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Popkultur

So war’s: Rock Meets Classic live in Frankfurt 2019

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"Rock-Hits mit Orchester-Pomp: Zum zehnten Mal tourt die Konzertreihe Rock Meets Classic durch Deutschland, diesmal mit Ian Gillan von Deep Purple sowie Musikern von The Sweet, Thin Lizzy, Loverboy und REO Speedwagon. Das Ergebnis ist eine mal laute, manchmal beschauliche Greatest Hits-Schau. Wir haben uns die Sause in Frankfurt angesehen.

von Christof Leim

Hier könnt ihr in die Setlist des Abends reinhören:

Klickt auf „Listen“ für die ganze Playlist.

Die Kombination aus Krachmusik und Klassik ist nicht neu: Schon 1969 betraten Deep Purple als erste dieses Neuland mit Concerto For Group And Orchestra. Seitdem sind Gitarren und Geigen schon oft eine mal mehr, mal weniger erfolgreiche Liaison eingegangen, etwa bei Metallica, den Scorpions und sogar den Black Metal-Satansbraten Dimmu Borgir. In Deutschland führt seit zehn Jahren die Konzertreihe Rock Meets Classic laute Populärkultur mit einem großen Orchester zusammen. Das Format sieht so aus: Mehrere Künstler der Rockgeschichte, meist die Sänger großer Bands, präsentieren ihre Gassenhauer, begleitet von der Mat Sinner Band und einem knapp 40-köpfigen sinfonischem Ensemble mit allem, was dazugehört: Streicher, Bläser, Pauken und Trompeten. Das liefert im Wesentlichen eine gute Gelegenheit, sich lange nicht gehörte Classic Rock-Hits auf einer „Package Tour“, also mit vielen verschiedenen Akteuren, in klanglich großer Kulisse servieren zu lassen.


Zunächst ist mal die Rockband dran… – Credit für alle Fotos: Rock & Royalty


Den Anfang in der fast voll besetzten Frankfurter Jahrhunderthalle macht wie jedes Jahr die Rockband unter der Leitung von Mat Sinner (Primal Fear, Sinner) und das Orchester mit einem Riffklassiker. Heute: Rock You Like A Hurricane, und der geht ja quasi immer. Als erste Stargäste erscheinen nach einem kurzen Orchesterzwischenspiel nun zwei Herren von Thin Lizzy: der langjährige Gitarrist Scott Gorham sowie Sänger Ricky Warwick, der in der Neuinkarnation der legendären irischen Band 2009 den Posten des unvergessenen Phil Lynott übernommen hat. Mit The Boys Are Back In Town, Waiting For An Alibi und Don’t Believe A Word hauen sie mehrere Knaller hintereinander raus, die eigentlich keiner sinfonischen Ergänzung bedürfen, denn die drei Gitarren auf der Bühne können die markanten Harmonien voll ausspielen. Macht Spaß.


Loverboy-Sänger Mike Reno bester Laune (unten links)


Die AOR-Helden Loverboy sind heute durch Sänger Mike Reno vertreten, der mit Waiting For The Weekend ebenfalls eine erfolgreiche Single aus frühen Zeiten (1981) präsentiert. Man merkt allerdings, dass die kanadische Band ihre Platinalben eher in Übersee als in Deutschland eingefahren hat, denn die Reaktionen fallen verhaltener aus, zumal das Orchester hier nicht viel Wichtiges beisteuert. Der 64-Jährige singt gut, aber man darf sich fragen, wie der Tonmischer mit folgender Eigenart klarkommt: Am Ende fast jeder Zeile klappt Reno das Mikro vom Mund nach oben weg. In Almost Paradise, dem Liebeslied aus dem Film Footloose, können Reno, seine Duettpartnerin und das Orchester dann richtig dick auftragen und den Schmachtfetzen noch schmachtfetziger klingen lassen. Hart an der Grenze, aber so war’s wohl gedacht. 


Lights, camera, action. Rauch auch.


Die lautesten Reaktionen des noch jungen Abends streichen allerdings die ersten Nummern von The Sweet ein: Die beiden Glam Rock-Granaten Action und Blockbuster lassen das Ü45-Publikum zum ersten Mal aus den Sitzen hochfahren, es wird geklatscht und gesungen, dass es eine Art hat. Gitarrist Andy Scott geht auf die 70 zu und trägt sowohl einen ordentlichen Bauch als auch eine, sagen wir, markante Frisur spazieren. Doch man kann sich förmlich vorstellen, dass ihm das alles herzlich egal ist: Geschichte wurde geschrieben, die Riffs und vor allem die Backing-Vocals sitzen weiter tadellos. Also hat der Mann sichtlich Spaß, ebenso Leadsänger Pete Lincoln – sympathisch.


