Popkultur
Zeitsprung: Am 4.5.1999 erscheint der Black Label Society-Erstling „Sonic Brew“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 4.5.1999.
von Christof Leim
Ende der Neunziger startet Zakk Wylde seine neue Band Black Label Society: tiefergelegte Riffs aus der Godzilla-Gitarre, keine Schnörkel, viel Brett. Am 4. Mai 1999 erscheint das Debütalbum Sonic Brew. Worauf die Rockwelt damals sonst so steht, ist dem Meister dabei herzlich egal.
Hört hier in Sonic Brew rein:
Klickt auf „Listen“ für das ganze Album.
Die neue Dampfwalze namens Black Label Society mag manchen Hörer damals überrascht haben. Wir erinnern uns: Bereits als 20-Jähriger heuert er 1988 bei Ozzy Osbourne an, 1994 startet er die großartige Southern-Heavy-Rock-Band Pride & Glory, zwischendurch spielt er bei Guns N’ Roses vor, und 1996 erscheint das ganz entspannte Akustikalbum Book Of Shadows. Wo kommt also der harte Stoff her, mit dem Zakk danach losmetert?
Damals konnte man sogar sein Kinn noch sehen: Zakk Wylde Ende der Neunziger – Pic: Jim Steinfeldt/Michael Ochs Archives/Getty
Im Gespräch mit uDiscover erklärt er: „Mit Ozzy habe ich 1995 Ozzmosis aufgenommen, das war großartig. Während der Zeit bin ich abends immer in die Kneipe um die Ecke vom Hotel gegangen und habe mir da Neil Young, Bob Seger, The Band und die Stones angehört, ruhige Sachen also. Danach habe ich dann mit der Akustischen in meinem Zimmer gesessen und genau solche Songs geschrieben. So ist Book Of Shadows entstanden. Gleichzeitig habe ich eine Weile mit Guns N’ Roses gespielt. Als das Ozzy-Album im Kasten war, wollte der wissen, ob ich nun mit den Jungs weitermache oder nicht. Aber ich habe aber nie eine richtige Ansage von der Band bekommen. Der Boss musste seine Tour planen, also hat er Joe Holmes engagiert. Book Of Shadows kam dann 1996 raus, nur ein Singer-Songwriter wollte ich allerdings noch nicht sein. Das wäre irgendwann langweilig geworden; ich hatte noch mehr vor. Riffs gab es reichlich, also bin ich mit dem Schlagzeuger Phil Ondich nach Miami ins Studio, um die Sachen einfach mal aufzunehmen. Damit wurden Black Label Society geboren.“
Tatsächlich sind nur Zakk und Phil auf der Platte zu hören, die später Sonic Brew heißen sollte: Der Gitarrenheld übernimmt noch den Bass und den Gesang, die Songs stammen sowieso alle von ihm. Und sie bersten nur so vor dicken, dicken Riffs und den typischen Quietschern der Gitarre („Artificial Harmonics“ für die Experten). Manchmal, wie in der Eröffnungsnummer und ersten Single Bored To Tears, reicht sogar ein einziges Riff für einen Song. Ruhige Töne gibt es wenige, abgesehen von der reinrassigen Ballade Spoke In The Wheel, dem ersten Song, den Zakk für Black Label Society geschrieben hat und der auch auf Book Of Shadows hätte stehen können.
Zunächst soll die Sause Hell’s Kitchen heißen, doch den Namen verwirft Wylde: „Als Alternative hatte ich noch ‚Pfadfindermädchen auf Steroiden‘, weil das so gut zu uns gepasst hat. Aber das hätte womöglich Ärger gegeben, und Hell’s Kitchen fand ich zu schwach, also habe ich mich für Black Label Society entschieden.“
Das ursprüngliche Cover fand ein Whisky-Hersteller nicht so toll…
Sonic Brew erscheint am 23. Oktober 1988 in Japan, aber es dauert eine ganze Weile, bis der Rest der Welt ebenfalls etwas von dem neuen Stoff abbekommt. Zu lesen ist von einer Entscheidung für einen kompletten Remix wegen Soundproblemen. In der Zwischenzeit entsteht auch der Bonustrack Lost My Better Half, der nicht nur hörbar anders klingt, sondern auch deutlich härter, was die Entwicklung zu den nächsten Black Label-Alben vorwegnimmt. Am 4. Mai 1999 schließlicht steht die Scheibe in den USA und schließlich auch im Rest der Welt in den Läden.
