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Popkultur

Zeitsprung: Am 13.5.1974 werden Kiss überlistet und unmaskiert fotografiert.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 13.5.1974.

von Christof Leim

Anfangs darf niemand wissen, wie Kiss unter der Schminke aussehen, schließlich trägt dieses Mysterium wesentlich zur Faszination der Band bei. Am 13. Mai 1974 aber schafft es das Magazin Creem mit einem Trick, die vier angehenden Rockstars unmaskiert zu fotografieren…


Hört hier in die besten Kiss-Songs rein:

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Mitte der Siebziger werden Kiss zu Megastars: Der mitreißende Konzertmitschnitt Alive! von 1975 geht durch die Decke, die Konzerte werden größer, die Show bombastischer, die Band verdient Millionen. Jeder kennt die schwarzweiß bemalten Gesichter dieser vier Rock’n’Roll-Comichelden, von denen einer sogar eine besonders lange Zunge hat und Blut spuckt. Die Faszination, die die Band auf Millionen vor allem US-amerikanischer Fans ausübt, liegt nicht zuletzt an diesem bombastischen Image, das dem lautstarken Rock’n’Roll der New Yorker einen Extraschub verleiht.



Deshalb wird das Geheimnis mit Nachdruck gehütet: Die Musiker zeigen sich nicht in der Öffentlichkeit, ziehen sich Halstücher über Mund und Nase oder halten sich Hände vor die Gesichter. Bodyguards schirmen Paul Stanley, Gene Simmons, Ace Frehley und Peter Criss rund um die Uhr ab und helfen auch schonmal unliebsamen Fotografen mit den Kameras, indem sie ihnen die Filmrollen abnehmen. Und wenn einmal Bilder ohne die Maskerade auftauchen, dann wissen die Magazine und Medien nur zu gut, dass eine Enttarnung nicht nur den ganzen Spaß, sondern eine beidseitig günstige Geschäftsgrundlage zerstören würde. Man kennt sich, man arbeitet zusammen. Am Anfang ihrer sagenhaften Karriere nehmen die Herren diese Regeln allerdings noch nicht so genau – und lassen sich vom Creem-Magazin dazu bewegen, ohne Make-up für die Kameras zu posieren.

Am 13. Mai 1974, das Debütalbum ist gerade mal drei Monate alt und die Band auf Tour als Vorgruppe für Savoy Brown, besuchen sie die Redaktion des Heftes in Birmingham, Michigan. Dort soll eine Fotosession für einen großen Artikel stattfinden. „Sie kamen rein ohne die Schminke und sahen aus wie vier normale Rocker-Typen“, beschreibt Creem-Journalistin Jaan Uhelszki im Buch Kiss: Behind The Mask den Tag. „Freundlich haben sie gefragt, ob sie die Damentoilette benutzen dürfen, um ihre Kostüme anzulegen. Die Transformation war unglaublich! Plötzlich standen da vier Giganten.“ Das sorgt natürlich für Aufsehen: „Es herrschte völliges Durcheinander. Die Sekretärinnen stritten sich darum, wer bei Gene Simmons auf dem Schoß sitzen dürfe, aus der Zahnarztpraxis von gegenüber schauten ständig Leute rein, weil sie wissen wollten, was da los it. Und es war einiges los – schon sonderbar, was ein paar Tuben mit Clownweiß, roter Lippenstift und Eyeliner bewirken können.“

Charlie Auringer, der Art Director von Creem, macht schließlich die besprochenen Fotos der vier Helden in voller Montur. Dann verschwinden die Musiker erneut im Bad, legen das ganze Brimborium wieder ab und schicken sich an, wieder abzufahren. Da überzeugt Auringer sie spontan, noch eben für ein Bild ohne Make-up zu posieren. Und es funktioniert sogar: „Wir wurden überlistet“, berichtet Paul Stanley später in Kiss: Behind The Mask. „Man hat uns erklärt, unser Management habe am Telefon zugestimmt, Bilder ohne die Schminke zu machen. Grün wie wir waren, haben wir gefragt: ‚Wirklich?‘ Und sie haben gesagt: ‚Ja, wirklich!‘. Also haben wir mitgemacht.“ Natürlich hat die Absprache mit dem Manager nie stattgefunden. Eine Fotogalerie der Creem-Session könnt hierhier und hier bewundern.

Am nächsten Tag klingelt bei Creem das Telefon: Die Plattenfirma Casablanca Records bittet darum, das Material nicht zu veröffentlichen. „Und wir haben uns daran gehalten“, erinnert sich Auringer, „um das Mysterium am Leben zu erhalten.“ Gedruckt werden die Bilder erst viele Jahre später, Creem und Kiss arbeiten weiter zusammen, als die Band im Folgejahr förmlich explodiert…

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