Held des Abends: Andy Scott von The Sweet.


Ein Dauergrinsen stellt auch Kevin Cronin zur Schau. Der Sänger von REO Speedwagon mit seiner bunten Brille und den jugendlichen Klamotten wirkt wie ein nettes Gute-Laune-Feld, singt Take It On Run und verkündet, dass Rock’n’Roll jung hält. Für ein Sekündchen wirkt das wie ein abgestandenes Klischee, aber ganz falsch liegt er damit ja nicht – und er scheint selbst das beste Beispiel zu sein. Es folgt die Herzschmerz-Ballade Can’t Fight This Feeling, die von den klassischen Instrumente erst richtig zur Geltung gebracht werden. Und da wir schon mal dabei sind, spielt das Orchester jetzt als reine Sinfonieeinlage ohne irgendwelche Krachmusiker das Stück Der Schwan aus Der Karneval der Tiere, bevor Anna Maria Kaufmann The Last Unicorn und im Duett mit Pete Lincoln Phantom Of The Opera anstimmt. Die kanadisch-deutsche Sängerin steht als „Special Guest“ auf den Plakaten und bringt Musical-Flair auf die Bühne, was aber nicht so recht zum Abend passen will.



Nun beginnt die zweite Runde, denn alle Künstler kehren noch einmal zurück. Die Mat Sinner Band legt mit dem immergrünen Whitesnake-Klopfer Here I Go Again los, bei dem vor allem die Chorsänger brillieren, die im Wechsel die Leadvocals übernehmen. Anschließend hauen die beiden Thin Lizzy-Recken ein knackig groovendes Jailbreak raus und sorgen mit Whiskey In The Jar für Begeisterung. Da kann Loverboy Mike Reno trotz Loving Every Minute Of It und dem Turn Me Loose nicht ganz mithalten. Ohnehin räumen sowieso The Sweet wieder am meisten ab: Bei Ballroom Blitz bebt die Bude, Fox On The Run wird gefeiert. Ruhiger geht es zu im REO Speedwagon-Segment mit Keep The Fire Burnin’ auf der Akustischen, Roll With The Changes und natürlich Keep On Loving You, das Cronin seiner Frau Lisa widmet, die im Chor mitsingt.



Nach der Orchestereinlage Pomp & Circumstance kommt dann der Headliner: Zum vierten Mal singt Deep Purple-Legende Ian Gillan bei Rocks Meets Classic und erweist sich erneut als entspannte Gentleman-Eminenz des Hard Rock. Der Mann muss sich nicht mehr in obligatorische Posen werfen, um sich wie ein Sangesgott zu gebären –  er ist einer, und jeder weiß es. Bei Highway Star und Black Night jedenfalls gibt er sich stimmlich keinerlei Blöße, singt so gut wie lange nicht und wirkt ansonsten fast ein bisschen amüsiert über das ganze Theater. Die Zuschauer feiern es und ihn, über die große Leinwand flirren rasante Straßenszenen oder psychedelische Sequenzen, und auch die Band dreht auf. Vor allem Gitarrist Alex Beyrodt zeigt virtuos, dass er Ritchie Blackmore ausgiebig studiert hat. Die Deep Purple-Nummern wirken bei aller Opulenz ein bisschen wilder und weniger gefällig als der Rest, was der Veranstaltung gut zu Gesicht steht. 


Ian Gillan, begleitet von Geigen, Gitarre und Feuer


Klassische Orchesterinstrumente können ja nicht immer Signifikantes zu einem Rocksong beitragen, egal, wie kompetent die Arrangements geschrieben sind und vorgetragen werden. Manchmal fällt die Begleitung nicht weiter auf, im schlimmsten Fall rückt die Grenze zur streichergerührten Rahmstufe nahe. Aber wenn die beiden Welten sich ergänzen, dann ergibt sich eine packende epische Größe und Dramatik – was das folgende Anya über eine „ woman with a gypsy soul“ (Gillan) zu einem Höhepunkt der gesamten Show werden lässt. Auch im einfühlsamen When The Blind Man Cries und mehr noch beim Breitwandrocker Perfect Strangers ergänzen sich Rock und Klassik hervorragend. Das abschließende Hush wird zum Mitsingfest, bevor noch einmal alle Künstler auf die Bühne kommen. Denn eine Nummer fehlt noch: Smoke On The Water mit dem Riff der Riffs natürlich, bei dem sich Warwick, Kaufmann und Cronin die Lead-Vocals mit Ian Gillan teilen. Der vielleicht klassischste alle Classic Rock-Songs – ein passendes Finale.


