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Popkultur

Zeitsprung: Am 7.6.1994 macht Zakk Wylde auf „Pride & Glory“ Southern Rock.

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Foto: Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.6.1994.

von Christof Leim

Ein Rockstar wird zum Cowboy: Mit Pride & Glory startet Zakk Wylde seine erste Soloband, spielt extrafetten Southern-Rock mit wahnwitziger Gitarrenarbeit und debütiert als Sänger. Das erste und einzige Album des Trios erscheint am 7. Juni 1994, danach löst die Band sich auf. Der Grund: „Das Bier war alle.“ 

Hier könnt ihr euch die Platte anhören:

Als Zakk Wylde Anfang der Neunziger den Cowboyhut anzieht, hat er bereits eine beeindruckende Karriere hinter sich. Wir erinnern uns: Mit 20 steigt er in die Band von Ozzy Osbourne ein und spielt fortan auf den ganz großen Bühnen. Die Alben No Rest For The Wicked (1988) und No More Tears (1991) verkaufen sich millionenfach, Zakk gilt als ganz heißes Eisen in der Welt der sportlichen Alarmgitarre. „The fastest gun in the west“, wenn man so will. Und damals zählt virtuoses Gitarrespiel tatsächlich noch was; die kollektive Umbesinnung auf andere musikalische Qualitäten mit Grunge und Crossover sollte noch kommen.

Auf Solopfaden

Dummerweise meldet sein Boss den Ruhestand an: Ozzy will 1992 mit der No More Tours Tour nochmal um die Welt reisen und dann nach Hause in den Schaukelstuhl. Wie wir wissen, folgt kurz darauf und glücklicherweise die Retirement Sucks Tour, aber Zakk hat ohnehin schon neue Pläne. Der 27-Jährige verfolgt zusehends sein eigenes Ding. Unterwegs in seinem „Day job“ hat er seit 1991 immer wieder mit der Rhythmussektion der Vorband White Lion gejammt und vor allem Southern Rock-Coversongs von zum Beispiel Lynyrd Skynyrd und den Allman Brothers gespielt. Das Trio aus Wylde, James Lomenzo (Bass) und Greg D’Angelo (Schlagzeug) nennt sich geschmackssicher Lynyrd Skynhead und veröffentlicht sogar zwei Songs auf diversen Compilations, nämlich das wilde Instrumental Farm Fiddlin’ und den Blues-Standard Baby, Please Don’t Go

Riff-Cowboys: Pride & Glory 1994 – Brian Tichy, Zakk Wylde, James Lomenzo – Foto: Geffen/Promo

Hier zeigt Zakk nicht nur seine wahnwitzigen Fähigkeiten an der Sechssaitigen, er debütiert auch als Sänger mit stattlicher Rock-Röhre. 1994 übernimmt Brian Tichy das Schlagzeug (später trommelt der Mann bei Billy Idol und Foreigner). Mittlerweile heißt Zakks neue Spielwiese Pride & Glory, und jetzt steht sogar ein Album mit eigenen Songs an. Bei Ozzy hat Zakk da bereits offiziell seinen Hut genommen, nennt seinen Mentor aber weiter „Familie“ und spielt angefangen bei Ozzmosis (1995) auch auf den nächsten drei Studioplatten, wenngleich nicht mehr auf allen Touren.

Raumgreifende Schlaghosen

Das Debüt Pride & Glory erscheint am 7. Juni 1994, produziert von Rick Parashar (Pearl Jam, Temple Of The Dog, Blind Melon). Seinen neuen Kurs setzt Wylde hier fort, und der lautet: Volle Fahrt zurück in die Siebziger. Nicht auf dem Plan stehen hingegen Metal-Riffs aus der Headbanger’s Ball-Stahlschmiede oder gar zeitgenössisches Neunziger-Geschrammel. Zakk trägt zu dieser Zeit trägt gerne Wild-West-Hüte und wahrlich raumgreifende Schlaghosen. Die Les Paul mit der Südstaatenflagge, auf die er Kronkorken genagelt hat (!), kennen die Fans schon von den Ozzy-Touren. Ach ja: Man sieht sogar sein Kinn noch…