Auf dem Cover sieht man eine goldene Flasche mit einem Etikett, das ziemlich originalgetreu dem „Black Label Whisky“ der Marke Johnny Walker nachempfunden ist. Das findet die Firma nicht so gut und droht mit einer Unterlassungsklage, weswegen die Platte im Folgejahr ein drittes Mal veröffentlicht wird, diesmal mit neutralem Cover: Zu sehen ist jetzt „Skully“, der Totenkopf, der fortan so ziemlich alles zieren wird, was mit Black Label Society zu tun hat. Dafür spendiert Zakk noch einen Bonustrack, eine brachiale Version des Ozzy-Songs No More Tears.
Ziert alle Neuauflagen der Platte und so ziemlich jede Black Label-Grafik: Skully
Die Verkaufscharts weltweit setzt er damit allerdings nicht in Brand, zumal diese Art von ursprünglichem Heavy Rock Ende der Neunziger zu Zeiten von Alternative und Crossover nicht unbedingt angesagt ist. Bissige Zungen behaupten sogar, damals sei die Welt es gar nicht mehr gewohnt gewesen, dass ein Gitarrist vom tiefen E zum hohen E kommt, ohne sich zu verletzten. Zakk kümmert sich darum nicht, er zieht einfach durch: „Es ist doch egal, wie gerade das musikalische Klima aussieht. Man bleibt sich einfach treu und marschiert voran. Nach den Zeiten von Grunge sollen Alice In Chains ja auch weiter die Musik spielen, die Alice In Chains eben spielen. Oder AC/DC: Die machen die besten AC/DC-Alben, die es gibt. Fertig. Was andere tun, muss einen nicht kümmern.“
In den Folgejahren bringt Wylde seine Band mit wechselnden Mitstreitern konsequent auf die Straße, und das auch auf die harte Tour, denn die ganz großen Hallen der Ozzy-Zeiten gehören erstmal der Vergangenheit an. Dabei werden Black Label Society zum Kult: Gitarristen kriegen feuchte Augen, Biertrinker haben ein neues Vorbild, während sich Rocker, Headbanger und Biker in Kutten mit „Skully“-Emblem auf dem Rücken werfen (was albernerweise für manche Motorradclubs ein Problem darstellt). Die Shows werden größer, weitere Alben folgen. Wylde spielt zwar über die Jahre immer mal wieder mit Ozzy, nimmt auch noch ein weiteres Akustikalbum namens Book Of Shadows II (2016) auf und startet die Coverband Zakk Sabbath, doch Black Label Society bleibt seine Hauptspielwiese.
Zum Jubiläum 2019 legt er die Platte mit restauriertem Sound neu auf und spendiert noch ein Video zu Bored To Tears. Dessen Farbwahl und Grafikeffekte finden wir allerdings ein wenig verstörend…
http://udiscovergermany.umg-wp3.com/popkultur/vergessene-supergroups-der-rockgeschichte

Popkultur
Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.
von Christof Leim
Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.
Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:
Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.
Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“
Längt beschlossene Sache
Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“
Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.
Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.
Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.
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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.
Popkultur
„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?
Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr euch The Record anhören:
Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.
Wie einst Nirvana
Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.
Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.
Die Avengers der Indie-Welt
Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.
Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.
Musste Rick Rubin draußen bleiben?
Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.
The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.
von Christof Leim
Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.
Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.
Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry
Aus dem Stand ein Hit
Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.
Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.
Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.
Da kommt noch mehr
Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.
Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.
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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.
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