Das Mannschaftsfoto: Rock Meets Classic 2019


Setlist Rock Meets Classic

Mat Sinner Band
Rock You Like A Hurricane
Thin Lizzy: Scott Gorham & Ricky Warwick
The Boys Are Back In Town
Waiting For An Alibi
Don’t Believe A Word
Loverboy: Mike Reno
Working For The Weekend
Almost Paradise
The Sweet: Andy Scott & Pete Lincoln
Action
Blockbuster
REO Speedwagon: Kevin Cronin
Take It On The Run
Can’t Fight This Feeling
Rocks Meets Classic Symphony Orchestra
Karneval der Tiere: Der Schwan
Anna Maria Kaufmann
The Last Unicorn
Phantom Of The Opera (mit Pete Lincoln)
Mat Sinner Band
Here I Go Again
Thin Lizzy: Scott Gorham & Ricky Warwick
Jailbreak
Whiskey In The Jar
Loverboy: Mike Reno
Lovin’ Every Minute Of It
Turn Me Loose
The Sweet: Andy Scott & Pete Lincoln
Ballroom Blitz
Fox On The Run
REO Speedwagon: Kevin Cronin
Keep The Fire Burnin’
Roll With The Changes
Keep On Loving You
Rocks Meets Classic Symphony Orchestra
Pomp & Circumstance
Deep Purple: Ian Gillan
Highway Star
Black Night
Anya
When A Blind Man Cries
Perfect Strangers
Hush
Alle
Smoke On The Water

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Zeitsprung: Am 4.6.1990 verstirbt Punk-Ikone Stiv Bators nach Zusammenstoß mit einem Taxi.

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Foto: Fin Costello/Redferns/Getty Images

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 4.6.1990.

von Frank Thießies und Christof Leim

Als Sänger Stiv Bators am 4. Juni 1990 in Paris an den Folgen eines Verkehrsunfalls stirbt, ist dies ironischerweise die am wenigsten glamouröse Form des Ablebens für einen Rockstar mit Hang zum Morbiden. Dabei hatte der Sänger der Dead Boys und The Lords Of The New Church Zeit seines Lebens mit der Todessehnsucht gespielt. Ein Rückblick auf den Werdegang einer Legende des Punk und Gothic Rock.

Hier könnt ihr euch Young, Loud And Snotty anhören, das Debüt der Dead Boys:

Joey Ramone höchstselbst hatte ihnen geraten überzusiedeln: Ursprünglich stammen die Dead Boys aus Cleveland, Ohio; in New York City jedoch werden sie schnell eine der Hausbands im CBGB’s, eines legendären Punk-Epizentrums, und zu einem Publikumsmagneten für die aufkeimende Sicherheitsnadel-Szene. Mit ihrem programmatischYoung, Loud And Snotty betitelten Debüt von 1977 und der Punk-Hymne Sonic Reducer sowie ihren drastisch-provokanten, autoaggressiven Bühnenshows macht sich die Band im verrottenden Big Apple einen Namen. Ihr Anführer: Sänger Steven John Bator, genannt Stiv Bators. Bereits ein Jahr später folgt ein zweites Album, We Have Come For Your Children, welches übrigens auch den von Guns N‘ Roses Jahrzehnte später popularisierten Song Ain’t It Fun enthält.

Gothic-Größe

Mag die Band selber auch Spaß an jenen Gigs und den Provokationen haben, so ist sie anfangs doch etwas zu sperrig für einen Mainstream-Erfolg. Hier liegt vermutlich einer der Gründe dafür, dass sich die Dead Boys im Jahre 1979 auch schon wieder auflösen. Vorerst versteht sich. Nachdem Sänger Stiv Bators auf seinem Dezember 1990 erscheinenden Solodebüt Disconnected schon die Punk-Wurzeln zugunsten eines Garagen-Power-Pop-Sounds kappt, verschlägt es den Frontmann kurze Zeit später nach London. Dort gründet er nach der Zwischenstopp-Band The Wanderers 1981 schließlich zusammen mit Leuten von The Damned, Sham 69 und The Barracudas eine neue Supergoup: The Lords Of The New Church. Deren kühler, vergleichsweise gefälliger und gar nicht mehr so stachliger Sound, eine Mischung aus Gothic, Glam, Garagen Rock und einer kleinen Portion Punk, trifft genau den (britischen) Zeitgeist in der Post-Punk-Ära und soll in Sachen Klang und Look zahlreiche nachkommende Düsterrocker wie etwa die finnischen Finsternisfreunde The 69 Eyes maßgeblich prägen. 