Und nach alldem klingen Pride & Glory irgendwie auch: Dermaßen aus der Zeit gefallen, dass man es schon wieder zeitlos nennen darf. Gitarre, Bass, Schlagzeug, das bewährte Power-Trio eben – mehr braucht es gar nicht. Die Platte hört sich an, als wäre sie live eingespielt worden, die Grooves riechen nach langen Jams, und die Gitarre drückt zwar wie Hölle, aber nicht wegen massig Metal-Verzerrung, sondern weil sie eben laut ist. Deshalb kommen einige Songs schon ordentlich heavy rüber, andere basieren auf Akustikgitarre oder Piano, es gibt Slide-Guitar, Banjo, Mundharmonika und viele offene Akkorde, manchmal sogar ein Orchester.

Sechs-Saiten-Zauberei

Dazu feuert unser Mann ein Gitarrenfeuerwerk ab, das er selber später kaum noch übertreffen wird. Ehrlich: Normaltalentierten kann da schon mal blümerant werden. Was Zakk hier abzieht, verbindet technische Beschlagenheit und wahnwitzige Geschwindigkeiten (auch dank Country-Techniken wie Chicken-Picking) mit einem herrlichen Ton und vor allem mit Geschmack und Stil. Kurz gesagt: Zakk lässt richtig fliegen, aber es sind immer noch Rock’n’Roll-Soli und keine sportlichen Etüden. Genau an diesem schmalen Grat scheitern viele, und auch der Meister selbst wird ihn in späteren Jahren oft überrennen. Wir empfehlen an dieser Stelle ausdrücklich Zakks Lehrvideo aus dieser Zeit namens Pentatonic Hardcore, das natürlich auch im Netz herumgeistert. Was man nicht vergessen darf: Als Vokalist erweist sich Zakk Wylde keinesfalls als Kompromiss, weil einer halt den Frontmann geben muss, sondern singt hervorragend.

Einen charmanten Höhepunkt bildet Hate Your Guts zum Abschluss: Locker plänkelt das Banjo, Tichy kehrt mit dem Besen, der Walking Bass spaziert so herum – und Zakk singt darüber, was er mit einer Person anstellen will, die er so gar nicht leiden kann. Die letzten Zeilen des Refrains wollen wir euch nicht vorenthalten: „Ich würde das Loch sogar selber graben, aber ich fahre dich lieber mit meinem Truck platt.“ Charmant. Und ein bisschen lustig.

Kühe und Bier

Überhaupt scheint Zakk Wylde das alles nicht so ganz ernst zunehmen: Das einzige Foto in der Albumhülle zeigt das Trio in Straßenklamotten, Zakk sieht man nur von unten, weil er gerade ein – na klar – Bier an den Hals setzt. Noch besser kommt das Foto auf dem Cover: Auf der ersten Soloplatte eines sehr angesagten Gitarristen mit Majordeal sieht man… Kühe. Und eine windschiefe Hausruine. Keine coole Grafik, keine Musiker, keine Posen. Herrlich. Auf ihre Shirts damals druckt die Combo lediglich den Adler mit Logo von der Plattenrückseite, darunter steht „Band of Beers“. (Wer so ein Teil noch besitzt, soll sich bitte beim Autor melden.)

Alles in allem überraschen Zakk Wylde und Pride & Glory mit dieser Platte also nicht wenig, drei Dekaden später gilt die Scheibe als Kult, den Rock-Fachleute kennen müssen. In geschäftlicher Hinsicht setzt sie die Welt damals nicht in Flammen; wer Glück hat, sieht eine der wenigen Touren, die das Trio spielt. Dabei werden die Songs und Gassenhauer wie Sweet Home Alabama und War Pigs gerne mal auf ein Viertelstündchen ausgedehnt. Wylde, Lomenzo und Tichy gastieren 1994 bei den Monsters Of Rock-Festivals in England, touren durch Japan und Europa, doch am 10. Dezember 1994 findet schon die letzte Show in Los Angeles statt.

