden von der Single verkauft, im vergangenen Jahr gab es keinen Song der Neunziger aus der Feder einer Künstlerin, der häufiger gestreamt wurde. Und laut einer offiziellen Studie von 2014 ist Wannabe sogar der eingängigste, ikonischste Pop-Song der letzten 60 Jahre – durchschnittlich brauchen Menschen nur 2,3 Sekunden, um den Song zu erkennen.

Als im November 1996 mit Spice das Debüt der Spice Girls erscheint, gibt es endgültig kein Halten mehr. In sieben Wochen verkauft die Band fast zwei Millionen Exemplare des Albums – so schnell gingen die Platten seit den Beatles nicht mehr über die Ladentische. In Anlehnung an die Beatles wird die Spicemania ausgerufen, in den USA spricht man auch wegen des Erfolgs der Spice Girls von einer Second British Invasion. Und das alles, so darf man nicht vergessen, mit einem knalligen Song über Frauenfreundschaft, Girl Power und female empowerment. Da sage noch mal einer, Pop sei immer nur oberflächlich.

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