Klinisch tot

Ihre ersten drei Alben, The Lords Of the New Church (1982), Is Nothing Sacred? (1983) und The Method To Our Madness (1984), hauen die neuen Gothic-Größen noch im Jahrestakt raus. Auf der Bühne bemüht Bators immer wieder gerne seinen seit Dead-Boys-Zeiten etablierten Mikrofonkabel-Strangulations-Trick. Ein Gimmick, welches dem Sänger 1983 bei einem Gig fast wortwörtlich das Genick bricht: Als Fans zu sehr an der Strippe ziehen, verliert Bators das Bewusstsein und muss gar ins Krankenhaus eingeliefert werden. Für einige Minuten ist er sogar klinisch tot. Sein lakonischer Kommentar dazu soll gelautet haben: „Ich bin einmal fast auf der Bühne gestorben. Wie um Himmels Willen soll man das noch übertreffen?“

Is This The End?

Zwar nicht so kurzlebig wie die Dead Boys, sind auch die Lords Of The New Church nach New Wave-Vorstößen sowie einem Madonna-Cover von Like A Virgin im Sommer des Jahres 1989 für Bators schon wieder Geschichte. Dort fasst der inzwischen in Paris lebende Sänger 1990 den Plan, zusammen mit dem späteren Schlagzeuger der Toten Hosen, Vom Ritchie, plus den Punk-Legenden Dee Dee Ramone und Johnny Thunders eine neue Gruppe ins Leben zu rufen. Doch die kurz unter dem Namen The Whores Of Babylon agierende Formation hat keinen Bestand. 

Als Stiv Bators am 3. Juni 1980 auf der Straße von einem Auto – manche behaupten, es sei ein Taxi gewesen – erwischt wird und so Opfer eines Verkehrsunfalls wird, ahnt der Sänger noch nicht, wie folgenschwer seine Verletzungen sind. Das Krankenhaus verlässt er jedenfalls unbehandelt, nachdem er ein paar Stunden warten musste. Keine gute Idee: Stiv Bators verstirbt in der folgenden Nacht im Schlaf an einem Schädel-Hirn-Trauma. Er wurde 40 Jahre alt. 

Zur arg gewöhnlich anmutenden Todesursache („Rockstar von Taxi angefahren“) kommen in der Folgezeit nicht nur eine, sondern gleich zwei des Rock’n’Roll würdige Mythen: Auf Bators Wunsch hin soll seine Asche von seiner Freundin Caroline Warren über dem Pariser Grab von Doors-Sänger Jim Morrison verstreut worden sein – angeblich jedoch nicht, bevor Warren davon noch schnell ein Näschen geschnupft haben soll. Was letztlich dann doch eine Prise mehr ist, als nur ein Toter-Rockstar-Mythos für Fußgänger…

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Zeitsprung: Am 3.6.1983 ermordet „Layla“-Trommler Jim Gordon seine Mutter.

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Jim Gordon

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 3.6.1983.

von Christof Leim

Jim Gordon gehört in den Sechzigern und Siebzigern zu den Besten in Sachen Rock’n’Roll-Schlagzeug. Er spielt auf legendären Alben wie Pet Sounds von den Beach Boys, Pretzel Logic von Steely Dan und Apostrophe von Frank Zappa. Doch Gordon ist krank: Irgendwann beginnt er, Stimmen zu hören. Am 3. Juni 1983 schließlich kommt es zu einer Tragödie…

Hier könnt ihr das legendäre Album von Derek & The Dominos reinhören:

Derek & The Dominos 1970. Ganz links: Jim Gordon.

Keine Frage, es läuft gut damals für Jim Gordon, sehr gut sogar: Angeblich geht auf der Höhe seines Erfolges die Nachfrage so weit, dass der Drummer jeden Tag zwischen Studiosessions in Los Angeles und abendlichen Auftritten in Las Vegas hin- und herfliegt. Er spielt auf All Things Must Pass, dem ersten Soloalbum von Ex-Beatle George Harrison, und gehört 1970 er zur Bluesrock-Supergroup Derek & The Dominos mit Eric Clapton. Die wird vor allem bekannt mit dem Klassiker Layla. In diesem Song verarbeitet Clapton seine Liebe zu Pattie Boyd, der Ehefrau seines Freundes George Harrison. (Die ganze Geschichte zu dieser verzwickten Situation findet ihr hier.)