1996 bringt Zakk sein akustisches Soloalbum Book Of Shadows raus, 1999 folgt Sonic Brew, das Debüt der Heavy-Rock-Monster Black Label Society, die heute noch Zakks Hauptband darstellen. Das Pride & Glory-Material taucht erst wieder auf dem Livealbum Unblackened (2013) auf. Fragt man Zakk heute, warum die Band nicht weiter spielte, weist er zwar daraufhin, dass er sie jederzeit wieder aktivieren könne, fasst er den Grund aber lapidar zusammen: „Uns ist die Kohle fürs Bier ausgegangen…“

Zeitsprung: Am 28.7.1987 spielt Ozzy im Knast das erste Konzert mit Zakk Wylde.

Popkultur

„Atomic City“: Neuer U2-Song feiert die Post-Punk-Jahre

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U2 HEADER
Foto: Jason Kempin/Getty Images

Und plötzlich ist ein brandneuer Song von U2 gelandet: Auf Atomic City schwelgen die Iren im Sound früherer Jahre und läuten zugleich eine furiose neue Ära ein. Hier bei uns gibt es Song samt Video!

U2 fahren die Motoren langsam hoch. Kürzlich erst gaben sie einen Überraschungsauftritt mitten auf dem Strip in Las Vegas, um ihre furiose Residence im Sphere zu bewerben. Die startet am heutigen Freitag und verspricht ein revolutionäres Konzerterlebnis: 160.000 Lautsprecher und 260 Millionen Videopixel läuten dieses Wochenende eine neue Ära in Sachen Livemusik ein.

Hommage an Las Vegas

Passend dazu erscheint heute die brandneue Single Atomic City. Produziert wurde der Song von Jacknife Lee und Steve Lillywhite und ist als Hommage an Las Vegas zu verstehen – die Stadt wurde in den fünfziger Jahren als Atomic City bezeichnet. Musikalisch ist der Song ein Kniefall vor dem magnetischen Geist des Post-Punk der Siebziger und Bands wie Blondie oder The Clash, die U2 beide stark beeinflussten. Hier gibt es die starke Nummer zu hören:

Aufgenommen wurde die Single in Los Angeles und erscheint passend vor den anstehenden Terminen der Band im Sphere in Las Vegas, wo sie ihr bahnbrechendes Album Achtung Baby aus dem Jahr 1991 zelebrieren. Der Frontmann Bono selbst sagt über die Single: „Es ist ein Liebeslied an unser Publikum: Where you are is where I’ll be.“ Das dazugehörige Musikvideo wurde unter der Regie von Ben Kutchins gedreht und zeigt U2s nächtlichen Überraschungsauftritt des Songs in Downtown Las Vegas letzter Woche. Da hat sich mal jemand mit Schnitt und Post-Production beeilt.

Jetzt können wir nur noch warten und morgen schon die Bilder dieser grandiosen neuen Show mit Ersatzschlagzeuger Bram van den Berg bestaunen. Oder doch vielleicht eher gleich Flüge buchen?

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Popkultur

„Monsters Of California“: Alles über den UFO-Film von Blink-182-Sänger Tom DeLonge

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Tom DeLonge HEADER
Foto: Christopher Polk/Getty Images

Blink-182-Fans wissen: Frontmann Tom DeLonge hat nicht nur ein Faible für Rock, sondern auch für Roswell. Schon seit vielen Jahren interessiert er sich für UFOs, außerirdische Lebensformen und alles, was damit zu tun hat. Mit Monsters Of California bringt er bald seinen ersten Film raus. Und darin geht es natürlich um …

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Nine von Blink-182 anhören:

… genau. In Monsters Of California hängt der Teenager Dallas Edwards am liebsten mit seinen verpeilten Freund*innen herum. Eines Tages findet die südkalifornische Clique zufällig einige Unterlagen von Dallas’ Vater, die darauf schließen lassen, dass er beruflich mit mysteriösen und paranormalen Ereignissen zu tun hat. Die Jugendlichen verknüpfen ihre Erkenntnisse miteinander, stellen Theorien auf — und werden auf einmal von uniformierten Männern mit Maschinengewehren umstellt. Spätestens jetzt wissen sie, dass etwas Großem auf der Spur sind. Doch sie haben natürlich noch keine Ahnung, wie groß ihre Entdeckung wirklich ist …

