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Popkultur

Zeitsprung: Am 21.11.1975 wird die Kiss Army offiziell gegründet.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 21.11.1975."

von Christof Leim

Eine schöne Geschichte rankt sich um die Entstehung der Kiss Army: Zwei Fans in Terre Haute, Indiana wollen unbedingt, dass die Schminkemonster im Radio gespielt werden. Sie schicken Briefe, die sie mit „Präsident der Kiss Army“ unterschreiben, und umstellen mit ihren „Truppen“ sogar das Sendergebäude. Dafür überreicht die Band am 21. November 1975 den „Generälen“ eine Plakette – und die Kiss Army ist offiziell geboren. Doch so ganz stimmt die Geschichte nicht.

Hört hier die besten Kiss-Songs:

Bill Starkey und Jay Evans stehen 1975 voll auf Kiss. In den Siebzigern ist das in den USA nicht ungewöhnlich, denn die Band füllt bereits große Konzerthallen und macht mit dicker Show von sich reden. Doch im damals immens wichtigen FM-Radio laufen die Songs der Band eher selten. Das ärgert die beiden Fans, also fangen sie damit an, ihren Lieblingssender WVTS mit Anrufen und Briefen zu bombardieren. In diesen Briefen nennen sie sich selbst die „Kiss Army“, weil ihnen „Kiss Fanclub“ zu lasch erscheint. Doch der Programmdirektor und der DJ lehnen ab.

Der gefährliche Kiss-Mob?

Der Sage nach drohen Starkey und Evans sogar damit, den Sender in die Luft zu sprengen. Außerdem umstellt angeblich ein Mob aus Kiss-Fans das Gebäude und fordert Songs der Schminkemonster auf der Playlist. Die Verantwortlichen knicken ein, und fortan heißt es bei WVTS Rock And Roll All Nite And Party Everyday. Die Kiss Army hat gesiegt, hurra! Insbesondere Gene Simmons erzählt diese Variante der Geschichte früher gerne. Klingt ja auch ganz hübsch. Stimmt aber nicht.

Bill Starkey hat seitdem öfter zu Protokoll gegeben, dass es sich nicht ganz so zugetragen hat. Der Anfang stimmt jedoch: Die beiden Fans wollen Kiss auf WVTS hören, der Sender lehnt ab und bezeichnet die Band als „mittelmäßige Bachman Turner Overdrive“. Doch als die Schminkemonster im September 1975 mit Alive! durch die Decke gehen, ändert sich der Ton. WVTS nehmen Kiss ins Programm auf, auch um nicht hinter der Konkurrenz zurückzustehen, und sie leihen sich dazu sogar Starkeys Platten und Singles aus. „Es war ein langsamer Prozess, aber wir haben uns durchgesetzt“, erklärt der gegenüber USA Today.

Marketing-Coup

Als Kiss schließlich ein Konzert für den 21. November 1975 in der Stadt ankündigen, wird aus der kleinen „Fehde“ zwischen WVTS und Kiss Army eine Marketing-Kooperation. Starkey und Evans schicken neue Briefe mit völlig überdrehten Forderungen, die der DJ alle publikumswirksam abbügelt. Ständig wird über Kiss geredet, ständig gibt es was zu lachen, und viele wollen nach dem Zuhören wissen, wie sie der Kiss-Army beitreten können. Das Management schaltet sich ein und sorgt dafür, dass die beiden Kollegen im Radio Fragen beantworten und möglichst viele neue Rekrutinnen und Rekruten gewinnen können. Und irgendwann sind alle 10.000 Karten für die Show ausverkauft. So geht das.

Am Tag des Konzertes darf Bill Starkey deshalb die Musiker am Flughafen treffen und mit ihnen den Sender besuchen. Abends beim Konzert bitten Kiss ihn sogar auf die Bühne und übergeben ihm eine Gedenkplakette, die ihn als „Kiss-Ehrenmitglied“ auszeichnet. Danach geht es noch in ein chinesisches Restaurant, am nächsten Morgen frühstückt man sogar zusammen. Viel besser kann es für einen richtigen Fan gar nicht kommen.

Das Geschäft mit der Army

Die Strategen von Kiss nutzen den ganzen Aufruhr natürlich: Sie verkünden die Gründung der Kiss Army, die Starkey von Terre Haute aus leitet. Schon anderthalb Wochen vorher hatte das Management beschlossen, das Hauptquartier der Fan-Armee in der Stadt anzusiedeln. Starkey kann unzählige Konzerte vor allem auf der Destroyer-Tour 1976 besuchen und die Musiker ungeschminkt und im privaten Rahmen treffen. Die meisten Kontakte hat er mit Gene Simmons, wie er in diesem Interview erzählt. Auch die „ausufernden zwischengeschlechtlichen Partyaktivitäten“ der Herren bekommt er mit und staunt.

1976 allerdings übernimmt eine Firma die Kiss Army und macht daraus ein dickes Geschäft. Im Buch Kiss: Behind The Mask schreibt der Autor Ron Boutwell, dass der Fanclub nach Destroyer an die 100.000 Mitglieder umfasste und pro Tag 5.000 Dollar einnahm. Eine Bezahlung für seine Idee bekommt Starkey nicht, zumindest aber machen die Musiker über die Jahre deutlich, dass sie den Startschuss sehr wohl zu schätzen wissen.

Anfang der Achtziger wird der Fanclub eingestellt, 2007 aber wiederbelebt. Am 29. Mai 2008 tritt Condoleezza Rice, die damalige Außenministerin der USA, als Mitglied bei. Heute ist die Kiss Army der offizielle Fanclub der Band, wird aber auch als Begriff für die gesamte Fanschar verwendet. Bill Starkey wird regelmäßig zu seiner Kreation befragt und scheint weiter Spaß daran zu haben.


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