Vielleicht gerät das Stück deshalb so eindringlich, denn der Gitarrengott leidet.  Am Schlagzeug: Jim Gordon. Die sieben Minuten lange Nummer endet mit einem langen, elegischen Piano-Outro, das aus Gordons Feder stammt. Zumindest offiziell: Später wird kolportiert, dass er die Idee von seiner damaligen Freundin Rita Coolidge übernommen habe. Die Songwriting-Credits laufen heute noch auf Clapton/Gordon. Das Lied gewinnt sogar später einen Grammy, als Clapton es für sein Unplugged-Album neu auflegt. (Mehr dazu hier.)

Traurige Eskalation

Kurzum: Für Jim Gordon könnte es nicht besser laufen. Nur leider geht es dem am 14. Juli 1945 geborenen Musiker psychisch nicht gut. Er beginnt, Stimmen zu hören, unter anderem die seiner Mutter. Diese Stimmen nötigen ihn zu hungern und halten ihn zusehends davon ab, sich zu entspannen, zu schlafen oder Schlagzeug zu spielen. Seine medizinische Betreuung schätzt die Ursache dieser Probleme falsch ein und behandelt ihn wegen Alkoholmissbrauchs. Das hilft leider nicht.

Am 3. Juni 1983 greift Jim seine 72 Jahre alte Mutter Osa Marie Gordon mit einem Hammer an und ersticht sie mit einem Messer. Später gibt er an, eine Stimme habe ihm das befohlen. Erst nach seiner Verhaftung wird diagnostiziert, dass Gordon massiv an Schizophrenie leidet. Wegen einer vor kurzem beschlossenen juristischen Reform gilt das vor Gericht nur eingeschränkt als Entlastung: Gordon wird am 10. Juli 1984 zu mindestens 16 Jahren Gefängnis verurteilt („16 years to life“). Er ist 38 Jahre alt und sollte nie mehr öffentlich Schlagzeug spielen.

Der erste Anspruch auf Begnadigung steht ihm 1991 zu, doch das Gericht lehnt dies mehrere Male ab. 2005 gibt Gordon an, seine Mutter sei noch am Leben, 2014 erscheint er nicht zur Anhörung. Die Staatsanwaltschaft verkündet, der Inhaftierte sei weiterhin „massiv psychologisch eingeschränkt“ und „eine Gefahr, wenn er nicht seine Medikamente nimmt“. Die Diagnose der Schizophrenie wird 2017 bestätigt, das zehnte Gnadengesuch wird im März 2018 abgelehnt. Jim Gordon verstirbt schließlich am 13. März 2023 im Alter von 77 Jahren in einer medizinischen Strafvollzugsanstalt in Kalifornien.

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Zeitsprung: Am 16.1.1992 spielt Eric Clapton ohne Strom & landet den größten Hit seiner Karriere.

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Popkultur

20 Jahre „Paper Monsters“: Als Dave Gahan richtig laufen lernte

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Dave Gahan HEADER
Foto: Bernd Mueller/Getty Images

Über 20 Jahre singt Dave Gahan die Texte von Martin Gore. Dann erscheint sein Solodebüt Paper Monsters, auf dem er erstmals für alles verantwortlich ist. Für den Depeche-Mode-Frontmann ist es die ultimative Feuertaufe; für viele Fans ein Fragezeichen. 20 Jahre später wollen wir mal schauen, wie die Platte gealtert ist.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch Paper Monsters anhören:

Dave Gahans erste Soloplatte erscheint so spät, dass man sich fragt, warum sie überhaupt noch kommt. 2003 hat er mit Depeche Mode alles durch – 20 Jahre an der Spitze einer der größten Pop-Bands der Achtziger, mehrere Überdosen, Nahtoderfahrungen, Suizidversuche, angehimmelt von Millionen und auch intern alle Streits, Ego-Schlachten und Machtkämpfe durch, die so eine Band aus drei Männern eben so mit sich bringt.