Tom DeLonge: Pop-Punk-Ikone und UFO-Fan

Die meisten kennen Tom DeLonge als Sänger und Gitarrist der erfolgreichen Pop-Punks Blink-182. Doch der Kalifornier ist auch ein ausgewiesener Alien-Fan, der sich in seiner Freizeit ausgiebig mit UFO-Sichtungen, Area-51-Theorien, außerirdischen Lebensformen und paranormalen Aktivitäten beschäftigt. (Mit dem Song Aliens Exist vom Blink-182-Album Enema Of The State brachte er DeLonge beiden Leidenschaften 1999 unter einen Hut — und genau diese Nummer ist natürlich auch im Trailer von Monsters Of California zu hören.) Immer wieder hinterfragt und forscht er im Namen der Wissenschaft nach Aliens und sucht Erklärungen für diverse Verschwörungstheorien. Schräg, oder?

DeLonges Engagement geht so weit, dass er am 18. Februar 2017 zum Beispiel den „UFO Researcher of the Year Award“ von OpenMindTV verliehen bekam. 2015 erzählte er in einem Interview von einer mutmaßlichen Begegnung mit Außerirdischen — während eines Camping-Trips nahe der sagenumwobenen Area 51. „Mein ganzer Körper hat sich angefühlt, als sei er statisch aufgeladen gewesen“, versicherte der Sänger. Auch Freunde von ihm könnten über Begegnungen mit Aliens berichten. Außerdem verfüge er über Regierungsquellen und auch sein Telefon sei aufgrund seiner Forschungen schon abgehört worden. Wenn er meint …

Monsters Of California: Wann startet der erste Film von Tom DeLonge?

In den USA läuft Monsters Of California am 6. Oktober 2023 an, doch wann der Streifen in Deutschland erscheinen soll, ist bisher nicht klar. So oder so: Der Trailer verspricht mindestens einen unterhaltsamen Kinobesuch — nicht nur für Blink-182-Fans.

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blink-182: Alle Studioalben im Ranking

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Popkultur

Zeitsprung: Am 29.9.1986 trumpfen Iron Maiden erneut auf mit „Somewhere In Time“.

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Foto: Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 29.9.1986.

von Christof Leim

In den Achtzigern stürmen Iron Maiden von einem Triumph zum nächsten. Dabei reiben sie sich fast bis zur Überlastung auf, halten aber konsequent Kurs und Niveau und entdecken neue Sounds. Am 29. September 1986 erscheint Somewhere In Time – und Eddie wird zum Cyborg.

Hier könnt ihr das Album hören:

Die Geschichte von Somewhere In Time beginnt mit völliger Erschöpfung. Kann nach einer Welteroberung schon mal passieren: 1984 hatten die fünf Briten auf der World Slavery Tour elf Monate lang in 28 Ländern auf vier Kontinenten gespielt – und zwar satte 193 Shows vor geschätzten 3,5 Millionen Fans. Der Preis: Bruce Dickinson (Gesang), Steve Harris (Bass), Dave Murray (Gitarre), Adrian Smith (Gitarre) und Nicko McBrain (Schlagzeug) sind fix und fertig. Deshalb fordern die Musiker sechs Monate Pause. Daraus werden zwar nur vier, doch zum allerersten Mal seit Jahren steht die Maiden-Maschine ein Weilchen still. 

Neues Spielzeug

Die Konsequenzen hört man: Harris, Smith und Murray experimentieren mit Gitarrensynthesizern, mit denen sich Keyboardsounds über die Gitarre und den Bass erzeugen lassen. Dickinson indes zweifelt an seiner Motivation und will musikalisch in eine andere Richtung. Er komponiert vor allem akustisches (also stromloses, ruhiges) Material, das von den Kollegen und dem Produzenten aber abgelehnt wird. Der Sänger zeigt sich verletzt, freut sich aber darüber, für eine Weile „nur“  singen zu müssen. Für ihn springt Adrian Smith in die Bresche und liefert im Alleingang mehrere fertige Tracks, die auf einhellige Begeisterung stoßen und Somewhere In Time maßgeblich prägen sollten.

Futuristische Fahrzeuge, klassische Patronengurte: Iron Maiden auf dem Pressefoto für „Somewhere In Time“ – Foto: Aaron Rapoport/Promo

Erst im Januar 1986 geht es zurück ins Studio, genauer: in mehrere Studios. Drums und Bass nehmen Iron Maiden in den Compass Point Studios auf den Bahamas auf, in dem auch AC/DC Back In Black eingespielt hatten. Gitarren und Gesänge bringen die Musiker in den Wisseloord Studios im niederländischen Hilversum auf Band, abgemischt wird schließlich in den Electric Lady Studios in New York. Damit wird Somewhere In Time nicht nur zum teuersten Album der bisherigen Bandkarriere, sondern auch zum technisch ambitioniertesten. Wie für die Beständigkeit in der Maiden-Welt der Achtziger typisch, ändert sich an der sonstigen Formel wenig. Die Produktion übernimmt ein weiteres Mal Stammproduzent Martin Birch.

Fünf Minuten mindestens

Somewhere In Time erscheint am 29. September 1986 und steigt in Großbritannien auf Platz drei ein. In den USA schafft die Band mit Platz elf ihre bis dato beste Platzierung. Auf dem Cover prangt natürlich das unvergleichliche Iron Maiden-Monster Eddie in einem aufwändigen Science-Fiction-Gemälde. Schon im Intro der ersten Nummer, dem vom Film Blade Runner inspirierten Quasi-Titelstück Caught Somewhere In Time aus der Feder von Steve Harris, hören die Fans die besagten Gitarren-Synthesizer. Doch am grundsätzlichen Stil von Iron Maiden hat sich nichts geändert. Es galoppiert der Bass, wie es sich gehört, die Gitarren riffen, und Dickinson lässt seine Sirenenstimme aufheulen. Wo Iron Maiden drauf steht, ist Heavy Metal drin, vermutlich bis ans Ende aller Tage. Allerdings klingt Somewhere In Time insgesamt weniger rau, sondern bei gleichem Energieniveau erwachsener, vielschichtiger und, wenn mal so will, futuristischer.

Von den acht Songs fällt keiner kürzer aus als fünf Minuten aus, das Gros stammt von Steve Harris, drei Beiträge kommen von Adrian Smith. Dazu gehört die erste Single Wasted Years, in der Maiden so eingängig klingen wie es nur geht, ohne ihren eigenen Sound zu verlieren. Der Text erzählt von Heimatlosigkeit und Entfremdung – ein klarer Kommentar zur endlosen World Slavery Tour. Als Wasted Years drei Wochen vor dem Album als Single ausgekoppelt wird, sieht man auf dem Cover das Cockpit einer Zeitmaschine, in deren Armaturenbrett sich der Kopf von Eddie spiegelt. Der Grund: Sein neues Aussehen sollte nicht vor Erscheinen des Albums verraten werden, schließlich hat das Maskottchen mittlerweile Kultstatus erreicht.

Auf der Vorabsingle durfte Eddie sich noch nicht ganz zeigen…

Filme und Bücher als Inspiration

Das folgende Sea Of Madness, ein dramatischer Uptempo-Banger, stammt ebenfalls von Smith, setzt aber keine besonderen Akzente. Für Heaven Can Wait, einen Harris-Song über eine Nahtoderfahrung, rekrutieren Maiden die Gäste einer Kneipe, um die „Oh-Oh“ -Fußballchöre im Mittelteil einsingen zu lassen.

Das ebenso harte wie vertrackte The Loneliness Of The Long Distance Runner basiert nicht nur im Titel auf einer Kurzgeschichte des britischen Autoren Alan Sillitoe. Stranger In A Strange Land hingegen geht direkt ins Ohr und wird deshalb als zweite Single ausgekoppelt. Inspiriert wurde Adrian Smith hierfür durch ein Gespräch mit einem Arktisforscher, der einen gefrorenen Körper im Eis gefunden hatte. Vom gleichnamigen Science-Fiction-Roman von Robert A. Heinlein hingegen leiht sich Smith lediglich den Titel. 