Kein egozentrischer Alleingang

Mit anderen Worten: Ein Soloalbum hätte eigentlich viel früher Sinn ergeben. Es kam aber eben nie dazu. Doch genau dieser Umstand macht Paper Monsters zu einer spannenden Ausnahmeerscheinung. Das Album ist nicht das Produkt eines zickigen Frontmanns, der insgeheim denkt, die anderen eh nicht zu brauchen. Es ist ein ehrliches, tief gefühltes Statement eines Künstlers, der nach zwei Jahrzehnten ausschweifendem Leben weiß, wer er ist, was er sagen möchte. Und vor allem, was er an seinen Bandkollegen hat.

Slide-Gitarre und U2

Die große Frage bei Gahans Premiere auf der Solistenbühne ist dann aber trotzdem die, die sich jeder erfolgreiche Bandmusiker bei einem Alleingang stellen muss – egal, ob Phil Collins, Freddie Mercury oder Ozzy: Kann er es überhaupt, so ganz ohne Hilfe? Bei Depeche Mode übernimmt bekanntlich Martin Gore das Gros des Songwriting und der Lyrics, 20 Jahre lang sang Gahan also Texte, die gar nicht von ihm sind. Auf Paper Monsters kommt dann sogar beides von ihm, die Töne und die Worte, und natürlich hört man dem Album an, wessen Lieder der Messias der Popwelt da die letzten Jahre von der Bühnenkanzel predigte: Dave Gahan orientiert sich für sein erstes Soloalbum an Songs Of Faith And Devotion, packt ein wenig melancholische U2-Stimmung drüber und lebt sich spannenderweise an der Slide-Gitarre aus.

Läuterung oder Selbstdarstellung?

Die kommt von Knox Chandler, ein gefragter Studiomusiker, der Dave Gahan auch kompositorisch unter die Arme greift. Paper Monsters ist wie das Depeche-Mode-Album einer Americana-Band – weit, voller Hall, Streichern, Pianos und Gahans innerstem Seelenleben. Denn vor allem das ist dieses Album: Sein großer persönlicher Moment, das erste Mal, dass wir auch in seinen Kopf schauen können. Lyrisch gibt es deswegen auch die volle Nabelschau. Toxische Beziehungen, Alkoholsucht, zehrende Liebeslieder, existentielle Motive und mehr als eine Zeile, die sein Verhalten der letzten 20 Jahre verurteilt. Dave Gahan will Läuterung erfahren, tänzelt aber immer wieder auf der Schwelle zur Selbstdarstellung. Das ist die Gefahr aller Soloalben. Bei Paper Monsters geht es gerade noch mal gut.

Gahans beste Gesangsleistung

Musikalisch entsteht in den New Yorker Electric Lady Studios eine überwiegend ruhige, elegische, verträumte Platte. Produzent Ken Thomas, bekannt vor allem durch seine Arbeit mit Sigur Rós, beschert dem heiliggesprochenen Personal Jesus des Pop einen dichten, atmosphärischen Sound, sorgsam austariert zwischen glitzernder Electronica, endloser Weite, Western-Flair und zerrenden Gitarren. Synthesizer sind überraschenderweise Mangelware auf Paper Monsters. Dann wiederum ist ja irgendwie klar, dass Gahan möglichst viel Raum zwischen sich und seinem Hauptarbeitgeber schaffen möchte. Im Vordergrund steht aber natürlich eh sein größter Trumpf – seine Stimme. Mit Anfang 40 sind seine Tage als größtes Sexsymbol des Planeten so langsam vorüber, da konzentriert er sich lieber ganz auf sein volles, unverkennbares Timbre. Besser singt Dave Gahan auf keinem Depeche-Mode-Album. Das scheint er sich für seinen ganz persönlichen Auftritt aufgespart zu haben.

Bei Erscheinen sorgt Paper Monsters für gemischte Reaktionen und performt auch in den Charts eher unauffällig. So wirklich scheint 2003 niemand zu wissen, was man mit diesem Album anfangen soll. Vor allem wird dann auch seine stimmliche Leistung gelobt (etwa im schleppenden, gitarrenlastigen Hidden Houses), weniger die einzelnen Songs. Durchaus auffällig ist, wie weit Paper Monsters vom damals aktuellen Depeche-Mode-Album Exciter entfernt ist. Man kann es als also durchaus Statement sehen, dass Gahan mit dem experimentellen und elektronischen Sound seiner Hauptband nicht allzu zufrieden war. Zeigt auch das, was danach passiert: Auf Playing The Angel geht es 2005 wieder deutlich organischer zu. Und noch etwas ist neu: Erstmals steuert Gahan drei Songtexte bei. Hat also doch etwas bewirkt, dieser erste Alleingang. Zumindest für ihn persönlich.

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