Egal, wo und wann: Eddie ist immer cool

Die Credits für Deja-Vu teilt sich Harris mit Dave Murray, der im Schnitt für jedes zweite Album einen Song beisteuert. Alexander The Great stammt vom Bassisten alleine und reiht sich mit einer Spielzeit von achteinhalb Minuten in den Reigen der großen Maiden-Epen ein, diesmal mit explizit historischem Bezug.

Ein Cover wie ein Bildband

Ein sicherer Hit ist zweifelsfrei das Artwork der Platte: Hier steht Eddie als Weltraum-Terminator mit Cyborg-Auge und Laserpistolen in einer futuristischen Stadt, die vor Details nur so überquillt. Der Künstler Derek Riggs, der Künstler hinter diesem Werk, erinnert sich an den Arbeitsauftrag: „Wir haben uns eigens in Amsterdam getroffen und drei Tage lang über das Cover gesprochen. Sie wollten eine Kulisse wie in Blade Runner, eine Science-Fiction-Stadt.“ Um das zu erreichen, erschafft Riggs eine Skyline mit Werbeslogans und Firmennamen, die er größtenteils erfindet, um Copyright-Probleme zu vermeiden. Dabei dreht er richtig auf und auch ein wenig durch. 

Immense Detailfülle und jede Menge versteckte Späßchen: Das Artwork aus der Feder von Derek Riggs

Wer genau hinguckt, kann unter anderem erkennen: den Sensenmann und die Katze mit Heiligenschein von Live After Death, den abstürzenden Himmelsstürmer aus Flight Of Icarus, ein Flugzeug über der „Aces High Bar“ , das „Ancient Mariner Seafood Restaurant“, ein Straßenschild zur „Acacia Avenue“ , ein Konzertposter mit dem Ur-Eddie, die Dame aus Charlotte The Harlot, die Tardis aus Doctor Who, Batman, eine Uhr, die zwei Minuten vor Mitternacht anzeigt, das „Phantom Opera House“ , den Ruskin Arms Pub (eine der ersten Spielstätten der Band) sowie die exakt gleiche Straßenlaterne wie auf dem Cover des Debüts. Irgendwo steht sogar auf Japanisch „Pickelcreme“ , auf Russisch „Joghurt“  und in Spiegelschrift „Dies ist ein sehr langweiliges Gemälde“. Drei Monate sitzt Derek Riggs an dem Werk, mitgezählt eine mehrwöchige Zwangspause, weil er irgendwann Halluzinationen bekommt und aussetzen muss. Kurzum: Das Cover ist Wahnsinn. Und absolut großartig.

…und die Rückseite ist genauso bombastisch.

Auf die Straße. Natürlich.

Natürlich geht es für die fünf Musiker umgehend auf Konzertreise: Der Somewhere On Tour getaufte Trek zieht von September 1986 bis Mai 1987 um die Welt, mit dabei ein überdimensionaler Cyborg-Eddie, der über die Bühne spaziert, zwei riesige Podeste rechts und links in Form von Monsterkrallen, eine aufwändige, sehr helle Lightshow sowie ein pulsierendes Leuchtherz als Teil von Bruces Bühnenoutfit. 

Somewhere On Tour: Dave Murray schreddert, Eddie guckt kritisch – Foto: Ebet Roberts/Redferns/Getty Images

So stressig und geradezu selbstmörderisch wie zwei Jahre zuvor auf der World Slavery Tour sollte es jedoch nicht mehr werden, auch die Zeiten, in denen Iron Maiden jedes Jahr ein Album und eine Welttour hinlegen, sind mit Somewhere In Time vorbei. Doch die Metal-Weltherrschaft der Achtziger haben Iron Maiden da längst inne.

Zeitsprung: Am 28.4.1988 starten Iron Maiden ihre Welttournee in einem Kölner Club.

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